Autourlauber müssen sich in der laufenden Ferienreisesaison wegen Autobahnbaustellen auf zum Teil massive Verkehrsbehinderungen einstellen.
Bis Mitte September soll bundesweit an 195 Stellen "gebuddelt" werden, teilte der ACE Auto Club Europa mit. Die Fahrbahnerneuerungen erstrecken sich demnach auf insgesamt 750 Autobahn-Kilometer. Das entspricht der Entfernung zwischen Hamburg und München. Im Schnitt - so der ACE weiter - gebe es in dem mehr als 12.000 Kilometer umfassenden Autobahnnetz alle 30 Kilometer eine Baustelle, mit einer Länge von jeweils 2.500 Metern. Als Grund für das Ausmaß der Bautätigkeit nennen der ACE und die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) "Versäumnisse der Vergangenheit und Finanzblockaden zu Lasten der Verkehrsinfrastruktur". Wegen fehlender Gelder seien erForderliche Baumaßnahmen mitunter verschleppt und folglich erst verspätet eingeleitet worden.
BundesverkehrsMINIsterium: "Baustellen sind keine Schikane"
In einer Erklärung gegenüber dem ACE versicherte der Parlamentarische Staatssekretär im BundesverkehrsMINIsterium, Ulrich Kasparick: "Baustellen sind keine Schikane sondern erForderlich, damit Mobilität wieder funktioniert und Verkehrssicherheit weiter gewährleistet werden kann." In die Sanierung und Erneuerung der Autobahnen stecke die Bundesregierung allein dieses Jahr 1,1 Milliarden Euro. Zugleich begrüßte Kasparick die Initiative von ACE, IG BAU und der Autobahnpolizei Münster, die derzeit in einer konzertierten Verkehrssicherheitsaktion auf besondere AnForderungen der Verkehrs- und Arbeitssicherheit im Bereich von Autobahnbaustellen aufmerksam machen.
Bei jedem zweiten Verkehrsunfall ist den Angaben zufolge überhöhtes Tempo als Ursache mit im Spiel. Deshalb komme es besonders im Baustellenbereich darauf an, Geschwindigkeitsbeschränkungen strikt zu beachten und mehr Rücksicht zu üben, betonen die Unfallverhütungsexperten. Mit angepasster Geschwindigkeit werde nicht nur ein wirksamer Beitrag für mehr Sicherheit im Straßenverkehr geleistet. Gedrosseltes Tempo diene auch dem Arbeitsschutz für Beschäftigte von Straßenbauunternehmen und Autobahnmeistereien.
Der ACE legte einen 12-Punkte umfassenden Katalog mit Verhaltensregeln beim Passieren von Autobahnbaustellen vor. Dort kommt es laut ACE jährlich zu rund 1.600 Kollisionen, mit bundesweit über 1.000 zum Teil tödlich verletzten Kraftfahrern. Hinzu kämen Arbeitsunfälle, denen Arbeiter im Baustellenbereich zum Opfer fielen.
"Autofahrer lassen sich in Baustellen vom Geschehen auf der Fahrbahn leicht ablenken. Beeinträchtigt wird die Konzentration beispielsweise auch durch Verkehrsfunk oder durch Telefonate, selbst wenn eine Freisprecheinrichtung benutzt wird", sagte Gert Schleichert, Leiter Auto & Verkehr beim ACE. Polizeihauptkommissar Rainer Bernickel von der Autobahnpolizei Münster kommt zu dem Schluss: "Es wird zu schnell gefahren, zu riskant und zu unkonzentriert". Der Tipp des Polizeiexperten lautet: Überholen und Fahren auf der linken Spur im Bereich von Baustellen bringt weder einen Zeit- noch einen Sicherheitsgewinn. Die Industriegewerkschaft Bauen-Agrar-Umwelt (IG BAU) wies auf die besondere Unfallgefährdung von Straßenbauarbeitern hin. Das Risiko, im Straßenbau einen Arbeitsunfall zu erleiden, sei mehr als doppelt so hoch als in anderen Bereichen der gewerblichen Wirtschaft. "Für unsere Leute gilt: Je niedriger das Tempo desto höher die Sicherheit".
Verletzungsart "Organzerreißung" am häufigsten
Die bisherigen Bemühungen um mehr Sicherheit rund um Straßenbaustellen müssen unvermindert fortgeführt werden, Fordern ACE und IG BAU. Zwischen 2002 und 2004 sind den Angaben zufolge 498 Arbeiter in der privaten Bauwirtschaft und der öffentlichen Straßenunterhaltung bei Arbeitsunfällen ums Leben gekommen. Bei mehr als acht Prozent dieser Unfälle im Bereich Transport und Verkehr wurden Arbeitnehmer auf Baustellen erfasst und überrollt. Von 2002 bis 2004 erlitten alleine in der Straßenunterhaltung 9.400 Beschäftigte Arbeitsunfälle. Bei der Art der Verletzungen etwa auf Grund von Kollisionen mit Fahrzeugen rangieren mit insgesamt fast 70 Prozent an erster Stelle so genannte Organzerreißungen sowie Gehirnerschütterungen und Prellungen. "Wir sehen Autofahrer und Straßenbauarbeiter in einer gemeinsamen Sicherheitspartnerschaft. Wirksame Unfallverhütung und Arbeitsschutz funktionieren in der Praxis am besten durch beiderseitige Gefahrenvermeidung. Bauarbeiter haben ein Recht auf Rücksicht", betonen IG BAU und ACE.
Gebremst wird zu spät und zu scharf
Nach Beobachtungen der Autobahnpolizei wird im Vorfeld von Baustellen häufig viel zu spät und zu scharf gebremst. Dieser Umstand und ein zu geringer Sicherheitsabstand führten dann zu den mitunter folgenschweren Unfällen. Laut ACE passieren leichtere Auffahrunfälle nicht selten in dem für Baustellen so typischen Stop-and-go-Verkehr. "Daher ist es ratsam, bei Stopps auszukuppeln und die Handbremse zu ziehen; bei Automatikgetrieben sollte in der Standphase immer auf Leerlauf geschaltet werden", so der ACE in seinem Ratgeber. "Andernfalls setzt sich der Wagen beim versehentlichen Lockern der Fußbremse unmerklich in Bewegung."
Milliarde-Stunden im Stau
Wegen wachsendem Verkehrsaufkommen, Baustellen und Unfällen wird es künftig zu immer längeren Staus kommen, prognostizierte der ACE. Im Schnitt stünde jeder Verkehrsteilnehmer in Deutschland heute schon jedes Jahr 60 Stunden im Stau. Das seien insgesamt 4,7 Milliarden Staustunden oder 535 Milliarden Staukilometer pro Jahr, erläuterte der Club unter Berufung auf Studien der Universität Duisburg. Der ACE sieht eine Lösung der Stauproblematik allerdings nicht alleine in einem bedarfsgerechten Ausbau der Verkehrsinfrastruktur. Vielmehr komme es darauf an, etwa durch Verkehrstelematik und Mobilitätsmanagement Verkehrswege und Verkehrsmittel effizienter zu nutzen als dies bisher der Fall ist.