Nur eine Woche nach dem Großen Preis von Deutschland steht am kommenden Wochenende der Grand Prix von Ungarn auf dem Programm. Die Saisonläufe zwölf und 13 bilden damit den vierten GP-Doppelpack der Saison und setzen den Schlusspunkt unter die heiße Saisonphase mit acht Veranstaltungen in den vergangenen zehn Wochen. Auf dem winkligen und technisch anspruchsvollen Kurs vor den Toren der ungarischen Hauptstadt Budapest rechnet sich Michelin gemeinsam mit seinen sieben Partnerteams beste Chancen aus, das Dutzend vollzumachen und den zwölften Saisonerfolg einzufahren. Im Anschluss an das Rennen auf dem Hungaroring verabschiedet sich die Formel 1 in eine kurze Sommerpause mit zwei rennfreien Wochenenden.
Ein Kurs voller Widersprüche: Aufgrund seines Layouts mit zahlreichen engen Kurven, miteinander verbunden durch verhältnismäßig kurze Geraden, verdiente sich der Hungaroring schnell den wenig schmeichelhaften Beinamen "Mickey-Maus-Kurs". Doch auch wenn das 4,381 Kilometer lange Asphaltband vor den Toren Budapests eigentlich kaum Überholmöglichkeiten lässt, bot die Königsklasse des Motorsports hier in den vergangenen Jahren traditionell ausgesprochen spannende und abwechslungsreiche Grands Prix. Auch bei der 20. Auflage dieses Rennens am kommenden Wochenende dürfen sich die Fans also wieder darauf freuen, bestens unterhalten zu werden. Dies gilt besonders für die Zuschauer an der Strecke, die praktisch von allen Plätzen die Hälfte des durch ein kleines Tal führenden Parcours einsehen können.
Für Teams und Fahrer bedeutet diese topographische Besonderheit allerdings nicht unbedingt einen Vorteil: "Bei hochsommerlichen Temperaturen, wie wir sie in der Vergangenheit schon oft erlebt haben, kommt es in dem Talkessel der Rennstrecke zu einem regelrechten Hitzestau", erklärt Dr. Mario Theissen, BMW Motorsport Direktor. Das Fehlen langer Geraden gepaart mit der verhältnismäßig geringen Durchschnittsgeschwindigkeit von rund 190 km/h kann schnell zu einem Mangel an Kühlluft für die Motoren führen. Der Dimensionierung der Karosserieöffnungen kommt aus diesem Grunde eine elementare Bedeutung zu. Das Problem: "Große Öffnungen senken zwar die Motortemperatur, beeinträchtigen jedoch die Aerodynamik", so Theissen. "Auf Basis der in den Trainingssitzungen gesammelten Messwerte und der Wettervorhersage für den Sonntag müssen wir den optimalen Kompromiss finden." In puncto Set-up verlangt der Hungaroring - der mit 48 Prozent Volllastanteil in dieser Beziehung nur noch von dem Straßenkurs in Monte Carlo unterboten wird - nach einem hohen Abtriebsniveau.
Der Grand Prix von Ungarn aus der Sicht von Michelin
Für die Reifenhersteller hält der Grand Prix von Ungarn einige besondere HerausForderungen parat: Generell verfügt der Hungaroring nur über ein geringes Grip-Niveau. Verstärkt wird diese Charakteristik durch den Sand, der aus der umliegenden Puzsta über den Asphalt weht, und die Tatsache, dass auf dem Kurs über das gesamte Jahr gesehen nur verhältnismäßig wenig Motorsportveranstaltungen stattfinden. "Wir müssen die Strecke erst sauber fahren", so Michelin- und BMW WilliamsF1-Pilot Mark Webber. Somit verändert sich die Streckencharakteristik im Verlauf eines Grand Prix-Wochenendes deutlich - vielleicht so stark wie auf keiner anderen Strecke im Formel 1-Kalender. Zudem erschwert die verschmutzte Strecke das ohnehin schwierige Überholen zusätzlich: "Neben der Ideallinie ist es immer sehr staubig", erklärt Webbers Teamkollege Nick Heidfeld. "Du verlierst sofort Zeit, wenn du die sauber gefahrene Bahn verlässt."
