BMW geht in der Formel 1 neue Wege: Mit dem Erwerb von Mehrheitsanteilen am Schweizer Team Sauber wird schon ab 2006 ein von
BMW geführtes Team in der Formel-1-Weltmeisterschaft starten. Dies hat der
BMW Vorstand am Dienstag beschlossen. Damit tritt
BMW erstmals in der Unternehmensgeschichte in Eigenregie in der Formel 1 an.
Prof. Dr. Burkhard Göschel, BMW Vorstand für Einkauf und Entwicklung: "Die Entscheidung ist ein starkes und langfristiges Bekenntnis von BMW zur Formel 1. Wir erwarten, dass die Formel 1 aus der aktuellen Phase der Umstrukturierung gestärkt hervorgeht und auch in Zukunft die Top-Kategorie im Motorsport darstellt. Die Formel 1 ist damit für BMW die richtige Plattform, unsere Kompetenz als Automobilhersteller zu demonstrieren.
Erfolg in der Formel 1 hängt zunehmend vom perfekten Zusammenspiel aller Faktoren ab. Wir haben uns deshalb entschlossen, unser Engagement über die bisherige Rolle als Motorenpartner hinaus auszubauen. Mit einem von BMW geführten Team übernehmen wir ab dem nächsten Jahr die Verantwortung für das Gesamtpaket und damit auch die Schlüsselfaktoren Chassis, Reifen und Fahrer.
Natürlich hat diese Entscheidung Einfluss auf unsere Partnerschaft mit WilliamsF1. Wir wollen die künftigen Optionen mit WilliamsF1 gemeinsam diskutieren, um den für beide Seiten richtigen Weg zu finden.
Wir erwarten in der neuen Konstellation keinen Erfolg aus dem Stand. Aber wir sind überzeugt, langfristig den richtigen Weg eingeschlagen zu haben."
Dr. Mario Theissen, BMW Motorsport Direktor: "Die Neuausrichtung unserer Formel-1-Strategie basiert auf zwei Erkenntnissen. Erstens: Der Einfluss des Motors auf das Siegpotenzial des Gesamtpaketes ist zurückgegangen. Fahrzeug, Reifen und Fahrer spielen eine größere Rolle als früher. Zweitens: Das optimale Gesamtpaket erreicht man nach unserer Auffassung nur mit einem voll integrierten Team mit durchgängigen Prozessen.
Mit der neuen Struktur tragen wir diesen Erkenntnissen Rechnung. Bei Sauber haben wir eine solide Basis für die Fahrzeugentwicklung und Produktion gefunden, mit dem nötigen Know-how und einem der modernsten Windkanäle. Die dort bisher produzierten Ergebnisse verdienen Respekt, zumal das Budget des Teams limitiert war.
BMW wird diese Basis nicht nur erhalten, sondern ausbauen. Das gilt sowohl für die Anlagen als auch für das Personal. Am Sauber-Standort Hinwil werden zusätzliche Arbeitsplätze entstehen. Das neue Team wird als voll integriertes Projekt an zwei Standorten geführt, wie es im Serienbereich bei BMW längst Standard ist.
Uns ist bewusst, dass wir eine Lehrzeit vor uns haben, dass man Erfolg zwar planen, aber nicht von der Stange kaufen kann. Nachdem wir gezeigt haben, dass BMW den besten Formel-1-Motor bauen kann, fangen wir mit der komplexen Aufgabe Gesamtfahrzeug praktisch wieder als Lehrling an. Da sind Geduld und Stehvermögen geFordert. Beides haben wir, genauso wie ein konkretes Arbeitsprogramm. Die Technik-Kooperation hat bereits begonnen.
In der Partnerschaft mit WilliamsF1 haben wir gemeinsam Erfolge gefeiert und das Team voran gebracht. Beide Partner sind heute stärker als zu Beginn unserer Zusammenarbeit und damit für die Zukunft gerüstet. Wie diese Zukunft aussieht, wird sich in den nächsten Wochen entscheiden. Unabhängig von dieser Entscheidung konzentrieren wir uns auf die laufende Saison. Wir haben uns für dieses Jahr noch einiges vorgenommen, und das werden wir gemeinsam mit WilliamsF1 mit aller Kraft und Professionalität umsetzen."
