Audi Motorsportchef Dr. Wolfgang Ullrich, Tom Kristensen und Allan McNish müssten sich am kommenden Wochenende eigentlich zweiteilen: Im tschechischen Brünn steht der vierte Lauf der DTM auf dem Programm. Zeitgleich geht am Sonntag knapp 1.500 Kilometer weiter westlich das Vortraining in Le Mans über die Bühne – die einzige Testgelegenheit auf dem 13,650 Kilometer langen "Circuit des 24 Heures", auf dem am 18./19. Juni die 73. Auflage der 24 Stunden von Le Mans ausgetragen wird.
Weil die Titelverteidigung in Europas populärster Tourenwagen-Serie mit dem Audi A4 DTM Priorität hat, werden Dr. Ullrich, Kristensen und McNish am Donnerstag nach Tschechien reisen und das Le Mans-Vortraining nur aus der Ferne verfolgen. "Ich denke nicht, dass das für mich ein zu großer Nachteil ist", meint Tom Kristensen, der in der DTM für das Audi Sport Team Abt Sportsline startet, in Le Mans für das amerikanische Team ADT Champion Racing. "Die Strecke ist gegenüber dem Vorjahr unverändert. Und bei meinem ersten Le Mans-Einsatz bin ich auch erst nach dem Vortraining zum Team gestoßen – trotzdem habe ich das Rennen gewonnen."
Das war 1997. Seitdem ist Tom Kristensen vom Le Mans-Rookie zum erfolgreichsten Le Mans-Piloten aller Zeiten avanciert. Im vergangenen Jahr feierte der Däne seinen sechsten Erfolg beim französischen 24-Stunden-Klassiker und stellte damit den bisherigen Rekord des Belgiers Jacky Ickx ein. Bei seinem neunten Le Mans-Einsatz hat der Audi Werkspilot nun die Chance, als erster Fahrer der Geschichte einen siebten Le Mans-Sieg zu holen.
Deshalb hofft er darauf, dass seine Teamkollegen JJ Lehto und Marco Werner, mit denen er im März das 12-Stunden-Rennen in Sebring (USA) gewann, beim Vortraining am Sonntag in seiner Abwesenheit eine perfekte Abstimmung für den Audi R8 mit der Startnummer 3 erarbeiten. Denn die Werte vom vergangenen Jahr lassen sich nicht 1:1 übernehmen: Der erfolgreichste Le Mans-Prototyp aller Zeiten muss in dieser Saison reglementbedingt mit 50 Kilogramm mehr Gewicht und rund 30 PS weniger Motorleistung starten. "Der Unterschied ist spürbar, das Auto ist nicht mehr so agil wie früher", erklärt Kristensen. "Es wird im wahrsten Sinne des Wortes schwer für uns. Aber die größten Vorteile des R8 bleiben unangetastet: die Zuverlässigkeit und der geringe Benzinverbrauch des Turbo FSI Motors."
Auch Allan McNish muss das Vortraining wegen der Überschneidung mit dem DTM-Rennen in Brünn auslassen. Der Schotte startet in Le Mans gemeinsam mit Frank Biela und Emanuele Pirro im Champion Audi R8 mit der Startnummer 2. Vollständig ist beim Vortraining dagegen das Audi PlayStation Team ORECA (Audi R8 Startnummer 4) mit seiner rein französischen Fahrermannschaft bestehend aus Jean-Marc Gounon, Formel 1-Testfahrer Franck Montagny und dem ehemaligen Audi Werksfahrer Stéphane Ortelli.
Am Freitag steht bereits die Technische Abnahme der drei Audi R8 in der Innenstadt von Le Mans auf dem Programm. Am Sonntag wird von 9 bis 13 Uhr sowie von 14 bis 19 Uhr trainiert. "Das Vortraining ist dieses Mal besonders wichtig, um für das höhere Gewicht und die niedrigere Motorleistung die beste Abstimmung zu finden", erklärt Wolfgang Appel, Leiter Fahrzeugtechnik bei Audi Sport und einer der "Väter" des Audi R8.
Obwohl die Priorität von Audi Sport auf der DTM liegt, wird Dr. Ullrich am Sonntag im engen Telefonkontakt mit Projektleiter Christian Weck in Frankreich stehen: "Schließlich wollen wir unseren R8 mit einer erfolgreichen letzten Saison in den Ruhestand schicken", so Dr. Ullrich.