Vor 50 Jahren fuhr der erste Bosch-Prototyp mit elektronischer Getriebesteuerung. Der Schaltknüppel im Glas 1700, einer modernen Mittelklasselimousine, bewegte sich damals wie von Geisterhand. Das Fahrzeug diente den Entwicklern 1965 als Versuchsträger des völlig neuartigen Systems. Die elektronische Steuerung für Handschaltgetriebe sollte Autofahrern das Kuppeln und Schalten abnehmen. Entwickelt wurde die Technik unter der Leitung von Hermann Scholl, damals als junger Ingenieur tätig, heute Ehrenvorsitzender der Bosch-Gruppe. Konzipiert wurde sie als kostengünstige Alternative zum teuren Automatikgetriebe, das fast nur in Luxuslimousinen angeboten wurde. Für den Glas 1700 wurden 1965 einige hundert Anlagen gefertigt. "Doch die Technik der elektronischen Steuerung von Fahrzeuggetrieben war ihrer Zeit voraus, der Markt noch nicht reif genug", erläutert Hermann Scholl. Zudem wurde in dieser Zeit das Familienunternehmen Glas vom Automobilhersteller
BMW übernommen, der die neue Technik nicht in seinen Modellen einsetzen wollte.
Motronic schaffte Grundlage für Automatikgetriebe
Erst eine andere Bosch-Erfindung begründete Jahre später den Massenerfolg der selbst schaltenden Getriebe. In der Motronic, einer Kombination aus elektronischer Einspritzung und Zündung, hatte Bosch 1979 erstmals einen frei programmierbaren Mikroprozessor im Auto eingesetzt. Und mehr noch: mit dem separaten Speicher zusammengenommen war es weltweit der erste Computer im Auto. "Die Motronic war der Auslöser für die zweite Karriere der Getriebesteuerung, diesmal nicht bei Handschalt-, sondern bei Automatikgetrieben. Kombiniert mit der Motorsteuerung, diente sie dem optimalen automatischen Gangwechsel", macht Hermann Scholl deutlich. Erst durch die Kombination beider Systeme, der elektronischen Getriebesteuerung und der Motorsteuerung, konnte der automatische Gangwechsel wesentlich komfortabler durchgeführt werden. Ganz so wie der Fahrer beim Schalten von Hand auch gleichzeitig den Motor über das Gaspedal steuert, gibt nun die Getriebesteuerung Stellbefehle an den Motor. Diese werden von der Motorsteuerung interpretiert und umgesetzt. Erstmals kam diese Getriebesteuerung 1983 im BMW 745i zum Einsatz in Kombination mit dem Automatikgetriebe 4HP22 der Friedrichshafener ZF AG.
Moderne Getriebesteuerung: Hightech-Computer im MINIformat
Noch war es eine exklusive Technik. Aber sie entwickelte sich in den folgenden zwei Jahrzehnten zum Standard in allen Automobilen mit Automatikgetriebe. Und sie nahm einen wesentlichen Trend vorweg. Die elektronische Getriebesteuerung, die Schaltvorgänge mit Parametern von Einspritzung und Zündung abstimmt, ist im besten Sinne ein vernetztes System: für optimale Ergebnisse bei Fahrleistung, Komfort, Kraftstoffverbrauch und Emissionen. "Dabei wählt die Getriebesteuerung die Gangstufen so aus, dass sich der Motor fast immer im optimalen Betriebsbereich befindet. Um dies alles zu gewährleisten, steckt in modernen Getrieben sehr viel digitale Intelligenz", sagt Hermann Scholl. Die Steuerung ist ein Hightech-Computer im MINIformat und ermöglicht die komplexe Bedienung der verschiedenen Automatikgetriebearten. Dabei hat eine moderne Getriebesteuerung eine 160 Mal so hohe Rechenleistung wie etwa der Computer des ersten Mondflugs.
Segeln und Vernetzung: Die Zukunft der Automatik
Heute ist weltweit schon jedes zweite Neufahrzeug mit einem Automatikgetriebe unterwegs. Und die Fahrt geht schnurstracks in Richtung weiterer Vernetzung. Das zeigt Bosch mit dem elektronischen Horizont, der das Getriebe mit hochaktuellen Navigationsdaten verbindet. Denn Navigationssysteme kennen die Umgebung und können dieses Wissen an die Automatik weiterleiten. So kann die Automatik beim Segeln beispielsweise in den Leerlauf schalten und den verbleibenden Schwung nutzen, wenn hinter einer langen Kurve ein Ort beginnt. Diese noch intelligentere Automatik mit elektronischem Horizont kann den Kraftstoffverbrauch zusätzlich um einen zweistelligen Prozentwert senken.