Exakt 30 Jahre (ab dem ersten von Benz & Cie. gebauten Bus gerechnet) marschierten Bus und Lkw im Gleichschritt. Es ist im Juni des Jahres 1925, als sich die Wege zu trennen beginnen. Bis dahin ruhten Omnibus-Aufbauten wie selbstverständlich auf den gängigen Lkw-Chassis, deren Kennzeichen ein durchgehender Rahmen ist. Entsprechend hoch hatten die Fahrgäste zu klettern. Der "Nieder-Omnibus", ab 1925 in Gaggenau gefertigt, leitet eine neue Epoche mit weitaus komfortablerem Einstieg für die Passagiere ein.
Das geht allerdings nicht ohne ein spezielles Chassis. Dessen Rahmen ist nun hinter der Vorderachse nach unten gekröpft und dann gerade nach hinten durchgezogen. Im hinteren Bereich schwingt sich wiederum eine Kröpfung nach oben und schafft auf diese Weise den nötigen Platz für die Hinterachse. Lohn dieser Mühen ist, dass der Fußboden nur noch 670 Millimeter über der Fahrbahn liegt.
Vielfältige Vorteile durch abgesenkten Schwerpunkt
Ein Trittbrett unterteilt den Einstieg zudem in Stufenhöhen von gut 300 Millimetern: Das wäre selbst heute noch für einen Linienbus durchaus akzeptabel. Der niedrige Rahmen bietet indes eine Reihe von weiteren Vorzügen. So verbessert zum Beispiel der damit abgesenkte Schwerpunkt das Fahrverhalten. Was wiederum sowohl Komfort als auch Sicherheit vor allem bei Überlandbussen mit schwer bepacktem Dachgepäckträger deutlich erhöht: "Infolge der tiefen Lage des Aufbaues fährt der Wagen ruhiger und schaukelfreier als ein Omnibus der üblichen hohen Bauart", bringt ein zeitgenössischer Prospekt diesen Vorteil auf einen kurzen Nenner.
Obendrein kommen solche Omnibusse mit niedrigem Rahmen und entsprechend tief postiertem Aufbau weniger hochbeinig daher und wirken weitaus eleganter als ihre bisherigen Pendants. Diese optische Absetzung zum Lastwagen ist dem jungen Personenverkehr ein hochwillkommenes Differenzierungsmerkmal.
Zur Emanzipation gehört auch ein eigener, langer Radstand. Der wiederum macht’s möglich, dass fast alle Fahrgastplätze zwischen den Achsen liegen, wo sich’s eben besonders komfortabel sitzt. Das bewirkt ferner, dass die Karosserie insgesamt weniger Strapazen zu erdulden hat. Woraus sich die Möglichkeit ergibt, zu einer insgesamt leichteren Bauweise überzugehen, "die sich günstig in Bezug auf den Reifen- und Brennstoffverbrauch äußert", wie ein Prospekt von 1925 die Kundschaft informiert.
An Varianten herrscht kein Mangel
Benz fertigt den "Nieder-Omnibus" von Anfang an in mehreren Varianten. Den Grundstock bilden Radstände von 5.000 Millimetern und 6.000 Millimetern für Karosserien. Darüber hinaus gibt es diese neuen Busse in Stadt- sowie Überlandversion, ebenso stehen verschiedene Türvarianten zur Wahl. Nicht zuletzt fertigt Benz & Cie. solche Omnibusse für den Schaffnerbetrieb oder als so genannte Einmannwagen.
Als Antrieb für die 7,3 und 8,4 Meter langen Basisfahrzeuge mit den Typenbezeichnungen 2 CNa und 2 CNb dienen die bekannten Vierzylinder-Benziner mit 40/45 PS und 50/55 PS aus 6,3 respektive 8,1 Liter Hubraum. Diese Leistung reicht für eine Höchstgeschwindigkeit von etwa 40 km/h. Den Verbrauch beziffert das Werk für die kleinere Maschine auf 18, für den großen Motor auf 26 Kilogramm Benzin je 100 Kilometer. Von Litern ist zu dieser Zeit immer noch nicht die Rede. Der 7,3-Meter-Wagen (Radstand 5.000 Millimeter) ist für maximal 24 Passagiere gedacht, während die größere und stärker motorisierte Variante mit Radstand 6.000 Millimeter maximal 32 Sitzplätze parat hält.
Vollkommen unabhängig von der Lkw-Entwicklung sind die Omnibusse durch die neue Entwicklung aber natürlich noch lange nicht. Selbst dieser neue gekröpfte Rahmen basiert auf einer Lkw-Entwicklung: Benz hatte ihn kurz zuvor für Müllwagen eingeführt, damit die geplagten Müllmänner die schweren Abfalltonnen nicht ganz so hoch zu wuchten hatten wie bisher.