Gerade fehlender Grip bedeutet übrigens nicht, dass sich der Reifenverschleiß zwangsläufig auf einem niedrigen Level einpendelt - im Gegenteil. "Fängt ein Pneu aufgrund mangelnden Grips an zu rutschen, so heizt er sich stark auf", macht Michelin Motorsport-Direktor Pierre Dupasquier die Zusammenhänge deutlich. "Dadurch büßt der Reifen seine Leistungsfähigkeit schneller ein. Hinzu kommt, dass die Rillenslicks beim Großen Preis von Ungarn ohnehin sehr hohen Temperaturen ausgesetzt sind." Günther Steiner, Technischer Direktor des Michelin-Partners Red Bull Racing, ergänzt: "Aufgrund der Hitze kann es in Ungarn leicht zur Blasenbildung vor allem auf den Laufflächen der Hinterreifen kommen. Wichtig ist, dass die gewählte Gummimischung gute Verschleißeigenschaften besitzt."
Dupasquier nennt noch eine weitere HerausForderung, der sich die Reifen am kommenden Wochenende stellen müssen: "Abgesehen von der Start-Ziel-Geraden besteht eine Runde im Grunde genommen aus nichts anderem als Lenken, Beschleunigen und Bremsen. Dies bedeutet Schwerstarbeit für die Reifen. Bei unserer Vorbereitung auf das kommende Rennwochenende hatten wir diese besondere Charakteristik des Hungarorings im Hinterkopf und stellen unseren Partnerteams entsprechende Konstruktionen zur Wahl."
Das erwarten die Michelin-Partner
Für Renault F1 könnte die Saison kaum besser laufen: Sieben Siege in den bisherigen zwölf Saisonrennen sowie die souveränen Führungen in der Fahrer- und der Konstrukteurswertung stehen für die "Equipe Jaune" zu Buche. Von dem Gewinn der Weltmeisterschaft spricht bei den Gelb-Blauen trotzdem (noch) niemand. "Wir befinden uns in einer sehr guten Situation, aber es kann in den ausstehenden Rennen noch so viel passieren", wird WM-Leader Fernando Alonso nicht müde zu betonen. Dem kommenden Wochenende blickt der Ungarn-Sieger 2003 aber optimistisch entgegen: "Wir sollten eine Chance haben, mit unserem Renault R25 um Podestplätze kämpfen zu können."
Das Ziel für McLaren-Mercedes kann am kommenden Wochenende nur lauten: den Rückstand auf die Tabellenführer Alonso und Renault F1 zu verkürzen. Über das Potenzial dazu verfügen die Michelin-bereiften McLaren MP 4/20 - doch es lief in den vergangenen Wochen bei dem brititsch-deutschen Team nicht immer rund. "In puncto Zuverlässigkeit müssen wir das gleiche hohe Niveau erreichen, auf dem sich unsere Leistungsfähigkeit seit langem befindet", gibt sich Mercedes-Sportdirektor Norbert Haug selbstkritisch. "Daran arbeiten wir hart."
Bei Toyota F1 heißt das Motto: Aller guten Dinge sind drei. "Wir wollen am kommenden Wochenende zum dritten Mal hintereinander Punkte einfahren", verrät Ralf Schumacher, der bei den beiden zurückliegenden Grands Prix von Großbritannien und Deutschland jeweils einen Punkte-Platz unter den Top-Acht belegte. Mit einem derartigen Ergebnis will sich auch sein Teamkollege Jarno Trulli zurückmelden, der in den beiden zurückliegenden Rennen ohne WM-Zähler blieb.
