Nach 30.000 Testkilometern und rund 1.500 Stunden auf den Motorenprüfständen wird es jetzt ernst: Am 17./18. Juni kämpft die
Audi AG als erster Automobilhersteller mit einem Dieselmotor um den Gesamtsieg bei den legendären 24 Stunden von Le Mans (Frankreich).
Dass dieses Ziel überaus ehrgeizig, aber keineswegs utopisch ist, bewies Audi im März, als der neue R10 TDI bei seinem Debüt auf Anhieb das 12-Stunden-Rennen in Sebring (USA) gewann – eine eindrucksvolle Demonstration der Leistungsfähigkeit von Audi TDI Power. Und dies weniger als vier Monate nach der ersten Testfahrt des revolutionären Diesel-Sportwagens.
Fünfmal hat Audi die 24 Stunden von Le Mans mit dem Vorgängermodell R8 gewonnen. Zählt man den Erfolg von Bentley aus der Saison 2003 mit dem Speed 8 dazu, in dessen Heck ein bei Audi Sport entwickelter TFSI-Motor arbeitete, ist Audi Technologie beim anspruchsvollsten Autorennen der Welt seit dem Jahr 2000 ungeschlagen.
Diese Erfolgsserie möchte die Mannschaft um Audi Motorsportchef Dr. Wolfgang Ullrich fortsetzen. Die HerausForderung ist dieses Mal allerdings noch größer als mit dem R8. Die TDI-Technologie wurde im Rennsport noch nie an ihre Grenzen getrieben. Audi ist der erste Automobilhersteller, der sich dieses Themas angenommen hat. Zudem ist der Audi R10 der erste Sportwagen mit Dieselmotor, der gemäß dem neuen LM P1-Reglement des ACO (Automobile Club de l’Ouest) entwickelt wurde. Die Techniker von Audi Sport mussten sich deshalb nicht nur auf die Besonderheiten der TDI-Technologie einstellen, sondern gleichzeitig die Vorgaben des neuen Reglements optimal umsetzen, um in der gegenwärtig technologisch interessantesten Motorsport-Kategorie der Welt auch mit TDI Power den Maßstab zu setzen.
650 PS leistet das aus AluMINIum gefertigte V12-Triebwerk des R10 TDI, noch beachtlicher ist das maximale Drehmoment von mehr als 1.100 Newtonmetern. Reifen, Kupplung und Getriebe müssen mit diesen enormen Kräften genauso klarkommen wie die Fahrer – und das 24 Stunden lang.
Mit Frank Biela (D), Dindo Capello (I), Le Mans-Rekordsieger Tom Kristensen (DK), Allan McNish (GB), Emanuele Pirro (I) und Marco Werner (D) starten sechs Routiniers für Audi, die alle wissen, wie man in Le Mans gewinnt. Dasselbe gilt für das Audi Sport Team Joest, das die beiden Fahrzeuge einsetzt.
Ihre ersten Runden auf dem 13,650 Kilometer langen "Circuit des 24 Heures" in Le Mans drehten die beiden Audi R10 TDI weniger als 14 Tage vor dem Start des Rennens beim offiziellen Testtag am 04. Juni – der einzigen Gelegenheit auf der Strecke zu testen, die zum Teil über sonst öffentliche Landstraßen führt.
Nach dem Testtag wurden die beiden R10 TDI vor Ort noch einmal zerlegt, gecheckt und wieder zusammengebaut. Für Mittwoch, den 07. Juni war ein kurzer Funktionstest auf dem "Circuit Bugatti" in Le Mans angesetzt, bei dem bereits die Einsatzmotoren für das Qualifying und das Rennen eingebaut waren.
Am Mittwoch und am Donnerstag geht es von 19 bis 21 und 22 bis 24 Uhr um die Startpositionen. Der Start des Rennens erfolgt am Samstag um 17 Uhr – wegen des Fußball-WM-Spiels zwischen Portugal und dem Iran eine Stunde später als in Le Mans sonst üblich.
Audi hat am 17./18. Juni 2006 die Chance, Motorsport-Geschichte zu schreiben. "Wir wissen aber auch, wie hoch gesteckt dieses Ziel ist und dass man besonders in Le Mans das nötige Quäntchen Glück braucht", betont Audi Motorsportchef Dr. Wolfgang Ullrich.
Dr. Wolfgang Ullrich (Audi Motorsportchef):
"Le Mans ist für Audi das wichtigste Rennen des Jahres. Mit dem R10 TDI bringen wir ein komplett neues Auto und einen völlig neuen Motor an den Start, mit dem wir die Leistungsfähigkeit von Audi TDI Power demonstrieren möchten, mit dem wir aber noch keine Erfahrung in Le Mans haben. Wir haben intensiv getestet und uns gut vorbereitet. Wir wissen jedoch, dass viele unerwartete Dinge auf uns zukommen können und ein Sieg in Le Mans von vielen Faktoren abhängt."
