Wie wichtig ist ein Querträger im Cockpit? Braucht man ein durchgehendes Bauteil? Und ist es möglich, das Gewicht eines Cockpits zu reduzieren? Diese Fragen stellten sich auch die Ingenieure von ThyssenKrupp Steel, ThyssenKrupp Presta und Johnson Controls. Die Antwort auf diese Fragen ist ein neues Cockpitkonzept namens EcoSpace, das im Vergleich zu konventionellen Lösungen bei identischem Insassenschutz mehr als 20 Prozent Gewicht einspart und weitere Vorteile bietet: Auch die Funktionsintegration und die Struktureigenschaften wurden verbessert. So haben drei Unternehmen durch die schnittstellenübergreifende Systembetrachtung und ihr spezifisches Produkt-Know-how gemeinsam eine neue Cockpitstruktur für die Automobilindustrie entwickelt. Erstmals präsentieren es die Unternehmen auf der IAA 2007.
"Drei Kompetenzen, zwei Werkstoffe, eine Lösung das ist das Rezept für ein neuartiges Cockpitkonzept", sagt Thomas Beer, Senior Product Business Manager bei Johnson Controls. So entstand eine Synergie aus Johnson Controls Erfahrung in der Entwicklung und Produktion von Instrumententafeln und Cockpits sowie dem Werkstoff- und Karosserie-Know-how der Thyssen- Krupp Steel AG. ThyssenKrupp Presta steuerte die Lenksäule und das entsprechende Entwicklungs-Wissen bei."Die Idee ist, den Montageprozess für den Automobilhersteller zu vereinfachen, indem wir ihm eine komplette Cockpitstruktur aus einer Hand liefern, die bereits die Instrumententafel, die Lenksäule sowie die Tragstruktur enthält", sagt Martin Hinz, Projektleiter Cockpitstrukturkonzept bei der ThyssenKrupp Steel AG. Die Montagekomplexität konnte erheblich reduziert werden, so dass der Automobilhersteller lediglich einzelne Komponenten wie beispielsweise Radio und Klimaanlage integrieren muss.
Hybridbauweise macht durchgehenden Querträger überflüssig
Die Entwicklung der neuen Cockpitstruktur begann mit einem Benchmark: Das Team aus den drei Unternehmen untersuchte eine Referenzstruktur aus dem volumenstarken Segment der unteren Mittelklasse. Voraussetzung war, dass sie bereits eine sehr gute, optimierte Strukturkonstruktion aufwies. Dieses Cockpit nutzt, wie in den meisten Fahrzeugen heutzutage, den durchgehenden Querträger als Hauptbestandteil der Cockpitstruktur. Er stabilisiert das Cockpit und hat unter anderem eine Schnittstelle zur Lenksäule, zum Airbag und zur Instrumententafel. Die herkömmlichen Tragstrukturen sind dabei meist aus Stahl, Magnesium, AluMINIum oder in einzelnen Fällen vollständig aus Kunststoff, mit ihren jeweiligen spezifischen Vor- und Nachteilen.
Das Besondere des neuen Ansatzes besteht in einer hybriden Leichtbauweise, einer Verbundstruktur aus Stahl und Kunststoff. Sie macht es möglich, dass die Hälfte des Querträgers eingespart wird. Da die Strukturfestigkeit hauptsächlich im Bereich der Lenksäule erForderlich ist, verwenden die Ingenieure den Stahl für die Fahrerseite in Form eines Dreibeins. Zentrale Komponente ist ein"Thyssen Tailored Tube" der dritten Generation. Dabei handelt es sich um ein geschlossenes Hohlprofil mit belastungsorientierter Geometrie, an das die Lenksäule direkt fixiert werden kann. Der Kunststoff aus langfaserverstärktem Polypropylen kommt von Johnson Controls. Die Hybridstruktur hat nicht die Nachteile, sondern nur die Vorteile der herkömmlichen Materialkombinationen wie niedriges Gewicht, hohes Integrationspotenzial, gute Struktureigenschaften und allgemeine Anwendbarkeit. Der Kunststoff wird über die Gesamtbreite des Cockpits eingesetzt. Luftkanäle, die Anbindung an den Airbag sowie die Rückseite des Handschuhkastens werden direkt in die Kunststoffkonstruktion integriert. Auch diese Teile übernehmen eine Verstärkungsfunktion. Durch diese Maßnahmen wird ein durchgehender Querträger überflüssig.
Dreibein-Struktur und Lenksäulenanbindung
Eine Dreibein-Struktur stellt den statisch stabilsten Zustand bei MINImalem Materialeinsatz dar. Sie ist an den Windlauf, die A-Säule und den Boden angeschraubt. Eingebunden in die Cockpitstruktur kann sie so Kräfte aus allen Richtungen absorbieren. Für die Lenksäule zeichnet ThyssenKrupp Presta verantwortlich. Eine HerausForderung bestand in der direkten Lenksäulenanbindung an den Querträger, wodurch der Kraftfluss optimiert wird: In der klassischen Bauweise sind hierfür sieben Bauteile erForderlich. Das neue Konzept spart sechs Bauteile ein: Für die Verbindung der Stahl- und Kunststoff-Tragstruktur sorgen kunststoffumspritzte Stahleinleger, die durch Laserschweißen am Dreibein befestigt werden. Diese Verbindung ist hochfest, steif und ermöglicht eine optimale und stabile Fixierung. Auch die Eigenfrequenz des Cockpits wird hierdurch verbessert. Sie beträgt nun 46 Hertz inklusive Lenksäule.
Crashsicherheit wird großgeschrieben
Selbstverständlich haben die Ingenieure auch an die Sicherheit gedacht. Simulationen der kompletten Cockpitstruktur belegen, dass sie solch einen homogenen Aufbau hat, dass die Sicherheit identisch mit der in konventionellen Cockpits ist. Egal, ob der Aufprall an der stahl- oder an der eher kunststoffintensiven Seite passiert: Das Crashverhalten ist auf der Fahrer- und Beifahrerseite gleich."Bei einem Seitencrash ist das genaue Zusammenspiel zwischen Kunststoff und Stahl entscheidend", sagt Martin Hinz. ThyssenKrupp Steel hat dazu die Front- und Seitencrashs simuliert und Johnson Controls überprüfte die Crash-Einflüsse auf das gesamte Cockpit. So erfüllt es nicht nur die AnForderungen an die Komponenten, sondern auch die des Systemansatzes nach Euro NCAP FMVSS208. Durch den Wegfall der oft komplexen Lenksäulenanbindung kann zusätzlich Bauraum für den Insassenschutz geschaffen werden.
Neben den Montage- und Systemvorteilen werden sich auch die Designer an unserem neuen EcoSpace-Konzept erfreuen können: Die Fokussierung der Hauptstruktur auf die Fahrerseite ermöglicht neue Gestaltungsperspektiven, vor allem auf der Beifahrerseite", sagt Thomas Beer. Das neue Cockpitkonzept ist für alle Limousinen geeignet und könnte ab dem Modelljahr 2010 zum Einsatz kommen. Es wird der Öffentlichkeit erstmals auf der IAA 2007 vorgestellt.