BMW WilliamsF1 geht auf dem Hungaroring mit neuen Aerodynamik-Komponenten und großem Optimismus an den Start. "Die aerodynamischen Verbesserungen kommen aufgrund der Testpause quasi direkt aus dem Windkanal", verrät der Technische Direktor Sam Michael. "Wir sind von der verbesserten Leistungsfähigkeit unseres Wlliams-BMW FW 27 überzeugt, die sich bereits beim Großen Preis von Deutschland andeutete." Besonders motiviert reist Nick Heidfeld gen Budapest: "Ich habe dort nicht nur bereits Rennen gewonnen, sondern 1999 auch die Formel 3000-Meisterschaft für mich entschieden."
Red Bull Racing setzt sich vor dem Grand Prix von Ungarn sowie dem weiteren Verlauf der Saison - zumindest öffentlich - nicht allzu sehr unter Druck: "Wir sind mit dem Ziel in die Saison gegangen, zehn Punkte zu sammeln", erklärt Teamchef Christian Horner. "Jetzt sind wir sogar Sechster in der Konstrukteurs-WM und liegen damit deutlich über unserer Vorgabe." Dennoch dürfte der Vorgesetzte von David Coulthard und Christian Klien nichts dagegen haben, wenn seine Schützlinge den derzeit 24 WM-Zählern weitere hinzufügen möchten.
Das BAR-Honda-Team hofft, dass mit dem ersten Podestplatz der Saison - erzielt durch Jenson Button beim Großen Preis von Deutschland - der Knoten endgültig geplatzt ist. "Dieser Erfolg bedeutet für das gesamte Team einen ungeheuren Motivationsschub", freute sich der Brite nach seinem Besuch auf dem Podium. "Mein Dank gebührt nicht zuletzt unseren Partnern Honda und Michelin. Nun gilt es, unseren Schwung auch am kommenden Wochenende aufrecht zu erhalten."
Bei Sauber-Petronas setzen die Verantwortlichen vor allem auch auf die Qualitäten ihrer Rennreifen. "In dieser Saison sind wir erstmals auf Michelin-Reifen unterwegs", erinnert zum Beispiel Pilot Felipe Massa. "Die werden uns mit Sicherheit einen Vorteil bescheren." Auch der Technische Direktor Willi Rampf vertraut den Qualitäten der Pneus aus Clermont-Ferrand: "Wir können auf unserem Sauber-Petronas C24 generell weichere Gummimischungen einsetzen. In puncto Reifenverschleiß entsprechen die Michelin-Rillenslicks dabei stets unseren Vorstellungen."
Rückblick: So lief der Große Preis von Ungarn 2004
Mit einem dritten Rang stellte Michelin-Partner Fernando Alonso auf dem Hungaroring die außergewöhnliche Form des Renault F1-Werksteams unter Beweis. Hinter den beiden Ferrari-Piloten Michael Schumacher und Rubens Barrichello, die der Scuderia mit diesem Ergebnis den sechsten Konstrukteurs-Titel in Folge sicherten, erreichte der Spanier das Ziel vor den Michelin-Partnern Juan Pablo Montoya, Jenson Button, Takuma Sato und Antonio Pizzonia. Bei vergleichsweise moderaten Außen- und Asphalttemperaturen sicherte sich Reifenspezialist Michelin beim Großen Preis von Ungarn 2004 damit fünf der acht Platzierungen in den WM-Punkten.
Kommentar
Ralf Schumacher (Toyota Panasonic Racing): "Streckenführung Fordert Reifen"
"Der Hungaroring stellt für den Reifenhersteller zum einen wegen der engen Streckenführung, zum anderen wegen der zumeist sehr hohen Temperaturen eine große HerausForderung dar. Da in Budapest nur wenige Rennen stattfinden, ist die Strecke sehr stark verschmutzt. Es dauert bis zum Qualifying, ehe durch Gummiabrieb ein vernünftiges Grip-Level entstanden ist. Wir werden wahrscheinlich auf eine weiche Mischung vertrauen."
Statistisches
- Großer Preis von Ungarn, Hungaroring, Budapest (HUN), 13. von 19 Läufen zur FIA-Formel 1-Weltmeisterschaft 2005 (31. Juli 2005);
- Renndistanz: 70 Runden à 4,381 km = 306,663 km.