Der Automobilzulieferer Continental zeigt auf der Consumer Electronics Show (CES) in Las Vegas vom 06. bis 09. Januar 2016 erstmals ein Fahrzeug als Demonstrator, bei dem sich sämtliche Scheiben auf Knopfdruck verdunkeln lassen. "Intelligent Glass Control" nutzt spezielle Folien, die in das Glas eingebunden sind und durch elektrische Steuersignale ihre Lichtdurchlässigkeit verändern.
"Das gezielte, stufenlose Verdunkeln der Seitenscheiben, der Heck- und teilweise auch der Frontscheibe bietet nicht nur einen deutlich höheren Komfort für die Insassen, sondern macht das Autofahren sicherer", erklärt Andreas Wolf, Leiter des Continental Geschäftsbereichs Body & Security. Ein typisches Beispiel sei tief stehende Sonne über dem Horizont. Reflexartig geht die Hand vom Lenkrad zur Sonnenblende. Wolf: "Hier kommt zur schlechten Sicht kurzzeitig auch noch eine geringere Kontrolle über das Fahrzeug." Solche Situationen lassen sich künftig bereits im Vorfeld erkennen, die Scheiben könnten sich schon vor Eintritt des Ereignisses automatisch verdunkeln.
Verdunkelung spart Energie
Durch den Einsatz dieser Folien lässt sich die Sonneneinstrahlung wirkungsvoller als mit anderen Technologien reduzieren. "Wir können so die Hitze aus dem Fahrzeug fernhalten und die Innentemperatur signifikant senken", erläutert Wolf. Das entlastet die Klimaanlage, die entsprechend kleiner, energiesparender und damit auch wesentlich leichter ausfallen kann. Außerdem entfällt das Gewicht der Sonnenblenden sowie mechanischer Jalousien. Unsere Berechnungen haben ergeben, dass sich der CO2-Ausstoß durch diese Maßnahmen um gut 4 g/km senken lässt. Die Reichweite bei Elektrofahrzeugen steigt um etwa 5,5%."
Neben der geringeren Aufheizung sorgt die Verdunkelung für einen wirkungsvollen Schutz der Privatsphäre. "Wird das Fahrzeug geparkt, verdunkeln sich die Scheiben automatisch, das Wageninnere bleibt den Blicken von außen verborgen." Intelligent Glass Control eröffnet zudem Designern neue Möglichkeiten. So ließen sich laut Wolf die Glasflächen weiter vergrößern, ohne bestimmte Bereiche mechanisch abdecken zu müssen. Noch schimmert die verfügbare Folie leicht bläulich, aber Continental rechnet in Zukunft mit einer breiteren Farbpalette, die zusätzliche Gestaltungsmöglichkeiten eröffnet. Darüber hinaus seien weitere Effekte, vom Einkoppeln von Lichteffekten über die Energiegewinnung bis hin zu Touchscreen-Funktionalitäten, denkbar.
Teilchen richten sich unter Strom aus
Schon seit Längerem sind Folien bekannt, die bei Anlegen einer elektrischen Spannung eingelagerte Partikel ausrichten können und für eine gezielte Verdunkelung der Scheibe nutzbar sind. Bisher steht diese Technik allerdings nur für wenige Oberklassefahrzeuge im Dachbereich zur Verfügung. Die Ingenieure von Continental demonstrieren erstmals in einem Testfahrzeug die intelligente Ansteuerung der sogenannten Suspended Particle Device Folientechnologie auch für Seitenscheiben, sowie Heck- und Frontscheibe - hier allerdings aufgrund von gesetzlichen Vorgaben zunächst nur im zulässigen Bereich der Sonnenblenden.
Diese serienreife Folientechnik basiert auf eingelagerten Teilchen, die sich stromlos zufällig anordnen und die Scheibe von außen verdunkeln, während von innen nach außen die Durchsicht erhalten bleibt. Wird eine elektrische Spannung angelegt, richten sich die Teilchen gezielt parallel aus, sodass die Scheibe in beide Richtungen durchlässig für Licht wird und komplett klar erscheint. Die Anbindung an das Fahrzeugsystem ermöglicht es die Scheiben automatisch aufzuhellen, wenn man sich dem Fahrzeug mit Schlüssel oder Smartphone nähert", so Wolf. Noch ist diese Folie für großflächig verglaste Mittelklassefahrzeuge eher kostenintensiv.
Weitere erfolgversprechende Entwicklungen mit ersten Einsätzen im mobilen Bereich lassen jedoch erwarten, dass die Preise schnell sinken werden. Die Alternativen zur Suspended Particle Device-Technologie basieren unter anderem auf der PDLC (Polymer Dispersed Liquid Crystal), der LC (Liquid Crystal) oder der EC (Elektrochromie) Technologie. Letztere nutzt die Fähigkeit von Molekülen und Kristallen, ihre optischen Eigenschaften unter Einfluss eines elektrischen Feldes oder eines Stromflusses zu verändern. Eingesetzt wird diese Technologie bereits im Auto, um den Innen- sowie Außenrückspiegel zu verdunkeln und damit Blendeffekte zu verhindern. Der Nachteil bei größeren Flächen ist der hohe Energiebedarf, der benötigt wird um geringe Schaltzeiten zu erreichen.
Entscheidend ist die Steuerung
Welche Technologie sich letztlich durchsetzt, sei nicht entscheidend, elektronisch angesteuert werden müssen sie alle. Das wesentliche Know-how liegt in der Software und der intelligenten Verbindung mit den Fahrzeugsystemen. Andreas Wolf: "Es ist heute nur noch die Frage, wann das intelligente Glas kommt. Wir bei Continental nutzen unser Know-how für das Gesamtsystem und können damit die gewünschten Funktionen in unsere Steuergeräte integrieren. Dabei stimmen wir die Algorithmen so ab, dass das Verhalten der Scheiben maximale Sicherheit sowie Komfort für den Fahrer bei besseren Emissionswerten bietet. Durch eine intelligente Reaktion auf wechselnde Beleuchtungssituationen sowie eine automatische Kompensation von Temperatur- und Alterungseffekten wird das Erscheinungsbild aller Scheiben optimiert.