Ivan Hirst hätte am 01. März 2006 seinen 90. Geburtstag gefeiert. Vor 60 Jahren legte er als junger britischer Major die Grundlagen für den Unternehmenserfolg von
Volkswagen. In einem Festvortrag würdigte der Göttinger Historiker Ralf Richter den britischen Offizier Ivan Hirst und skizzierte die Zeit, als das
Volkswagenwerk ein britischer Regiebetrieb war. Richter erhielt im Jahre 2000 als erster den von
Volkswagen ausgeschriebenen Ivan-Hirst-Preis. Nach einem Ox
Ford-Aufenthalt trat Richter als Verfasser einer Biografie des britischen Majors hervor.
"We were just the trustees", betonte Ivan Hirst immer wieder rückblickend, wenn er in Interviews zu seiner Tätigkeit bei Volkswagen in den frühen Nachkriegsjahren gefragt wurde. Er sah sich als Treuhänder, der fremdes Eigentum vorübergehend verwaltete. Tatsächlich ebnete der Offizier des Royal Electrical and Mechanical Engineers Corps (REME), das für die Wartung und Instandhaltung technischen Geräts verantwortlich war, dem 1945/46 vor einer ungewissen Zukunft stehenden Volkswagenwerk den Weg zur überaus positiven Entwicklung des Unternehmens im Wirtschaftswunder der 1950er Jahre.
Der 1916 geborene Hirst, dessen Familie eine Uhrenfabrik in der Nähe von Manchester besaß, lernte früh den Fabrikalltag kennen und entwickelte darüber hinaus eine Leidenschaft für das Automobil. Er studierte in Manchester "Optische Ingenieurswissenschaften" und trat während des Studiums in ein Offiziers-Ausbildungslager der Universität ein. Durch die Geschäftsbeziehungen seiner Familie, aber auch durch einen Studienaufenthalt kannte er Deutschland.
Mit dem REME-Corps kam Hirst nach Deutschland. Anfang August 1945 erhielt der 29-jährige Major den Auftrag, für die Alliierten das in Wolfsburg gelegene Volkswagenwerk zu leiten. Am 22. August folgte der Lieferauftrag über 20.000 Volkswagen Limousinen. Damit begann für die am östlichen Rand der britischen Besatzungszone gelegene Fabrik eine neue Ära.
Hirst erfreute sich bei der Volkswagen-Belegschaft rasch großer Beliebtheit, wie beispielsweise die 1946 überreichte, aufwändige Geburtstagskarte zeigte. Mit Ivan Hirst verbanden die Menschen die Hoffnung auf eine Perspektive, für sich persönlich, aber auch für die Fabrik. "Hirst war ein Pragmatiker", so die Einschätzung des Historikers Ralf Richter. "Er besaß außerordentliche Fähigkeiten und eine hohe Leistungsbereitschaft, und er lebte geradezu für Volkswagen." Das machte Mut.
Die Briten etablierten im Interesse der Weltmarktfähigkeit von Volkswagen eine Qualitätspolitik, sorgten für ein engmaschiges Vertriebs- und Servicenetz, ermöglichten im November 1945 demokratische Wahlen zu einer Belegschaftsvertretung und boten dem Volkswagen erste Exportchancen. Als trustee machte es sich Hirst zur Aufgabe, die junge Fabrik alsbald in deutsche Hände zu übergeben. Am 08. Oktober 1949 übertrug die britische Militärregierung die Treuhänderschaft auf die Bundesregierung und beauftragte das Land Niedersachsen mit der Verwaltung. Volkswagen startete durch.
Hirst setzte seine Laufbahn nach 1949 zunächst noch bei der britischen Armee fort, bevor er 1955 zur "Organisation für europäische wirtschaftliche Zusammenarbeit" (OEEC) wechselte. 1976 schied Hirst aus dem Berufsleben aus und lebte bis zu seinem Tod im März 2000 in der Nähe seines Geburtsortes Oldham bei Manchester.
Die Historische Kommunikation der Volkswagen AG vergibt seither zur Erinnerung an den britischen Treuhänder und Unternehmensmanager den Ivan-Hirst-Preis an junge Wissenschaftler, die sich mit der Geschichte der Automobilität beschäftigen. Der Referent des Festvortrags, Ralf Richter, war der erste Preisträger. Seine wissenschaftsfundierte Biografie des britischen Volkswagen-Machers ist unter dem Titel "Ivan Hirst – Britischer Offizier und Manager des Volkswagenwerks" in der Schriftenreihe "Historische Notate" der Historischen Kommunikation in deutscher und englischer Sprache erschienen.