Präsentation Anfang 2006
Parallel werden auf Basis des Vorstandsbeschlusses bis zum Übernahmetermin am 01. Januar 2006 die Struktur mit Führungs- und Schlüsselpositionen, dazu gehört auch die Fahrerbesetzung, sowie der Name des neuen Teams erarbeitet. Der Ausbau der Ressourcen wird von nun an mit Hochdruck vorangetrieben.
Das Team wird sich Anfang 2006 der Öffentlichkeit vorstellen. Das Werk in Hinwil wird weiter als eine rechtlich eigenständige Schweizer Firma geführt - mit Anbindung an BMW Motorsport.
Das erweiterte Formel-1-Engagement von BMW wird nicht zu Lasten anderer BMW Motorsport-Projekte gehen. BMW wird auch künftig im Tourenwagensport präsent sein - in der neuen Tourenwagen-Weltmeisterschaft (FIA WTCC) ebenso wie bei herausragenden Einzelveranstaltungen wie 24-Stunden-Rennen. Auch die Formel BMW mit ihren vier Serien in Asien, Deutschland, Großbritannien und Nordamerika wird es weiter geben. In diesem Jahr findet erstmals ein Weltfinale statt.
Peter Sauber: "Die Partnerschaft mit BMW ist für Sauber eine ideale Lösung, denn sie unterstützt die zwei Ziele, die für mich immer zuoberst standen: Erstens, dem Team die Möglichkeit zu bieten, sich sportlich zu verbessern, und zweitens, den Standort Hinwil und die Arbeitsplätze der heute 300 Mitarbeiter zu sichern.
Durch die Präsenz von sechs Automobilherstellern hat sich die Formel 1 in den vergangenen Jahren stark verändert. Vor allem für die Privatteams ist es zunehmend schwieriger geworden, eine solide Finanzierung sicherzustellen, die auch sportlichen Erfolg ermöglicht. Seit einigen Jahren habe ich mir zudem Gedanken über eine Nachfolgeregelung gemacht - angesichts der sehr spezifischen AnForderungen der Formel 1 kein einfaches Thema.
Die Partnerschaft mit BMW garantiert Kontinuität. Es ist für mich auch deshalb eine ideale Lösung, weil ich weiß, dass sie den Mitarbeitern eine sehr gute Perspektive bietet. Ich habe dieses Unternehmen während mehr als 35 Jahren durch oft stürmische Gewässer geführt, umso wichtiger ist es mir, dieses auch in Zukunft in guten Händen zu wissen."
Ermöglicht wird der neue Zusammenschluss auch durch die Credit Suisse, die ihre Anteile an der Sauber Holding AG sukzessive über die nächsten drei Jahre ebenfalls an BMW verkaufen wird. 2002 hatte die Credit Suisse diese Anteile übernommen, um sie zu gegebener Zeit bei geeigneten Investoren zu platzieren.
Urs Rohner, Geschäftsleitungsmitglied der Credit Suisse Group, kommentiert: "Wir freuen uns auf die Zusammenarbeit mit BMW. Mit BMW und Sauber verbinden sich zum einen langjährige Erfahrung im Automobilrennsport und zum anderen Effizienz und Leidenschaft. Damit wird eine optimale Grundlage für ein erfolgreiches Team geschaffen. Die Credit Suisse wird zudem für die nächsten drei Jahre Official Partner des Teams."
BMW Motorsport:
Innovative Technik für sportliche Wettbewerbe und Rekordjagden gehörte von jeher zum Selbstverständnis von BMW. Nach Weltrekorden und Meistertiteln mit Flugmotoren und Motorrädern gelang 1940 mit einem Doppelsieg bei der "Mille Miglia" einer der ersten internationalen Tourenwagenerfolge mit dem BMW 328. Im Deutschland der Nachkriegszeit wurde Motorrad-Ass Schorsch Meier auf BMW Boxer zum Volkshelden.
Allein 24 Titel mit FIA-Prädikat stehen im Tourenwagensport für BMW seit 1966 zu Buche - Europameisterschaften und WM-Titel. Ungezählt sind die nationalen Meistertitel der BMW Piloten. Die Siegerautos: BMW 1800Ti, 2002Ti, 2002, 3.0 CSL, 320, 635CSi, 528i, M3 und 320i. Bis einschließlich 1992 erzielten BMW M3 Piloten mehr als 1500 Einzelsiege und 50 Titel. Mit dem BMW 320i wurden von 1993 bis einschließlich 1998 rund um den Globus 29 Meistertitel gewonnen. 2001 lebte das EM-Prädikat der FIA im Tourenwagensport wieder auf. Prompt holte der BMW 320i den Titel. 2003 siegte BMW in der Markenwertung der FIA European Touring Car Championship (ETCC), verteidigte den Titel 2004 erfolgreich und gewann auch den Fahrertitel. 2005 tritt BMW mit dem 320i in der FIA Touring Car World Championship (WTCC) an.
