In den 1960er Jahren orientiert sich
Alfa Romeo im Motorsport neu. Nach zwei gewonnenen Formel-1-Weltmeisterschaften 1950 durch Giuseppe "Nino" Farina, 1951 durch Juan Manuel Fangio sind nun Tourenwagen-Rennen ein wichtiges Betätigungsfeld. International bedeutendste Serie ist die 1963 erstmals ausgetragene "European Touring Car Challenge" (Europapokal), die 1970 in den offiziellen Rang einer Europameisterschaft befördert wird. Die Langstreckenrennen auf dem Nürburgring, in Monza, Brands Hatch oder Zandvoort locken Zehntausende von Fans an. Anfangs zählten außerdem populäre Bergrennen wie zum Beispiel am Timmelsjoch zum Europapokal.
Alfa Romeo ist mit dem Modell Giulia TI Super in der Klasse bis 1.600 Kubikzentimeter Hubraum sehr erfolgreich. Dies ändert sich, als das Ford-Werksteam als eines der ersten mit dem Lotus Cortina die Freiheiten des Reglements voll ausnutzt. In Sachen Motorleistung kann Alfa Romeo zwar locker mithalten, aber der Ford ist über 100 kg und damit mehr als 10% leichter. Angesichts von bei beiden Fahrzeugen knapp 150 PS Leistung ein gewaltiger Vorteil.
Doch Autodelta, die Motorsportabteilung von Alfa Romeo, arbeitet längst an einem Gegenmittel. Die Limousinenvariante der Giulia soll durch das ohnehin leichtere, Ende 1963 präsentierte Coupé namens Sprint GT abgelöst werden. Um das Gewicht noch weiter zu senken, greift Autodelta tief in die Karosseriestruktur ein. Die komplette Außenhaut wird aus nur 1,2 mm dünnem Peraluman gefertigt, einer sehr leichten AluMINIum-Magnesium-Zink-Mangan-Legierung. Türen und Motorhaube sowie alle nicht tragenden Teile der Karosserie (innere Abschlussbleche, Windlaufblech, Reserveradwanne) werden aus AluMINIum gefertigt. Nur Bodenblech und Dachsäulen bestehen noch aus Stahlblech. Hintere und seitliche Scheiben sind aus leichtem Plexiglas hergestellt.
Der 1,6-Liter-Motor stammt aus dem Entwicklungsprogramm für den GT-Rennwagen Alfa Romeo TZ2. Der Block besteht aus AluMINIum, während Ölwanne, Motorstirnwanddeckel, Ventildeckel, Getriebeglocke und hinterer Getriebedeckel aus der Magnesium-Legierung Elektron gegossen werden. Bestückt mit Doppelzündung und zwei 45er Weber-Doppelvergasern leistet er 115 PS.
Das GTA getaufte Modell bringt schließlich nur noch 745 Kilogramm auf die Waage, über 200 kg weniger als ein konventioneller Sprint GT. Hinter dem Zusatz "A" in der Typenbezeichnung verbirgt sich dabei der italienische Begriff "alleggerita", zu Deutsch "erleichtert".
Das Potenzial des neuen Modells ist unübersehbar. Allerdings sind zunächst die Hürden der Homologation (Zulassung zum Motorsport) zu überwinden. Für die bei Tourenwagenrennen zugelassenen Fahrzeuge aus der so genannten Gruppe 2 muss eine Straßenversion existieren. Alfa Romeo präsentiert deswegen auf dem 1965er Autosalon in Amsterdam das Serienmodell des Giulia Sprint 1600 GTA. Optisch ist der GTA durch die zusätzlichen Lufteinlässe in der Front, die Türgriffe in Form leichter AluMINIumschlaufen, Magnesium-Felgen von Campagnolo, die offensichtlichen Nieten der Karosseriebefestigung, Sportlenkrad sowie Aufkleber mit dem legendären Quadrifoglio Verde (vierblättriges Kleeblatt) zu erkennen.
Zur Wahl stehen ausschließlich die Farben Rosso Alfa (AR501) und Biancospino (AR013), die komplette Innenausstattung einschließlich der vorderen Schalensitze ist in grauem Kunstleder gehalten. In Deutschland kostet der gezähmte Renntourenwagen 21.500 Mark, etwa so viel wie ein Porsche 911. Was sich bis heute kaum geändert hat. Auf dem Oldtimermarkt gehören die serienmäßigen GTA-Versionen des Alfa Romeo Giulia Sprint zu den gesuchten Raritäten, für die deutlich über 100.000 Euro gezahlt werden. Rennautos mit belegter Historie kosten leicht das Dreifache.
