Besonderes Jubiläum im europäischen Busbau: Im Jahr 2015 feiert die EvoBus GmbH ihren 20. Geburtstag. Hervorgegangen ist sie 1995 aus dem Produktbereich
Mercedes-Benz Omnibusse der damaligen
Mercedes-Benz AG in Stuttgart und der Omnibussparte der ehemaligen Karl Kässbohrer Fahrzeugwerke GmbH in Ulm mit der Marke Setra. Seit der Verschmelzung der
Mercedes-Benz AG mit der damaligen Daimler-Benz AG am 01. April 1997 ist die EvoBus GmbH neben den anderen weltweiten Busaktivitäten des Konzerns Teil des Geschäftsbereichs Daimler Buses.
Hartmut Schick, Leiter Daimler Buses, zu dem bis heute Erreichten: "Durch den Zusammenschluss von Mercedes-Benz Omnibusse mit der Kässbohrer Marke Setra haben wir 1995 Industriegeschichte geschrieben. Seitdem haben sich beide Marken erfolgreich weiterentwickelt und ihren Absatz in Summe um rund zwei Drittel gesteigert. So ist EvoBus zum größten Omnibusbauer Europas aufgestiegen. Dabei sind beide Bus-Marken ihrer Historie und ihren Werten immer treu geblieben."
Im Jahr 1995 produzierten die 11.200 Mitarbeiter der beiden Marken in Mannheim, Istanbul, Ulm/Neu-Ulm und im französischen Ligny-en-Barrois insgesamt 5.680 Komplettbusse. Die Marktanteile in Deutschland lagen damals kumuliert bei 49% (Mercedes-Benz 29%, Setra 20%) und in Westeuropa bei 29% (Mercedes-Benz 18%, Setra 11%). Im Jahr 2014 haben die rund 12.000 Mitarbeiter mehr als 9.200 Komplettomnibusse gebaut und damit in Westeuropa einen Rekordmarktanteil von gut 34% eingefahren. In Deutschland stammte 2014 sogar weit mehr als jeder zweite neue Bus aus den EvoBus-Werken.
Öffentlichkeit pro Fusion Arbeitsplätze gesichert
Vor dem Zusammenschluss galt es, politische und kartellrechtliche Hürden zu überwinden. Zwar hatte die EU bereits grünes Licht für die Fusion gegeben. Bedenken beim Bundeskartellamt in Bonn gegen die Heirat der Nummer Eins und der Nummer Zwei der Branche führten dazu, dass alle damals großen europäischen Wettbewerber nochmals befragt wurden. Aus Angst vor einem Scheitern des Bündnisses demonstrierte deshalb am 01. Februar 1995 die Bevölkerung der gesamten Region Ulm friedlich für den Zusammenschluss. Am 25. Februar 1995 war es soweit: Der Mercedes-"Stern" und das Kässbohrer "K" im Kreis kamen zusammen. Das Fortbestehen der Traditionsmarke Setra und damit auch die Arbeitsplätze in Ulm und Neu-Ulm waren gesichert.
Mercedes-Benz setzte zu Recht auf eine gemeinsame Perspektive mit den Ulmer Omnibusbauern, die den Erhalt der renommierten Marke Setra einschloss und Synergien zwischen beiden Marken vorsah. Einer klare Bauteile-Strategie, ein leistungsfähiges Produktionsnetz für Integralbusse und ein Entwicklungsverbund für alle Baureihen waren und sind nach wie vor die wesentlichen Erfolgsfaktoren von EvoBus. Heute ist EvoBus der letzte verbliebene deutsche Omnibushersteller, der nennenswerte Stückzahlen im Heimatland produziert. Im einstigen "Omnibusland" Deutschland, in dem vor 50 Jahren noch zehn Hersteller Komplettomnibusse bauten, ist EvoBus damit ein starkes Beispiel für Kontinuität.
Produktion und Entwicklung im Netzwerk
Frühzeitig setzte EvoBus auf eine intelligente Produktionsstrategie, die sich im aktuellen Produktionsnetzwerk spiegelt. Im tschechischen Holyov (einst ein Kässbohrer Werk) fertigen über 400 Mitarbeiter alle Rohbau-Komponenten. In Mannheim, dem traditionsreichen "Benz-Werk" mit über 3.300 Mitarbeitern, erfolgt der Rohbau aller Komplettbusse beider Marken, die kathodische Tauchlackierung der kompletten Rohkarossen und die Montage der Stadtlinien- und Überlandlinienbusse von Mercedes-Benz. In Neu-Ulm montieren 3.600 Mitarbeiter Setra Überlandlinien- und Reisebusse. Dieses Werk kann auch Mercedes-Busse montieren und ist zudem für die gesamte Lackierung aller Mercedes-Benz und Setra Omnibusse zuständig. Im lothringischen Ligny-en-Barrois (ebenfalls ein ehemaliges Kässbohrer-Werk) montieren und lackieren rund 400 Mitarbeiter alle Linienbusse für den französischen Markt. Fünfte Produktionsstätte mit über 4.400 Mitarbeitern ist das hochmoderne Werk in Hoşdere bei Istanbul. Dort wird der Omnibusbau in einer Linie von den Rohbau-Komponenten, dem Rohbau selbst bis zur Lackierung und Endmontage erledigt. Die Busse werden in der Türkei, aber auch in West- und Osteuropa sowie in außereuropäischen Ländern vertrieben.
