Ende der zwanziger Jahre dringt Fritz von
Opel mit dem
Opel-Raketenprogramm in neue Welten der Antriebstechnik vor. Nach den erfolgreichen Starts mit raketengetriebenen Fahrzeugen katapultiert sich der wagemutige Unternehmer am 30. September 1929 auf dem Frankfurter Rebstockgelände in die Luft – zum ersten bemannten Raketenflug der Welt. Sein Flugzeug bleibt etwa 80 Sekunden in der Luft und legt eine Strecke von zwei Kilometern zurück, bevor der Versuch in einer Bruchlandung endet. Fritz von
Opel bleibt unverletzt.
Der Urknall in Sachen Raketen-Zeitalter erfolgt im Herbst 1927. Nach einem Treffen mit dem Raketen-Visionär Max Valier beschließt Fritz von Opel, sich aktiv an der Entwicklung eines neuen "Raketen-Motors" zu beteiligen. Zur Umsetzung dieses ehrgeizigen Zieles schließt der Enkel des Firmengründers Adam Opel einen Vertrag mit Friedrich Wilhelm Sander, der sich mit raketengetriebenen Rettungsgeräten bereits einen Namen gemacht hat. Die Zusammenarbeit liefert bald erste Ergebnisse: Nach geheimen Probefahrten folgt am 11. April 1928 der erste öffentliche Start eines Raketenwagens auf der Opel-Rennbahn südlich von Rüsselsheim. Der RAK 1 getaufte Prototyp erreicht binnen acht Sekunden die 100 km/h-Marke - die Vorführung im Beisein internationaler Presse wird ein voller Erfolg. Noch eindrucksvoller ist die Rekordfahrt des neu entwickelten "RAK 2" auf der Berliner Avus am 23. Mai des gleichen Jahres. Das rund fünf Meter lange Experimental-Fahrzeug verfügt über zwei gewaltige Flügel mit negativem Anstellwinkel, die den errechneten Auftrieb kompensieren sollen. Um 10.40 Uhr ist es soweit: Fritz von Opel zündet per Fußpedal den "RAK 2". 24 Pulverraketen mit insgesamt 120 Kilogramm Sprengstoff katapultieren das Fahrzeug auf über 230 km/h. Im allgemeinen Freudentaumel kündigt Fritz von Opel weitere Aktivitäten an, die sich nicht nur auf den Erdboden beschränken sollen: "In der fünften Etappe werden wir zu bemannten Raketen übergehen...". "Raketen-Fritz" wird anlässlich dieser Aussagen zunächst belächelt. Die Öffentlichkeit und seine zahlreichen Kritiker müssen jedoch bald erkennen, dass Fritz von Opel seine Ankündigungen durchaus ernst meint und das RAK-Programm konsequent weiter voran treibt.
Nachdem der unbemannte "RAK 3" am 23. Juni des gleichen Jahres den Geschwindigkeitsrekord für Schienenfahrzeuge auf einer schnurgeraden Eisenbahnlinie bei Burgwedel auf 254 km/h treibt, folgen im Sommer 1929 die Vorbereitungen für den ersten bemannten Raketenflug. Julius Hatry, seines Zeichens Fluglehrer und -konstrukteur, entwickelt einen Hochdecker mit doppeltem Leitwerk. Dabei handelt es sich um das erste, speziell für den Raketenantrieb gebaute Flugzeug weltweit. Am 30. September 1929, um 15.30 Uhr, steigt Fritz von Opel mit dem RAK 1 in die Luft. Auf dem Frankfurter Flughafen, damals noch auf dem Rebstock-Gelände gelegen, erreicht er eine Höhe von 20 bis 30 Metern und legt in 80 Sekunden knapp zwei Kilometer zurück. Damit war der erste öffentliche Raketenflug in der Luftfahrtgeschichte perfekt. Erstmals war es einem Menschen gelungen, ausschließlich mit Raketenkraft zu starten und in einen Steigflug mit anschließendem Streckenflug überzugehen.
Die nötige Kraft zum Abheben erreichen die Konstrukteure durch das Zünden von zwei Raketen, die das Flugzeug auf gut 100 km/h beschleunigen. Gleichzeitig sorgen zwei weitere dieser 40 Zentimeter langen und rund 6,5 Kilogramm schweren Treibsätze nach dem Verlassen des Raketenschlittens für weiteren Schub von insgesamt 96 Kilogramm und ermöglichen so den Steigflug. Zum Start weiterer Raketen, versagt der Zündmechanismus. Fritz von Opel ist zur Landung in "....ungeeignetem Gelände....", wie es in zeitgenössischen Berichten heißt, gezwungen. Er zertrümmert beim Aufsetzen das Flugzeug, bleibt aber unverletzt.
Opel und Sander arbeiten darüber hinaus auch an der Konstruktion eines Flüssigkeits-Raketentriebwerkes. Sie stehen damit in Konkurrenz zu Forschergruppen um die als Raketenpioniere bekannt gewordenen Professor Herman Oberth, Wernher von Braun, Johannes Winkler oder Arthur Rudolph. Bereits im April 1929 testen sie zwei Raketen, in denen ein mit flüssigen Brennstoffen betriebener "Reaktionsmotor" für enormen Schub sorgt. Es entsteht ein Raketenmotor, der über eine Brenndauer von rund einer halben Stunde einen Dauerschub von circa 300 Kilogramm entwickelt. Ein Triebwerk dieser Bauart verpflanzen die Pioniere schließlich in ein Leichtflugzeug. Zu dem ursprünglich geplanten Flug Fritz von Opels über den Ärmelkanal kommt es jedoch nicht mehr: Die Opel-Raketenversuche enden im Herbst 1929. Fritz von Opel muss seine Arbeiten einstellen, da einerseits die Weltwirtschaftskrise ihren Tribut Fordert, andererseits der neue Mehrheitseigner General Motors sich auf das Fahrzeuggeschäft konzentrieren will. Die Verwirklichung seiner Visionen konnte Fritz von Opel noch selbst erleben: Im August 1939 hob das erste serientaugliche Strahlflugzeug der Welt vom Boden ab, die Heinkel HE 178. Der Russe Juri Gagarin stieß als erster Mensch am 12. April 1961 in den Weltraum vor, und Neil Armstrong betrat am 21. Juli 1969 als erster Mensch den Mond.
Wegen der Bedeutung für die Raketenentwicklung entschloss sich die Adam Opel AG im Jahr 1999, einen Nachbau des legendären Opel-Raketenflugzeugs nach teilweise erhaltenen, authentischen Unterlagen und Angaben von Julius Hatry in Auftrag zu geben. Den Bau der Replik übernahm die Augsburger Flugzeugwerft Bitz GmbH. Zu sehen ist der Nachbau des Opel-Raketenflugzeugs bei Opel Live in Rüsselsheim, Friedrich-Lutzmann-Ring 2. Öffnungszeiten: montags bis freitags 7.30 bis 17.30 Uhr. Der Eintritt ist frei.