Siegfähig ab Werk die Corsa-Varianten von Autodelta
Das kann 1965 freilich noch niemand ahnen. Zu diesem Zeitpunkt ist die Serienversion nur das nötige Mittel, um bei internationalen Rennen antreten zu dürfen. Für den Einsatz auf der Rennstrecke bietet Autodelta betuchten Kunden die Corsa-Variante an, die noch einmal stark modifiziert wird. Zu den Unterschieden gehören der 90-Liter-Tank, Ölkühler, Überrollbügel, Sperrdifferenzial von ZF, Stabilisator auch an der Hinterachse sowie der länger übersetzte fünfte Gang. Autodelta hält außerdem weitere Tuningteile wie beispielsweise spezielle Vorderradaufhängungen, die in ihrer Führung modifizierte Gleitstein-Hinterachse oder unterschiedliche Getriebe- und Achsübersetzungen parat. Außerdem fällt die Innenausstattung noch spartanischer aus - die Armaturentafel besteht bei manchen Exemplaren aus einer Art Pappe, die mit Dekorfolie beklebt ist. Für Werksautos werden zeitweise sogar gelegentlich Bodenbleche aus Peraluman verwendet. Dadurch sinkt das Gewicht unter 700 kg. Die jetzt im Kofferraum installierte Batterie verbessert zusätzlich die Gewichtsverteilung.
Die Motorleistung steigt bei der Corsa-Variante durch die Verwendung anderer Kolben, eines Stahl-Fächerkrümmers mit größerem Querschnitt, schärferer Nockenwellen und eines Staudruckkastens über den Ansaugtrichtern auf rund 170 PS. Der seitlich unter der Fahrertür austretende Rennauspuff sorgt für einen unvergleichlichen Sound.
Wie geplant, wird der Alfa Romeo Giulia Sprint 1600 GTA zum doMINIerenden Fahrzeug in der 1,6-Liter-Klasse. Werksfahrer Andrea de Adamich (Italien) wird 1966 und 1967 Europameister in dieser Kategorie, 1969 wird Spartaco Dini (Italien) Champion. Alfa Romeo gewinnt in diesen Jahren auch den Markentitel. Manchmal feiern GTA-Piloten wie der Deutsch-Österreicher Jochen Rindt (bei einem TransAm-Rennen in Sebring/USA 1966) sogar Gesamtsiege gegen die hubraumstärkere Konkurrenz. Außerdem feiern GTAs unzählige Siege bei nationalen Meisterschaften. So wird Herbert Schultze 1968 und 1969 Deutscher Rundstreckenmeister. Auch bei Bergrennen - Ignazio Giunti (Italien) wird 1967 Berg-Europameister in der Tourenwagen-Kategorie - und vielen Rallyes geht der Siegerpokal an Fahrer eines Alfa Romeo Giulia Sprint GTA.
Aufwändige Aufladung - der Rennmotor 1600 GTA SA
1968 wird das Reglement in der Europameisterschaft geändert, nun sind so genannte Gruppe-5-Fahrzeuge zugelassen, die technisch sehr stark gegenüber der Serie verändert werden dürfen. Hatte es Alfa Romeo bis dahin vor allem mit dem Lotus Cortina zu tun, heißen die Gegner nun Porsche 911, BMW 2002 und Ford Escort TwinCam.
Um weiterhin konkurrenzfähig zu sein, experimentiert Autodelta ab Mitte 1967 mit einer aufgeladenen Variante des 1600er Motors, der den Zusatz SA für "sovralimentata" erhält. Der technische Aufwand dahinter ist bemerkenswert. Zwei Ventilatoren, die aus der Klimaanlage eines Flugzeugs stammen, werden an beiden Enden des Luftsammlers eingebaut. Der Antrieb erfolgt mittels Ölkreislauf. Die notwendige Pumpe wird über eine Kette vom Motor angetrieben. Auf diese Weise wird ein Überdruck im Luftsammler erzeugt, der ähnliche Auswirkungen wie ein Turbolader hat. Zusätzlich wird eine Wassereinspritzung ausprobiert. Die Leistung steigt so auf über 220 PS.
Siegfried Dau (Deutschland) gewinnt mit einem GTA SA das 100-Meilen-Rennen 1967 auf dem Hockenheimring. Doch das Projekt wird schließlich zu Gunsten des noch leistungsstärkeren GTAm 1750 aufgegeben.
