Das Nardò Technical Center feierte am Mittwoch sein 40-jähriges Bestehen. Seit der Gründung am 01. Juli 1975 hat sich das Testzentrum in Apulien (Italien) den modernen Entwicklungsan
Forderungen verschrieben. Die weltweit einzigartige Kreisbahn für Hochgeschwindigkeiten mit einer Länge von 12,6 Kilometern sollte die Forschungs- und Entwicklungsprozesse verbessern, indem Fahrzeuge unter Extrembedingungen getestet werden. Seit 2012 wird das Automobil-Testgelände von der
Porsche Engineering Group GmbH, einer hundertprozentigen Tochtergesellschaft der Dr. Ing. h.c. F.
Porsche AG, Stuttgart, betrieben und bietet mit mehr als 20 Teststrecken sowie Prüfeinrichtungen auf mehr als 700 Hektar Fläche Möglichkeiten für alle denkbaren Erprobungsstufen.
"Das Nardò Technical Center ist die ideale Ergänzung zu unseren Prüf- und Forschungseinrichtungen im Entwicklungszentrum Weissach. Und zwar mit dem großen Vorteil, dass wir in Nardò dank des milden Klimas unsere Sportwagen an 365 Tagen im Jahr erproben können", sagt Wolfgang Hatz, Vorstand Forschung und Entwicklung der Porsche AG. "Diese einzigartigen Bedingungen stellen für die gesamte Automobilindustrie eine wertvolle Ressource zur effizienten Fahrzeug-Erprobung dar."
"Auf dem Prüf- und Testgelände steht unseren Kunden bereits heute die komplette Palette an Erprobungsdienstleistungen zur Verfügung", sagt Malte Radmann, Vorsitzender der Geschäftsführung der Porsche Engineering Group. "Doch damit nicht genug: Für die nächsten Jahre existieren umfangreiche Pläne hinsichtlich Ausbau und Neuerungen, um den EntwicklungsanForderungen der Zukunft gerecht zu werden."
Die Idee des Testzentrums als "Gesellschaft für Automobilteststrecken Nardò" (Società Autopiste Sperimentale Nardò) wurde 1975 von Fiat in die Realität umgesetzt. Zu diesem Zeitpunkt existieren der Rundkurs mit Bahnen für Personen- und Lastkraftwagen sowie eine Personenkraftwagen-Dynamikfläche. Sieben Jahre später folgt der Ausbau um eine Dynamikfläche für Lastkraftwagen. Im Jahr 1999 übernimmt die italienische Prototipo-Gruppe das Prüf- und Testgelände und erweitert Nardò um insgesamt 5.000 Quadratmeter neue Werkstatt- und Büroflächen, um der steigenden Kundenzahl gerecht zu werden. 2002 und 2008 folgen Teststrecken zur Erprobung von Fahrkomfort und Geräuschentwicklung sowie eine Handling-Strecke, der auf einer Länge von 6,2 Kilometern einzelne Kurven der Nürburgring-Nordschleife nachempfunden sind. Im Mai 2012 übernimmt die Porsche Engineering Group die Verantwortung für das Versuchs-Areal.
Nardò genießt seinen legendären Ruf auch aufgrund der Abgeschiedenheit und der strengen Geheimhaltungsvorkehrungen. Für die Automobilhersteller sind die nahezu unbegrenzten und effizienten Testmöglichkeiten entscheidend. Binnen weniger Wochen lassen sich beispielsweise Aussagen zur Korrosionsfestigkeit über den gesamten Lebenszyklus eines Fahrzeugs machen oder klimatische Bedingungen unterschiedlicher Länder und Regionen nachbilden ob afrikanische Offroad-Piste oder auch bei Sonnenschein regenasse Straßenflächen. Zusätzlich werden zeitaufwendige Anlieferwege und hohe Transportkosten vermieden, da die hohe Diversität der Prüfstrecken den Entwicklern eine große Bandbreite an Erprobungen an ein und demselben Ort ermöglicht.
Geschichte hat das Nardò Technical Center auch auf der Ringstrecke geschrieben, die mit einem Durchmesser von 4 Kilometern und einer Streckenlänge von 12,6 Kilometern bis heute als schnellster Automobilrundkurs der Welt gilt. Sie bildet die Grundlage für zahlreiche Rekorde unterschiedlicher Kraftfahrzeughersteller. Den Beginn machte Mercedes-Benz mit dem C111-IV, der 1979 zum ersten Mal mit exakt 403,978 km/h die 400-km/h-Grenze durchbricht. Der ARVW (Aerodynamik Research Volkswagen) stellt 1980 gleich sechs Klassenrekorde und zwei Weltrekorde in Sachen Geschwindigkeit auf der Strecke in Nardò auf.
Porsche sorgt 1982 mit einem 928 S für einen 24-Stunden-Rekord. Der damals revolutionäre Porsche mit Frontmotor und Schaltgetriebe an der Hinterachse legt 6.033 Kilometer in einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 251,4 km/h zurück. Mehr als zehn Jahre danach lieferte Porsche einen eindrucksvollen Beweis für die Transaxle-Bauweise: Mit einem serienmäßigen Porsche 928 GTS legt ein österreichisches Privatteam 1993 in Nardò in 24 Stunden 6.377,25 Kilometer zurück und realisiert einen Schnitt von 265,72 km/h. Überboten wird dieser Rekord erst 2002 von dem Volkswagen-Konzeptauto "W12 Nardò", das bis heute insgesamt sieben Weltrekorde hält, unter anderem den 24-Stunden-Entfernungs- und Geschwindigkeitsrekord mit 7.740,576 Kilometern in einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 322,891 km/h.