Für Andy Priaulx war das "Dubai Autodrom" die perfekte Strecke, um sich den Fahrertitel der FIA ETCC 2004 zu sichern. Im Kampf um die Krone ging es bis zuletzt spannend zu. Beim Saisonfinale war es jedoch der Engländer, der den Sprung an die Spitze der Fahrerwertung schaffte. Damit dürfte für Priaulx die Enttäuschung der vergangenen Saison vergessen sein, als er mit dem Titel in Reichweite nur Dritter wurde.
Mit Magny-Cours, Hockenheim, Brünn, Donington und Oschersleben hat Priaulx in diesem Jahr insgesamt fünf Rennen gewinnen können. Er konnte sich in Dubai zum ersten Mal in dieser Saison die Poleposition sichern und fuhr in sechs Rennen die schnellste Runde. Die Rennen verliefen oftmals spektakulär. In vielen Fällen war Priaulx nach harten Zweikämpfen der Benachteiligte. Dennoch holte er in 17 der insgesamt 20 Rennen Punkte. Mit zwölf Zählern Rückstand auf den Führenden in der Meisterschaft, Dirk Müller, ging er in Dubai in die letzten Rennen. Priaulx war sich der ungünstigen Voraussetzungen bewusst. Andererseits musste der BMW Team Deutschland Fahrer das maximale Handicap-Gewicht von 40 Kilogramm mit an Bord seines BMW 320i nehmen, während es bei Priaulx nur 20 Kilogramm waren.
Priaulx wurde auf der kleinen Insel Guernsey geboren und begann seine Karriere 1984, im Alter von elf Jahren, als Kartfahrer auf den Kanalinseln. Anschließend widmete er sich als Motocross-Pilot sechs Jahre lang eher zwei als vier Rädern und gewann 1990 die 250cc CI Meisterschaft. Danach trat er in die Fußstapfen seines Vaters und wechselte zum Bergrennen. 1995 gewann er mit dem Maximum an Punkten die britische Bergmeisterschaft. Ein Jahr später stieg er in die Formel Renault und die Formel 3 ein und gewann 1998 die Renault Spider Meisterschaft mit 13 Siegen und 13 Polepositions - eine bis heute unerreichte Marke. Priaulx setzte seine Karriere in der Formel 3 fort, ehe er sich 2001 für Vauxhall in Großbritannien den Tourenwagen zuwandte.
Richtig an Fahrt nahm seine Karriere im Jahr 2002 auf, als er in der Britischen Tourenwagen-Meisterschaft den ersten Sieg für Honda einfuhr. Die Zusammenarbeit mit BMW begann im Jahr darauf, als ihm BMW Team Great Britain ein Cockpit in der FIA ETCC anbot. Priaulx beeindruckte mit drei Siegen und kämpfte bis zum letzten Rennen um den Titel. 2004 trat er erstmals für das Team BMW Motorsport bei den 24 Stunden von Spa-Francorchamps an. Auch wenn Andy Priaulx einmal nicht hinter dem Lenkrad eines Rennautos sitzt, widmet er seine Zeit dem Rennsport. Als Chefinstruktor der Formel BMW UK Meisterschaft beaufsichtigt er das BMW Trainings- und Ausbildungsprogramm für junge Rennfahrer.
Priaulxs Fahrzeug wird vom belgischen RBM Team betreut. Das Kürzel steht für Racing Bart Mampaey. Mampaey hat sein Team 1994 gegründet und trat damit erstmals 2002 für das BMW Team Belgien in der FIA ETCC an. Seine Erfahrungen im Motorsport reichen jedoch bis in die 70er- und 80er-Jahre zurück, als sein Vater Julian mit Erfolg das Juma Team betrieb. Diese Mannschaft setzte BMW Fahrzeuge in der FIA ETCC ein und gewann drei Mal die 24 Stunden von Spa. Mampaey wandelt genau wie Priaulx auf den Spuren seines Vaters, denn sein Team hat das 24-Stunden-Rennen von Spa 1998 ebenfalls gewonnen und kann jetzt auch noch den FIA ETCC Titel auf dem Konto verbuchen. Mampaey pflegt auch weiterhin engen Kontakt zu BMW in Belgien und ist unter anderem für den Einsatz der Motoren in der erfolgreichen MINI Challenge verantwortlich.