Kennzeichen Kotflügelverbreiterungen der Alfa Romeo Giulia Sprint GTAm
Die Bezeichnung GTAm weist zum einen auf den erweiterten Hubraum hin (auf Italienisch "maggiorata"), ist zum anderen aber auch eine Hommage an den amerikanischen Markt. Tatsächlich basiert der GTAm auf dem für den US-Markt gebauten Alfa Romeo Sprint 1750 GT Veloce, der von einer Spica-Einspritzanlage mit Sprit versorgt. Zum 01. Oktober 1969 wird der GTAm in der Gruppe 2 homologiert, noch mit 1750er Motor. 1970 reicht Alfa Romeo die rennsportspezifischen Modifikationen nach: Zylinderkopf mit größeren Ventilen und zwei Zündkerzen pro Brennraum, Lucas-Einspritzanlage, dicke Kotflügelverbreiterungen und Motorhaube aus Kunststoff, Kofferraumdeckel aus AluMINIum. Außerdem wird der Hubraum durch Vergrößerung der Bohrung auf knapp zwei Liter erweitert. Damit sind 240 PS drin. Die neun Zoll breiten Räder stammen vom Sportprototypen Alfa Romeo Tipo 33.
Der Niederländer Toine Hezemans wird mit Siegen in Monza (Italien), Budapest (Ungarn), Brünn (Tschechoslowakei) und Jarama (Spanien) Europameister. Andrea de Adamich/Gian Luigi Picchi (Italien) gewinnen außerdem das 6-Stunden-Rennen auf dem Nürburgring. In der Markenwertung wird Alfa Romeo trotzdem knapp von BMW geschlagen. 1971 nimmt Autodelta Revanche. Inzwischen heißt der 1750 GTAm offiziell 2000 GTAm, eine Referenz an den vergrößerten Hubraum. Tatsächlich holt Alfa Romeo den Europameistertitel in der Markenwertung vor Ford und BMW.
Siegreicher Junior - der GTA für die 1300er Klasse
Parallel zum Werksengagement in der Klasse für Fahrzeuge mit mehr als 1,6 Liter Hubraum unterstützt Alfa Romeo auch Privatfahrer in der 1,3-Liter-Kategorie. Zu diesem Zweck entsteht 1968 der 1300 GTA als kleiner Bruder des 1600 GTA. Auch der Junior hat eine auf das Stahlblechskelett genietete Leichtmetallkarosserie, allerdings mit größeren hinteren Radausschnitten. Insgesamt wird der extrem teure Leichtbau beim Serienmodell nicht ganz so akribisch angewandt wie beim 1600 GTA. So verzichtet man beispielsweise auf die Plexiglasfenster und die Magnesiumfelgen. Die zuvor aus Elektron gefertigten Motorkomponenten werden nun aus AluMINIum hergestellt. Dafür ist das Sperrdifferenzial beim 1300 GTA Junior serienmäßig an Bord. Die Innenausstattung ist mit schwarzem Kunstleder bezogen, die vorderen Sitze ähneln denen des Alfa Romeo Giulia Sprint 1750 GT Veloce.
Am Motor ändert sich in erster Linie die Bohrung - die Verkleinerung von 82 auf 67,5 mm ergibt einen Hubraum von 1.290 Kubikzentimetern. Doppelzündung und die beiden 45er Doppelvergaser werden übernommen. So stehen serienmäßig 96 PS zur Verfügung. Autodelta liefert den 4-Zylinder in Corsa-Variante mit bis zu 160 PS aus. Die Ölwanne ist im Vergleich zum 1600er Motor vergrößert, nun müssen 9,7 statt zuvor 6 Liter Schmierstoff sorgsam warm gefahren werden. Alternativ zu den Vergasern wird auch eine Spica-Einspritzanlage homologiert. Sie bringt zwar nur 5 PS Leistungszuwachs, gleichzeitig bessert sich aber das Ansprechverhalten besonders bei niedrigen Drehzahlen deutlich.
Ab Sommer 1968 wird der GTA Junior zur Messlatte in der 1300er Klasse. 1969 gewinnt Enrico Pinto (Italien) den Tourenwagen-Europapokal in dieser Hubraumkategorie, 1970 ist Carlo Truci (Italien) der Champion. Karl Wendlinger senior holt sich den Titel in der österreichischen Tourenwagen-Meisterschaft.
Am 01. Januar 1970 homologiert Alfa Romeo für den GTA Junior Karrosserieteile nach, die den Kleinen auf GTAm-Format mutieren lassen. Nun sind dicke Kotflügelverbreiterungen zulässig, unter die bis zu neun Zoll breite Felgen passen. Die Verbreiterungen sind ebenso aus Kunststoff hergestellt wie ab diesem Datum auch Hauben, Türen und Armaturenträger. Außerdem werden unterschiedliche Zylinderköpfe angemeldet, 1974 sogar einer mit vier Ventilen pro Brennraum.
Derart aufgerüstet bleibt der GTA Junior ein siegfähiges Auto in der 1300er Division, sei es auf der Rundstrecke, am Berg oder bei Rallyes. 1972 verhilft er Alfa Romeo sogar zu einem weiteren Europameister-Titel wiederum vor Ford und BMW mit neun Divisionssiegen in neun Rennen.