Souveräner Erfolg auf ungewohntem Terrain: Michelin-Partner Kimi Räikkönen entschied nach dem Großen Preis von Ungarn auch den Grand Prix der Türkei für sich. Bei der Premiere auf dem Istanbul Park Otodrom musste sich der finnische McLaren-Mercedes-Pilot nur nach dem Start für wenige Meter dem
Renault F1 von Giancarlo Fisichella geschlagen geben und eroberte sich die Führung noch in der ersten Runde wieder zurück. Tabellenführer Fernando Alonso betrieb mit Rang zwei erfolgreich Schadensbegrenzung, durfte sich dabei aber bei Juan Pablo Montoya für einen Fahrfehler in der zweitletzten Runde bedanken. Für Reifenhersteller Michelin hätte das erste Formel 1-Rennen auf türkischem Boden nicht besser laufen können: Die neun erstplatzierten Piloten vertrauten auf französische Vierrillenslicks. Es war der 13. Sieg im 14. Saisonrennen für die Spezialisten aus Clermont-Ferrand, die damit die Führung in beiden WM-Wertungen überlegen behaupten konnten.
Eine bessere Werbung hätte die Formel 1 für sich bei ihrem Debüt in der Türkei kaum noch betreiben können: Das Grand Prix-Rennen auf dem neugeschaffenen Istanbul Park Otodrom war ein von der ersten bis zur letzten Runde spannender Krimi. Die vom deutschen Architekten Hermann Tilke entworfene und gebaute Rennstrecke erfüllte selbst die höchsten Erwartungen. HerausFordernd und attraktiv, ermöglichte die Bosporus-Achterbahn rasante Überholmanöver und tolle Duelle.
Neues Formel 1-Eldorado am Bosporus
Wie anspruchsvoll die neue Grand Prix-Strecke wirklich ist, dies stellte nicht zuletzt das Qualifying unter Beweis. Aufkeimender Rückenwind sorgte speziell auf der langen Gegengerade für Tumult, da sie zum Beispiel Fernando Alonso beim Anbremsen einer langsamen Linkskurve des notwendigen Abtriebs beraubte. Doch auch die Vierfach-Linkskurve namens "Turn acht" bot den begeisterten Zuschauern allerlei Kurzweil: Jacques Villeneuve kam hier von der Piste ab und legte einen anmutigen Dreher aufs tiefschwarze Parkett, und auch die beiden BAR-Honda-Piloten Jenson Button - in den freien Trainings die Überraschung schlechthin - und Takuma Sato warfen in dieser Passage alle Chancen auf einen Startplatz in den ersten Reihen über Bord. Dass der talentierte Japaner ans Ende des Feldes verbannt wurde, lag jedoch an einem anderen Missgeschick: Er fuhr seine Auslaufrunde so langsam, dass er den nachfolgenden Mark Webber behinderte - die Sportkommissare kannten diesbezüglich kein Pardon.
Am Ende entpuppte sich der Kampf um die Pole Position einmal mehr als Duell zwischen McLaren-Mercedes und Renault F1. Hatte Frühstarter Juan Pablo Montoya als erster eine konkurrenzfähige Zeit auf den türkischen Asphalt gezaubert, so war es Fernando Alonso, der ihn trotz der beschriebenen Schwierigkeiten mit dem Rückenwind von der Spitze der Zeitenliste verdrängte. "Das hat mich womöglich die Bestzeit gekostet", ärgerte sich der Tabellenführer später. Sein Teamkollege Giancarlo Fisichella machte es besser und zauberte insbesondere im letzten Streckenabschnitt eine Fabelzeit in die Formel 1-Geschichtsbücher - obwohl auch er auf seinen Vordermann auflief, in diesem Fall Rubens Barrichello. "Das hat mich meine Konzentration und ein paar Zehntelsekunden gekostet", so der Römer. "In den ersten beiden Sektoren war ich vielleicht noch etwas zu vorsichtig."
Dem letzten Mann auf der Strecke hätte er jedoch so oder so nichts entgegenzusetzen gehabt: Michelin-Partner Kimi Räikkönen bewies, dass er sich derzeit in Topform befindet, und legte eine souveräne Bestzeit vor. Der McLaren-Mercedes-Pilot schloss seine Traumvorstellung in nur 1.26,797 Minuten ab - mehr als eine Viertelsekunde schneller als Fisichella. "Die Runde war gut, aber nicht perfekt", beschied der "Iceman" kurz und bündig. Dass er dabei lediglich auf eine Zweistopp-Strategie gesetzt hatte und mit entsprechend vollgetanktem Silberpfeil unterwegs war, damit nötigt seine Leistung im Nachhinein noch größeren Respekt ab.
