Heute vor 60 Jahren startete die Produktion des VW Bulli im neu erbauten Transporterwerk in Hannover. Auf einem 1,1 Millionen Quadratmeter großen Gelände im Stadtteil Stöcken wurde innerhalb nur eines Jahres ein komplettes Werk die damals größte Fertigungshalle Europas aus dem Boden gestampft. Es war zugleich der Beginn einer einzigartigen Ära im Fahrzeugbau: Denn hier wird seither die Automobil-Legende Bulli (T-Baureihe) gebaut.
Dr. Eckhard Scholz, Vorsitzender des Markenvorstands Volkswagen Nutzfahrzeuge: "Unser Werk in Hannover steht für eine einzigartige Entwicklung der Produktion von leichten Nutzfahrzeugen in Europa. Denn dieser Standort wird seitdem kontinuierlich modernisiert und erweitert wie zum Beispiel durch die größte Pressenstraße ihrer Art in Europa. Am Standort Hannover werden Voraussetzungen geschaffen, um auch künftig unseren Kunden optimale und individuelle Fahrzeuglösungen anbieten zu können. An der Begeisterung für den Transporter hat sich seit Baubeginn des Werks vor 60 Jahren nichts geändert." Bullibauen habe sehr viel mit dem Bewusstsein zu tun, ein ganz besonderes Fahrzeug zu bauen. Die Belegschaft erledige die anspruchsvolle Aufgabe "mit Stolz und Leidenschaft, mit Liebe zu diesem einzigartigen Automobil," betonte Scholz.
Thomas Zwiebler, Betriebsratsvorsitzender Volkswagen Nutzfahrzeuge: "In Hannover-Stöcken wurde im wahrsten Sinne der Grundstein für eine einzigartige Erfolgsgeschichte gelegt. Aus dem Nichts wurde in kürzester Zeit eine wegweisende Produktionsstätte geschaffen, die unter großem Einsatz zigtausender Mitarbeiter über Jahrzehnte zu einer wesentlichen Säule des Konzerns weiterentwickelt wurde. Darauf sind wir stolz als Team von Bullibauern."
Der Bulli wird Symbol des Wirtschaftswunders
In den Kinos läuft Heinz Rühmann als "Charleys Tante", aus kleinen Transistor-Radios tönt der Elvis Presley-Hit "Love me tender". Und die Deutschen entdecken ihre Liebe zum Automobil: Das sogenannte Wirtschaftswunder ist da. Der Volkswagen Käfer ist bestverkaufter Pkw des Jahres 1956, knackt im Laufe des Jahres die Millionen-Grenze. Auch der Bulli ist heißbegehrt. Die Produktionskapazität im Wolfsburger Stammwerk, wo der Bulli bereits seit 1950 gebaut wird, reicht längst nicht aus, um die Nachfrage zu decken. Brot, Bier und Buletten müssen zum Verbraucher. Auch Konsumartikel wie Fernseher und Kühlschränke sollen schnellstmöglich und sicher zum Kunden geliefert werden. Dazu brauchen Geschäftsleute und Handwerker den unverwüstlichen Bulli.
Über 235 Städte und Gemeinden bewerben sich damals, um neuer Standort für das geplante Transporter-Werk zu werden. Heinrich Nordhoff, Generaldirektor der Volkswagenwerk GmbH und späterer Vorstandsvorsitzender der Volkswagenwerk AG, gewinnt den Aufsichtsrat für den von ihm favorisierten Standort Hannover. Wesentliche Vorteile sind die unmittelbare Nähe zum Mittellandkanal und ein bestehender Verschiebebahnhof. Aber Nordhoff erkennt bereits damals: "Den Wert eines Unternehmens machen nicht Gebäude und Maschinen und auch nicht seine Banknoten aus. Wertvoll an einem Unternehmen sind nur die Menschen, die dafür arbeiten, und der Geist, in dem sie es tun."
Zunächst beginnen 372 Mitarbeiter in einem schneereichen Winter mit dem Bau. Schon Ende März 1955 sind auf der Baustelle 1.000 Arbeiter beschäftigt. Der durch einsetzendes Tauwetter inzwischen aufgeweichte, matschige Boden muss mit Bohlenwegen gesichert werden, damit Lkw Baumaterial anliefern können. Auf dem Gelände selbst wächst eine kleine, provisorische Stadt heran mit Baubüros, Versorgungs- und Unterkunftsbaracken, Kantinenzelten. Auch geschäftstüchtige Händler mit Verkaufsbuden siedeln sich hier schnell an.
Nach nur 12 Wochen ragen die Mauern schon über vier Meter in die Höhe. 28 Kräne sind im Dauereinsatz, 22 große Mischmaschinen spucken täglich 5.000 Kubikmeter Beton aus. Insgesamt werden 1.750.000 Kubikmeter Erde bewegt so viel wie damals 256.000 Lastwagenladungen.
Ab Mai sind rund 2.000 Arbeiter täglich auf der Riesenbaustelle beschäftigt. 600.000 Quadratmeter Schalholz werden für den Betonguss verbraucht. Zum Vergleich: "Damit hätte man einen ein Meter breiten Holzsteg von Wolfsburg nach Basel bauen können", schreibt ein Journalist damals.
Gleichzeitig schult Volkswagen bereits neue Mitarbeiter für die Transporter-Fertigung. Mit einem dafür extra eingesetzten Zug fahren sie jeden Tag um 4.10 Uhr vom Hauptbahnhof nach Wolfsburg, wo sie in die Produktion des Bulli eingewiesen werden. 3.000 Mitarbeiter sollen den reibungslosen Produktionsstart garantieren. In nur wenigen Wochen wird der Karosseriebau eingerichtet, im Februar 1956 ist auch der mehrgleisige, zehn Kilometer lange Bahnanschluss zum Werk fertig.
Am 08. März 1956 startet die Serien-Produktion eines künftigen Symbols der "Wirtschaftswunderjahre" in Hannover-Stöcken mit 4.000 Mitarbeitern. Bis 1967, dem Ende der Produktion der ersten Transporter-Generation, laufen in Deutschland 1,8 Millionen Bulli vom Band.
Bis heute sind weltweit insgesamt rund 12 Millionen Transporter gefertigt worden. Eine Erfolgsgeschichte Fortsetzung folgt: Denn auch die neue Modellgeneration wird stark nachgefragt. Allein im Januar 2016 wurden 12.400 T6 an Kunden ausgeliefert. Das entspricht einem Zuwachs zum Vorjahresmonat von 4,9%. Im Werk Hannover-Stöcken werden neben der T-Baureihe auch der Pickup Amarok und lackierte Porsche Panamera-Karossen gebaut, in Limmer das erfolgreiche Freizeitmobil California. Am Standort Hannover sind rund 14.500 Mitarbeiter beschäftigt.
Volkswagen Nutzfahrzeuge erinnert vom 09. März bis zum 26. Juni 2016 mit einer Sonderausstellung im Historischen Museum Hannover an den Beginn des Transporterbaus in Hannover.