Frank Biela (Audi R10 TDI #8):
"Le Mans ist und bleibt das größte Sportwagen-Rennen der Welt. Für mich ist es immer wieder etwas ganz Besonderes, in Le Mans zu fahren – und das auch noch mit besonderen Projekten. Der R8 war der erste Audi Sportwagen. Der R10 TDI ist der erste Prototyp mit TDI-Motor, also wieder etwas ganz Besonderes. Das Auto war von Anfang an sehr gut, wir mussten nur Kleinigkeiten ausmerzen. Wir haben in Sebring gesehen, dass die Performance stimmt. Das Auto ist auch zuverlässig. Bei einem so langen Rennen muss man trotzdem immer die Daumen drücken."
Dindo Capello (Audi R10 TDI #7):
"Ich fahre privat schon seit zehn Jahren einen TDI. Natürlich ist der V12 TDI des R10 viel stärker, aber es gibt doch Parallelen, vor allem in Bezug auf das Drehmoment, wie leise der Motor ist und die Art und Weise, wie er startet. Der R10 TDI ist wunderschön zu fahren und für mich schon jetzt das Rennauto, das mir in meiner Karriere am besten gefallen hat. Es ist einzigartig, wie viel Power man schon bei niedrigen Drehzahlen hat. Wir wollen den Sebring-Sieg wiederholen, wissen aber auch, wie schwierig das ist und dass eine Prognose bei einem so langen Rennen nicht möglich ist."
Tom Kristensen (Audi R10 TDI #7):
"Le Mans ist jedes Jahr eine neue HerausForderung. Ich habe größten Respekt vor diesem Rennen, obwohl ich es bereits siebenmal gewonnen habe. Mit dem neuen Audi R10 TDI ist Le Mans in diesem Jahr noch einzigartiger. Das Diesel-Projekt ist völlig neu, wir alle haben deshalb etwas ‚Flugzeuge im Bauch’. Es hat noch niemand etwas Vergleichbares probiert. Die Techniker von Audi Sport haben hart und großartig gearbeitet. Es wird darauf ankommen, dass wir für alles, was im Rennen an Problemen auftreten kann, Lösungen parat haben. Wir wissen, dass wir uns auf unser Team verlassen können. Dindo, Allan und ich werden unseren Teil dazu beitragen und so schnell und zuverlässig wie möglich fahren."
Allan McNish (Audi R10 TDI #7):
"Ich habe Le Mans schon einmal mit einem anderen Hersteller gewonnen. Mit Audi war ich einmal Zweiter, einmal Dritter. Es fehlt also definitiv noch eine Trophäe in der Sammlung: die für einen ersten Platz mit Audi. Das beim ersten Le Mans-Rennen des Audi R10 TDI zu schaffen, wäre fantastisch. Natürlich fährt sich ein Diesel anders als andere Rennwagen. Aber für mich als Rennfahrer zählt am Ende nur das Ergebnis. Der Motor hat viel Leistung, ist sparsamer und zudem leiser – das sind klare Vorteile. Trotzdem schraube ich meine Erwartungen nicht zu hoch. Ich habe eines gelernt: In Le Mans muss man das Unerwartete erwarten. Es wird ein hartes Rennen."
Emanuele Pirro (Audi R10 TDI #8):
"Ohne überheblich wirken zu wollen: Wenn man für Audi fährt, gibt es nur ein Ziel, nämlich den Sieg. Seit ich das erste Mal vom Diesel-Projekt für Le Mans gehört habe, wollte ich unbedingt dabei sein. Dieser Traum ist wahr geworden. Es wäre schön, das nun mit einem Sieg zu krönen. Wir haben die Chance, Geschichte zu schreiben. Doch der R10 TDI ist sehr komplex und steckt voller Hightech. Man sieht es daran, wie viele Ingenieure an diesem Projekt mitarbeiten. Am Anfang war es etwas seltsam, einen Diesel zu fahren, doch inzwischen fühle ich mich im R10 TDI fast so zu Hause wie im R8."
Marco Werner (Audi R10 TDI #8):
"Ich fahre in diesem Jahr nicht so viele Rennen, deshalb hoffe ich natürlich, dass Le Mans gut läuft und ein gutes Ergebnis für mich herausspringt. Ich gehe allerdings nicht anders an die Sache heran als in den vergangenen Jahren. Le Mans ist einfach das wichtigste Rennen des Jahres. Ich habe schon einige große Rennen gewonnen: den Formel 3-Grand Prix in Monaco, als ich ein junger aufstrebender Mann war, später die 24 Stunden von Daytona und das 12-Stunden-Rennen in Sebring – im vergangenen Jahr Le Mans zu gewinnen, war jedoch etwas ganz Spezielles. Wer einmal in Le Mans war, der weiß, dass dieses Rennen mit keinem anderen zu vergleichen ist."
Ralf Jüttner (Technischer Direktor Audi Sport Team Joest):
"Die Erwartungen sind klar: Wir kommen nicht nach Le Mans, um Zweiter oder Dritter zu werden. Wir möchten die Ersten sein, die die 24 Stunden von Le Mans mit einem Dieselmotor gewinnen. Das ist ein sehr ambitioniertes Ziel. Die Konkurrenz ist stark, das R10 TDI-Projekt sehr komplex und noch in einem relativ frühen Stadium. Es wird in diesem Jahr mehr denn je darauf ankommen, 24 Stunden lang problemfrei durchzufahren – technisch genauso wie auf der Fahrerseite. Wir haben bei der Vorbereitung alles dafür getan, was möglich war."