Es war ein geniales Konzept, und
BMW profitiert noch heute davon: Im September 1980 stand bei der Präsentation der jüngsten
BMW Maschine ein ausgewachsenes Motorrad mit klassischem Zweizylinder-Boxer, aber dennoch ganz anders als die bisherigen
BMW. Hochgewachsen war die Neue, mit leichterem Heck und größerem Vorderrad als die Straßenmaschinen. Und ein Teil fehlte ganz: Statt der konventionellen beidseitigen Radführung hielt erstmals eine ebenso kompakte wie innovative Einarmschwinge namens "Monolever" das Hinterrad. Die R 80 G/S schuf damit die neue Gattung der Reiseenduros, wobei das G für Gelände und das S für Straße stand.
Die Entscheidung für die G/S war ebenso mutig wie weitsichtig. 1978 war sie gefallen, in einer Phase des Absatzrückgangs nach einem knappen Jahrzehnt des Wachstums. Jenseits des Atlantiks schwammen Enduros, die wegen ihrer Handlichkeit auch bei Straßenfahrern Anklang fanden, auf einer Erfolgswelle. Technisch konnte BMW dem locker Paroli bieten. Bereits in den 30er Jahren hatte sich die Münchner Marke einen Namen beim sportlichen Wettbewerb um Bestzeiten auf Geröll und im Schlamm gemacht. In den fünfziger und sechziger Jahren errangen BMW Fahrer Titel in Serie. Die letzten drei Meistertitel im Geländesport hatte Herbert Schek auf einer modifizierten BMW R 75/5 in den Jahren 1970 bis 1972 gewonnen.
Doch eine direkte Konkurrenz zu den doMINIerenden Einzylinder-Motorrädern entsprach nicht den Vorstellungen von BMW für den Serienmarkt. Eine BMW musste anders aussehen: Komfort, Tourentauglichkeit und Langlebigkeit als typische Tugenden waren unverzichtbar. Und so kristallisierte sich allmählich die Idee heraus, Geländetauglichkeit mit hohen Fahrleistungen und Fahrkomfort auf der Straße zu kombinieren. Ein genaues Studium des Enduromarktes untermauerte diesen Plan: Lediglich zwei Prozent der gefahrenen Kilometer wurden wirklich im schweren Gelände zurückgelegt, 98 Prozent entfielen auf Straßen, unbefestigte Wege oder schmale Pfade. Damit war die Idee von der komfortablen Großenduro geboren. Sie eröffnete eine Marktlücke, deren Größe sich bis heute als fast unerschöpflich erwiesen hat.
Und zwar vom Start weg: Als die R 80G/S auf der IFMA 1980 der breiten Öffentlichkeit vorgestellt wurde, war der Andrang am BMW Stand groß. Die Begeisterung am Messestand schlug sich in den Bestellungen für die kommende Motorradsaison nieder: 6.631 Motorräder - mehr als doppelt so viele wie ursprünglich geplant - verließen bis zum Jahresende 1981 die Berliner Werkshallen, jede fünfte verkaufte BMW war eine G/S. Damit trug die Reiseenduro entscheidend dazu bei, dass es mit den BMW Verkaufszahlen wieder stetig aufwärts ging.
Parallel dazu verstärkte BMW sein Engagement im Geländesport. Als Bühne diente die schwerste und publicityträchtigste Offroad-Veranstaltung der Welt, die Rallye Paris-Dakar. 1981 erreichte Hubert Auriol auf der G/S Dakar als Erster, 1983 konnte er den Gesamtsieg für BMW wiederholen. 1984 und 1985 gewann der Belgier Gaston Rahier die Dakar, dann zog BMW das Werksteam 1986 zurück.
Die Erfolge der G/S bei der schwierigsten Rallye der Welt bereiteten den Boden für die Karriere des Boxers als zuverlässiges Transportmittel für Globetrotter. Von größeren Tanks aus allen erdenklichen Materialien über Gepäck- und Navigationssysteme bis hin zu besonderen Schutzblechen reichte das Angebot an entsprechenden Accessoires - bis heute.
1987 ging die BMW Enduro in die zweite Generation: R 80 GS und R 100 GS hießen die Nachfolgemodelle - der Schrägstrich in der Typenbezeichnung war entfallen. Erneut stand das Fahrwerk im Mittelpunkt der Weiterentwicklung: Bei der neuen Hinterradschwinge mit der Bezeichnung Paralever wurden unerwünschte Fahrwerksreaktionen insbesondere im Gelände weiter MINImiert. 1993 sorgte die R 1100 GS auf der IAA in Frankfurt mit ihrem gewagten Styling und der imposanten Größe - gegenüber der R 100 GS war die Neue 65 mm höher - für einen Paukenschlag. 80 PS stark, rannte die geländegängige Maschine satte 200 km/h schnell. Dass diese Geschwindigkeiten auch problemlos auf die Straße gebracht werden konnten, dafür sorgte das Fahrwerk mit verbessertem Paralever an der Hinterachse und dem neuen Telelever für die Vorderradführung. Im Herbst 1999 folgte dann die R 1150 GS, 2004 die R 1200 GS.
Heute, ein Vierteljahrhundert und über 220.000 Einheiten später ist klar, das BMW Motorrad mit der GS eine eigene Klasse geschaffen hat. Die aktuell vorgestellte BMW HP2 beweist, dass es den Münchnern immer wieder gelingt, mit attraktiven Konzepten das Prinzip GS vor dem Wettbewerb zu positionieren: Konsequent auf Sportlichkeit ausgelegt wiegt die HP2 gerade mal 175 kg, der 1,2 Liter Boxer leistet 105 PS. Das Fahrwerk ist eine komplette Neuentwicklung mit Teleskopgabel vorn und Paralever hinten. Alles in allem ist die HP2 der kompromissloseste Serien-Gelände-Boxer, den es je gab. Und das erste Modell einer neuen Motorradkategorie.