- Geburtstag/-ort: 8. August 1974/Guernsey (Kanalinseln)
- Wohnort: Guernsey (CI)
- Familienstand: Verheiratet mit Joanne, Sohn Sebastian, Tochter Daniella
- Website: www.andypriaulx.com
- 1984: Kartsport auf den Kanalinseln
- 1985-1990: Motocross
- 1990: 1. Platz Motocross-250 ccm-Meisterschaft (CI)
- 1991-1995: Bergrennen
- 1995: 1. Platz RAC MSA britische Bergmeisterschaft mit maximaler Punktzahl und 14 Siegen in zwei Saisons
- 1996: Formel Renault
- 1997: Förderkandidat in der britischen Formel 3
- 1998: Renault Spider Cup, 1 Poleposition, 3 Podiumsplätze; 2. Platz Formel Palmer Audi Winterserie
- 1999: 1. Platz Renault Spider Cup, 13 Siege von Poleposition; BTCC-Testfahrer für Renault Williams, Vauxhall, Ford
- 2000: Britische F3 für Renault UK, drei Podiumsplatzierungen, eine Poleposition, F3-Rennen in Macau und Korea
- 2001: Britische Formel-3-Meisterschaft, zwei Siege, zwei Polepositions, 10 Podiumsplatzierungen; 2. Platz von der Poleposition beim F3 Super Prix Korea; 2. Platz und Poleposition beim Einladungsrennen für Vauxhall in der BTCC
- 2002: 5. Platz BTCC, ein Sieg, drei Polepositions; Teilnahme an den australischen Langstreckenrennen "Bathurst 1000" und "Queensland 500" (Holden TWR)
- 2003: 3. Platz FIA ETCC (BMW 320i), drei Siege
- 2004: 1. Platz FIA ETCC (BMW 320i), BMW Team Great Britain 24h-Rennen Spa-Francorchamps (BMW M3 GTR)
Interview mit BMW Motorsport Direktor Mario Theissen
Marken- und Fahrertitel in der ETCC - was bedeutet dieser Erfolg für BMW?
Mario Theissen: Diese internationalen Titel sind von außerordentlicher Wichtigkeit für BMW. Die BMW Länderteams haben über die ganze Saison bei zwanzig Läufen in acht Ländern hart gekämpft und gemeinsam dafür gesorgt, dass der Herstellertitel sogar schon drei Rennen vor Saisonende an BMW ging. Wir hatten uns hohe Saisonziele gesteckt, und wir haben sie erreicht: Wir wollten mit dem BMW 320i die Markenmeisterschaft verteidigen und außerdem den Fahrertitel gewinnen. Darüber hinaus hat Tom Coronel in der FIA ETCC erneut die Independents Trophy für die Privatfahrer gewonnen. Besser hätte es nicht laufen können.
Welchen Stellenwert hat der Tourenwagensport für BMW im Portfolio der Motorsport-Engagements?
Mario Theissen: Einen sehr hohen. BMW ohne Tourenwagensport ist nicht denkbar, und Tourenwagensport ohne BMW auch nicht. In keiner Disziplin hat BMW so viele herausragende Erfolge zu verzeichnen. Darunter, mit den beiden jüngsten Titeln, insgesamt 20 Europameisterschaften und der Gewinn der einzigen bis dato ausgetragenen FIA Weltmeisterschaft für Tourenwagen. Diesen Titel holte 1987 Roberto Ravaglia, der heute eines der Länderteams in der FIA ETCC betreibt. 2004 hat BMW Motorsport nicht nur den 320i erfolgreich ins Rennen geschickt. Mit dem BMW M3 GTR haben wir unseren 17. Gesamtsieg beim 24-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring erzielt und dabei sogar einen Doppelsieg gefeiert. Hinzu kam wenig später der Klassensieg bei den 24 Stunden von Spa. Dabei haben Schnitzer Motorsport und Dirk Müller und Jörg Müller eine Doppelbelastung durch ETCC und Langstreckenrennen mit Bravour gemeistert.
Wie beurteilen Sie die Entwicklung der FIA ETCC?
Mario Theissen: Insgesamt positiv. Wir haben viele spannende Rennen gesehen. Es ging einige Male härter zu, als mir lieb war. Aber eine positive Entwicklung gegenüber 2003 war deutlich erkennbar. Die meisten Manöver 2004 waren hart aber herzlich. Die Zuschauerresonanz spiegelt die Qualität der Rennen leider nicht wider. Das ist ausbaufähig. Dabei hilft die Teilnahme von weiteren Herstellern. Neben Alfa Romeo, BMW und SEAT werden 2005 zwei bis drei weitere Hersteller erwartet. Und es helfen bekannte Fahrernamen im Feld, wobei die Begeisterung, die Alessandro Zanardi mit seinem Comeback ausgelöst hat, eine Sonderrolle einnimmt. Außerdem bekommt die Serie im kommenden Jahr das Weltmeisterschaftsprädikat der FIA. Das wird sie weiter stärken und den Stellenwert deutlich erhöhen, da es neben der Formel 1 und der Rallyeweltmeisterschaft nun die Dritte FIA-Serie weltweit mit einem Weltmeisterschaftsprädikat ist.