Mit 18 Gesamtsiegen, darunter acht Doppelsiege, ist BMW die mit Abstand erfolgreichste Marke beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring. Die 24 Stunden von Spa gewann BMW sogar 21 Mal. 1999 gelang mit dem offenen Sportwagen BMW V12 LMR der Gesamtsieg bei den 24 Stunden von Le Mans.
Aufbauend auf zehn Jahren Erfahrung in der Talentförderung brachte BMW Motorsport zur Saison 2002 in dem Formel BMW ein hochmodernes Fahrzeug an den Start. In Kombination mit einem einzigartigen Ausbildungs- und Coachingprogramm entwickelten sich Formel BMW Championate in Asien, Deutschland, England und Nordamerika zum internationalen Maßstab.
In der Formel 2 war ein BMW Vierzylinder-Motor in den Jahren 1973 bis 1982 das Maß der Dinge. Sechs Piloten wurden mit ihm Europameister. 1980 gab BMW sein erstes Formel-1-Engagement bekannt. Paul Rosche konstruierte aus einem Vierzylinder-Serienblock ein auf 1,5 Liter Hubraum reduziertes Vierventil-Turbo-Triebwerk, das am Ende seiner Karriere um die 1.400 PS leistete. Am 23. Januar 1982 startete Nelson Piquet in Kyalami, Südafrika, auf Brabham BMW. Im Juni errang der Brasilianer in Montréal den ersten GP-Sieg. 1983 wurde er Weltmeister. Den neunten und letzten BMW Turbo-Sieg erzielte Gerhard Berger 1986 auf Benetton BMW in Mexiko. Ende 1987 wurde der Bau dieser BMW F1-Motoren eingestellt. Es galten neue Regeln - die Zeit der schieren Turbo-Power war vorbei.
1997 erklärte BMW den Wiedereinstieg zur Saison 2000 - mit einem Dreiliter-V10-Saugmotor und mit Partner WilliamsF1. Es wurde ein Comeback nach Maß: WM-Rang drei in der Debütsaison, 2002 WM-Zweiter, 2003 bis zum Finale Titelkandidat. 2004 folgte eine Durststrecke, erst beim Finale wurde wieder ein Sieg gefeiert.
Die BMW Formel-1-Motoren wurden von Anfang an in München konstruiert und gefertigt - inklusive eigenem Motormanagement und eigener Gießerei sowie in engem Schulterschluss mit dem BMW Forschungs- und Innovationszentrum (FIZ). In der Formel-1-Abteilung von BMW sind derzeit 300 Mitarbeiter beschäftigt. BMW Motorsport insgesamt hat 350 Beschäftigte.
Sauber Motorsport AG:
Peter Sauber gründete die PP Sauber AG, die später in Sauber Motorsport AG umbenannt wurde, 1970 in Hinwil. In den Anfangsjahren konstruierte der gelernte Elektromonteur Rennsportwagen für die Teilnahme an der nationalen Automobilmeisterschaft. Internationale Beachtung verschaffte sich der Schweizer Rennstall erstmals 1976 durch Herbert Müllers Gesamtsieg in der europäischen Interserie in einem Sauber BMW C5.
Mitte der achtziger Jahre wurde Sauber zum Mercedes-Benz-Werksteam in der Sportwagen-Weltmeisterschaft. Höhepunkte dieser Partnerschaft waren der Doppelsieg in Le Mans 1989 sowie der zweimalige Gewinn der Sportwagen-Weltmeisterschaft (1989, 1990).
1993 stieg Sauber in die Formel 1 ein und konnte gleich beim ersten Rennen, dem GP von Südafrika in Kyalami, zwei WM-Punkte einfahren. SAUBER PETRONAS etablierte sich als eines der erfolgreichsten Privatteams und erzielte insgesamt sechs Podestplätze. 2001 erreichte das Schweizer Team den vierten Rang in der Konstrukteurs-WM.