Was heute für Nutzfahrzeuge von
Mercedes-Benz als Serienausstattung selbstverständlich ist, war im Jahr 1981 ein großer Schritt zu mehr Verkehrssicherheit: das erste Antiblockiersystem (ABS) für Nutzfahrzeuge. Auf einmal waren während einer Vollbremsung Lenkmanöver möglich, gerieten Lastwagen und Omnibusse beim Bremsen auf unterschiedlichen Fahrbahnbelägen links und rechts nicht mehr ins Schleudern, knickten keine Sattelzüge mehr ein, brachen Anhänger beim Bremsen nicht mehr aus. ABS erwies sich schnell als eine der wesentlichsten Sicherheitsentwicklungen in der Geschichte des Auto-mobils. Die Vorreiterrolle dieser Technik gebührt den Entwicklern der damaligen Daimler-Benz AG.
Startschuss für ABS schon in den sechziger Jahren
Bereits in den sechziger Jahren hatten die Ingenieure mit der Entwicklung von ABS begonnen. 1970 wurden die ersten funktionsfähigen Systeme mit elektronischer Regelung für Pkw, Lkw und Busse der Presse vorgestellt. Voraussetzung für die Weiterentwicklung zur Serienreife war die Einführung der Digital-Technik anstelle der Analog-Technik in der Regel-Elektronik. Denn ABS, eine individuelle, feinfühlige und schlupfabhängige Regelung der Radbremsen, ist ohne zuverlässige Elektronik nicht vorstellbar. Pionierarbeit leistete Daimler-Benz bereits beim ABS für Pkw, das seit 1978 als Sonderausstattung lieferbar war. Bei den überaus komplexen Nutzfahrzeugbaureihen erwies sich die Aufgabe jedoch als deutlich anspruchsvoller: Unterschiedliche Gewichte und Beladungszustände, Solowagen, Glieder- und Sattelzüge, diverse Radstände, Aufbauvarianten und Achskonfigurationen waren zu berücksichtigen.
Mikrocomputer steuerten erstmals Bremsen von Nutzfahrzeugen
Daimler-Benz und der Bremsenhersteller WABCO als Entwicklungspartner meisterten diese Hürden. Auf einer Versuchsstrecke im finnischen Rovaniemi führte Daimler-Benz Ende Januar 1981 die Vorzüge des neuen ABS vor, ab Herbst desselben Jahres war ABS dann für schwere Lastwagen und Reisebusse zu bekommen, weitere Fahrzeugklassen folgten. Das Ziel von ABS: bestmögliche Richtungsstabilität, volle Lenkfähigkeit und ein kürzestmöglicher Bremsweg. Mit Einführung von ABS erfolgte 1981 gleichfalls weltweit erstmals die Steuerung einer Bremse in einem Nutzfahrzeug durch einen Mikrocomputer.
ABS: der erste Schritt zu weiteren Sicherheitssystemen
Die Einführung des Antiblockiersystems bot darüber hinaus die Chance für eine rasante Entwicklung der Nutzfahrzeug-Bremsentechnik. Aus ABS entwickelten die Ingenieure die Antriebs-Schlupfregelung ASR, im Grunde nichts anderes als eine Umkehrung des ABS. Im Jahr 1991 folgte der Reisebus Mercedes-Benz O 404 mit Scheibenbremsen rundum. 1996 setzte der Schwer-Lkw Mercedes-Benz Actros einen neuen Meilenstein mit der ersten elektronischen Bremsenregelung (EBS) und Scheibenbremsen rundum für Lkw. Die weiteren Schritte waren damit bereits vorgezeichnet: Das elektronische Stabilitätsprogramm ESP für Lkw stellte Mercedes-Benz weltweit als erster Nutzfahrzeughersteller auf der IAA 2000 vor.
Mit im Bunde waren damals aber auch bereits zwei weitere Systeme: die Telligent-Abstandsregelung (auch Abstandsregeltempomat oder ART genannt) sowie der so genannte Spurassistent. Bei ESP verhindert – innerhalb der Grenzen des physikalisch Möglichen – ein gezielter Ein-griff in die Bremsen und ins Motormanagement ein Schleudern oder Kippen des Lkw. Bei ART tasten drei Radarkeulen das Vorfeld des Lkw ab. Die so gewonnenen Erkenntnisse erlauben es dem Fahrer, innerhalb gewisser Grenzen einen bestimmten Abstand zum Vordermann einzustellen, den der Lkw dann automatisch hält. Beim Spurassistenten hingegen nimmt eine kleine Kamera von der Armaturenmitte aus die Spurmarkierungen der Straße ins Visier, während ein Rechner daraus auf die Position des Fahrzeugs schließt. Überfährt der Lkw nun die rechte oder linke Fahrbahnbegrenzung, ohne den Blinker gesetzt zu haben, dann ertönt ein Nagelbandrattern: Kommt der Lkw rechter Hand von der Spur ab, schallt das Rattern aus dem rechten Lautsprecher. Geschieht das Abdriften nach links, dann gibt die linke Box Laut.
Ausbau zur automatischen Notbremsung
Ab 2006 ist schließlich die Weiterentwicklung des ART-Systems zur automatischen Notbremse zu haben: Der Lkw bescheidet sich nicht mehr allein mit Anpassungsbremsungen von limitierter Stärke, sondern leitet im Notfall auch eine automatische Vollbremsung ein. Auch ist bereits im Gespräch, den Spurassistenten durch einen automatischen Eingriff wahlweise in die Lenkung oder an den Radbremsen aufzuwerten. Ein zusätzlicher Eingriff in die Lenkung hätte zum Beispiel den weiteren Vorteil, dass sich damit das ESP-System generell noch subtiler und präziser auslegen ließe.