Wie wird BMW Motorsport die Einsätze in der neuen WM handhaben?
Mario Theissen: Im Prinzip genauso wie wir es in der EM gehalten haben. Für BMW ist ein ganz entscheidendes Plus, dass wir in dieser Serie weltweit mit einem Fahrzeug antreten können, das wir in München entwickeln und dann als Sport-Kit international an renommierte Kundenteams verkaufen. BMW Motorsport wird hierbei weiterhin entsprechenden Support leisten. Ein offizieller BMW Werksauftritt ist nicht geplant, weil dies dem Gedanken des Super2000-Reglements für bezahlbaren Tourenwagensport nicht entsprechen würde. Das Reglement erlaubt beherrschbare Technik und überschaubare Budgets für Einsätze in interessanten Märkten.
Was war 2004 der Schlüssel zum Erfolg?
Mario Theissen: Das ist im Motorsport immer ein Zusammenspiel von mehreren Faktoren. Sicher war die technische Entwicklung ein Grundstein, um die starke Konkurrenz von Alfa Romeo und gegen Ende der Saison auch SEAT zu besiegen. Ebenso sicher haben die Länderteams und die Fahrer, allen voran Andy Priaulx, hervorragende Arbeit geleistet.
Sie sind meistens mit der Formel 1 unterwegs. Haben Sie Zeit gefunden, um die FIA ETCC zu verfolgen?
Mario Theissen: Und ob. Entweder ich schaue mir die TV-Übertragungen an oder ich bin vor Ort dabei. Das ist nicht nur berufliche Pflichterfüllung - die Rennen sind extrem spannend und haben dadurch einen hohen Unterhaltungswert.
BMW Tourenwagenerfolge
BMW blickt im internationalen Tourenwagensport auf große Erfolge zurück - allein 24 Tourenwagentitel mit FIA-Prädikat stehen inklusive Marken- und Fahrertitel 2004 zu Buche. Hubert Hahne gelang mit seinem BMW 1800TI im Jahr 1966 der Auftakt zu dieser Erfolgsserie. Der wohl am meisten mit BMW Erfolgen im internationalen Tourenwagensport assoziierte Fahrername ist indes der von Roberto Ravaglia. Der Italiener gewann 1987, in der Blütezeit dieses Sports, die einzige bis heute ausgeschriebene Tourenwagen-Weltmeisterschaft. Zwei Mal, zuletzt 1988, wurde er Europameister.
1994 und 1997 gewann BMW den FIA Tourenwagen World Cup, 1997 außerdem die FIA Asia Pacific Championship. 2001 lebte das EM-Prädikat der FIA nach 13 Jahren Unterbrechung wieder auf. Der Entstehungsprozess wurde von BMW mit großem Interesse verfolgt und mitgeprägt.
Peter Kox (NLD) holte 2001 prompt den 21. Europameisterschaftstitel für BMW - in einem von Ravaglia Motorsport eingesetzten BMW 320i. Kox hatte 2001 drei Rennsiege erzielt, ebenso viele wie sein Landsmann und Markenkollege Duncan Huisman. Die BMW Siege Nummer sieben und acht gingen im Jahr eins der ETCC an Norman Simon (DEU) und Gianni Morbidelli (ITA).
In der Saison 2002 teilten sich Jörg Müller (vier Siege) und Dirk Müller (drei) im BMW Team Deutschland die BMW Erfolge untereinander auf und wurden auf den Rängen zwei und vier auch bestplatzierte Markenvertreter in der Meisterschaft. Die erste Poleposition im BMW 320i hatte in der Saison 2002 Tom Coronel (NLD/BMW Team Great Britain) erzielt.
Die FIA ETCC 2003 war ein über 20 Läufe andauerndes Kopf-an-Kopf-Rennen zwischen BMW und Alfa Romeo. Beide Marken erzielten je zehn Siege, und am Ende ernteten beide einen Titel: BMW gewann die Markenmeisterschaft, die Fahrer-EM ging nach Italien. Beide Entscheidungen fielen erst beim Finale in Monza - in ereignisreichen und hinsichtlich sportlicher Fairness umstrittenen Rennen. Die meisten Siege für BMW erzielte Jörg Müller (fünf), Andy Priaulx gewann drei Läufe, Dirk Müller zwei.
Duncan Huisman (NLD) holte in der Saison 2003 mit seinem vom Team Carly Motors eingesetzten BMW 320i den Titel in der "Independents' Trophy" für Privatfahrer.2004 gelang es den BMW Länderteams, den Markentitel zu verteidigen und diesmal auch die im Vorjahr knapp verpasste Fahrermeisterschaft zu erringen. Zudem gewann Tom Coronel die Privatfahrerwertung.