Die Missachtung der Anschnallpflicht ist möglicherweise weiter verbreitet, als bislang angenommen. Zu diesem Schluss kommt der ACE Auto Club Europa nach einer im Internet durchgeführten anonymen Befragung von 3.034 Autofahrern. Nur 36,3 Prozent von ihnen versicherten, sich während der Fahrt "immer" anzuschnallen, teilte der ACE am Dienstag in Stuttgart mit. Alle übrigen Autofahrer hätten gebeichtet, sie würden den Gurt entweder "nur ausnahmsweise" (20,6 Prozent), "selten" (22,5 Prozent) oder gar "nie" (20,5 Prozent) anlegen.
Laut ACE will das baden-württembergische InnenMINIsterium die Ergebnisse einer eigenen Gurtkontrollaktion noch in dieser Woche der Öffentlichkeit präsentieren. Im Frühjahr hatte die Polizei im Südwesten bei 1.053 Kontrollen bereits 16.850 Verkehrsverstöße registriert, davon entfielen allein 13.881 auf nicht angelegte Sicherheitsgurte. In Nordrhein-Westfalen wurden im Oktober vergangenen Jahres binnen 14 Tagen rund 34.000 Verkehrsteilnehmer von der Polizei als Gurtmuffel dingfest gemacht und mit einem Verwarnungsgeld belegt. Die Bundesanstalt für Straßenwesen (BASt) berichtete dagegen, im vergangenen Jahr habe sich die Sicherungsquote verbessert. Sie liegt danach im Durchschnitt aller Straßenarten bei 94 Prozent. Eine Dunkelziffer wird nicht ausgewiesen.
Der ACE rief die Behörden dazu auf, sie sollten ihre Angaben miteinander abgleichen und Verkehrskontrollen künftig weniger sporadisch, sondern mehr nachhaltig anlegen. Autofahrer ihrerseits sollten grundsätzlich mehr Anschnalldisziplin üben. Insbesondere auf kurzen Strecken und bei eher geringer Geschwindigkeit werde die Anschnallpflicht offenbar nicht mehr so ernst genommen, monierte der Club. Es sei ein Irrglaube, mit Einführung des Airbags werde der Gurt mehr und mehr überflüssig. Aus polizeilichen Unfallberichten geht laut ACE hervor, dass bis zu 35 Prozent der getöteten Autoinsassen nicht angegurtet gewesen waren. Von den im vergangenen Jahr getöteten 5.842 Verkehrsteilnehmern könnten nach Schätzungen des Clubs noch bis zu 1.000 leben, hätten sie sich nur angeschnallt gehabt.
Schon bei einer Geschwindigkeit von 10 km/h muss ein Erwachsener bei einem Crash einen Druck verkraften, der annähernd der Hälfte seines eigenen Körpergewichtes entspricht. Bei Verdoppelung der Geschwindigkeit auf 20 km/h vergrößert sich bereits diese Wucht auf das Vierfache. Wer sich nicht anschnallt begeht laut ACE eine Ordnungswidrigkeit, die mit einem Verwarnungsgeld in Höhe von 30 bis 35 Euro geahndet wird.