An seiner Überlegenheit ließ Michelin-Pilot Kimi Räikkönen keinen Zweifel
Obwohl er von der schmutzigeren Seite des Otodroms startete, quetschte sich Giancarlo Fisichella mit seinem Renault F1 noch vor der ersten Kurve an dem schweren Silberpfeil von Räikkönen vorbei und übernahm die Führung. Diesen Platz an der Sonne konnte der Römer jedoch nicht lange verteidigen: Ein leichter Fahrfehler in der schnellen Rechtskurve auf der Rückseite des Kurses genügte, und der Finne ging wieder vorbei. Wenig später musste Fisichella auch seinen Renault F1-Teamkollegen Fernando Alonso passieren lassen, der sich unverzüglich an die Verfolgung Räikkönens machte. Auf Platz vier folgte mit Juan Pablo Montoya der zweite McLaren-Mercedes.
Der Kolumbianer rückte schon bald auf die zweite Position vor, als Alonso und wenig später auch Fisichella bereits in der 13. von 58 Runden das erste Mal zum Tanken an die Box kamen. Doch das französische Werksteam hatte seine Strategie blitzschnell adaptiert und schickte seine Piloten mit randvollen Renault R25 wieder auf die Strecke - Beginn eines spannenden Fernduells um Podestplätze und wichtige WM-Punkte.
Doch Räikkönen ließ an der Spitze nichts mehr anbrennen, während sein Teamkollege den unvermindert hart attackierenden Alonso im Schach hielt - bis zur viertletzten Runde. Dann geriet Montoya beim Überrunden mit dem Jordan-Piloten Tiago Monteiro aneinander und drehte sich. Der geringe Zeitverlust genügte, und sein spanischer Kontrahent nahm Witterung auf. Zwei Runden später schlug der Asturier zu: Der Südamerikaner rutschte, wohl auch als Folge der Kollision, in „Turn 8“ geradeaus - Alonso fuhr hinter Kimi Räikkönen und vor Montoya den zweiten Platz sicher nach Hause. Rang vier und damit fünf wichtige WM-Zähler brachte Giancarlo Fisichella ins Ziel.
Die Formel 1 biegt auf eine spannende Saison-Zielgerade ein
Damit spitzt sich das Michelin-interne Duell um die Konstrukteurs-Weltmeisterschaft weiter zu: Der Vorsprung von Renault F1 auf McLaren-Mercedes reduzierte sich nach dem 14. Saisonlauf auf nur noch neun Punkte. In der Fahrer-Wertung darf sich Fernando Alonso weiterhin sicher fühlen: Er liegt bei fünf noch ausstehenden Grand Prix mit 24 Zählern vor Kimi Räikkönen. Michael Schumacher - der in der Türkei nach einer Kollision mit Mark Webber aufgab - als bestplatzierter Nicht-Michelin-Pilot auf Rang drei spielt in der Titelvergabe nur noch eine mathematische Rolle.
Geniale Grand Prix-Action sorgte aber auch auf den weiteren Plätzen für erstklassige Unterhaltung. Im Mittelpunkt: Jenson Button. Der britische BAR-Honda- und Michelin-Pilot glänzte nach seinem verpatzten Qualifying mit einer faszinierenden Aufholjagd. Vom 13. Startplatz aus machte er im Schlussspurt sogar noch Jagd auf Fisichella, nachdem er zuvor bereits Michael Schumacher, Rubens Barrichello, die beiden Red Bull-Bändiger David Coulthard und Christian Klien sowie den Toyota von Jarno Trulli niedergekämpft hatte.
Mit einer Nullrunde beendete das BMW WilliamsF1-Team den Ausflug in die Türkei: Nick Heidfeld und Mark Webber gaben nach jeweils zwei Defekten am hinteren rechten Pneu vorzeitig auf. "Die Reifenschäden müssen mit unseren Autos zusammenhängen, denn diese Probleme traten nur bei uns auf", prognostizierte Sam Michael, der Technische Direktor des britischen Teams. "Noch aber ist es zu früh, über die Ursachen zu spekulieren. Wir werden die Vorfälle gemeinsam mit unserem Reifenpartner Michelin analysieren."
Statistisches
- Großer Preis der Türkei, Istanbul Otodrom, Istanbul TR), 14. von 19 Läufen zur FIA-Formel 1-Weltmeisterschaft 2005 (21. August 2005);
- Renndistanz: 58 Runden à 5,340 km = 309,720 km.