Dr. Holger Steindorf, in der Geschäftsführung von Daimler Buses zuständig für alle Werke, unterstreicht die strategische Bedeutung des Produktionsnetzes für Integralbusse: "Unser Produktionsverbund lebt und entwickelt sich fortwährend weiter. Wir haben die Aufgabe alle vorhandenen Ressourcen optimal zu nutzen. Effizienz und Flexibilität sind dabei zentrale Erfolgsfaktoren."
Die Harmonisierung des Produktionsnetzwerkes ist ein zentraler Punkt auf dem Weg zu höherer Effizienz und Grundlage für profitables Wachstum. Dem gleichen Ziel dient der Entwicklungsverbund der Bussparte, der weltweit integriert und verzahnt ist. Im engen Schulterschluss mit der Daimler Konzernforschung und dem Daimler Truck-Bereich werden inzwischen viele Assistenz- und Sicherheits-Systeme für den Bus und den Lkw gemeinsam entwickelt.
So ist beispielsweise der Mercedes-Benz Reisebus Travego ab diesem Jahr mit dem auch im Lkw eingesetzten Notbrems-Assistenten Active Brake Assist 3 ausgestattet. Mit dessen Hilfe kann ein fahrender Bus bei Kollisionsgefahr mit stehenden Hindernissen automatisch eine Vollbremsung einleiten. Ebenfalls gemeinsam für Bus und Lkw entwickelt wurde die leistungsfähige und flexible neue Elektronik-Plattform B2E, die eine sehr moderne Netzwerkarchitektur und hoch integrierbare Steuergeräte mit sich bringt und außerdem Verbesserungen beispielsweise an Displays, Schaltern oder Lenksäulen ermöglicht.
Eine deutliche Effizienzsteigerung ermöglicht der vorausschauende Tempomat Predictive Powertrain Control (PPC) im Bus und im Lkw. Das System nutzt auf Basis dreidimensionaler Karten im Gefälle Schwungspitzen, nimmt vor Kuppen rechtzeitig Gas weg und greift in die Schaltung ein, um den Verbrauch zu MINImieren. Daraus ergibt sich eine vorausschauende Fahrweise dank perfekter Kenntnis von Strecke und Fahrzeug. Ergebnisse sind je nach Topographie ein deutlich reduzierter Kraftstoffverbrauch. In einem Praxistest mit der Setra TopClass konnte der Verbrauch so um durchschnittlich über 9% gesenkt werden.
Starke Marken
Durch den zielgerichteten Auf- und Ausbau seines Dienstleistungsangebotes rund um den Bus avancierte EvoBus schnell zum Komplettanbieter im Omnibus-Geschäft. Ein Jahr nach der Fusion wurde die Dienstleistungsmarke OMNIplus ins Leben gerufen, zuständig für alle After-Sales-Aktivitäten beider Busmarken. Grundlage für OMNIplus war der schon früher erfolgreiche Kundendienst beider Marken. Heute verfügt OMNIplus über ein Servicenetz von rund 650 Werkstätten in 37 Ländern Europas und bietet Fahrzeugfinanzierung, Wartung und Reparatur, Fahrertraining sowie Fahrzeugmanagement aus einer Hand.
Die vierte und jüngste Marke der EvoBus ist seit Februar 2014 BusStore. BusStore fasst alle Aktivitäten von EvoBus rund um Gebrauchtbusse zusammen. Mit einem jährlichen Umschlag von fast 2.000 Omnibussen ist EvoBus inzwischen auch der größte Gebrauchtbusanbieter Europas. Vertreten ist BusStore an insgesamt 16 Standorten in Europa. Sie befinden sich in der Nähe von großen Servicestützpunkten von OMNIplus.
Erfolgreiche Zusammenarbeit schon lange vor der EvoBus-Gründung
Exakt 100 Jahre vor dem Start der EvoBus GmbH am 18. März 1895 brachte Carl Benz den ersten motorgetriebenen Omnibus der Welt den Benz Patent-Motorwagen-Omnibus mit acht Sitzplätzen für den Linienverkehr Siegen-Netphen-Deuz auf die Straße. Die Anfänge der Zusammenarbeit von Mercedes-Benz und Setra reichen fast so weit zurück. So lieferten die Karl Kässbohrer Fahrzeugwerke beispielsweise 1910 neben Kutschenwagen offene Phaetonlimousinen und Landaulet-Karosserien an Daimler. Später lieferte Kässbohrer auch Omnibusaufbauten an Daimler.
Zwei Fahrzeuge aus der Zusammenarbeit stechen besonders hervor: Dies war der größte von Kässbohrer in der Vorkriegszeit gebaute Omnibus mit vier Achsen, 18,7 m Länge und Platz für 170 Fahrgäste mit Mercedes-Benz Sattelzugmaschine. Eine zweite Ikone ist der erste Stromlinienbus der Deutschen Reichsbahn auf Daimler-Benz Fahrgestell, der 100 km/h Durchschnitts- und 130 km/h Spitzengeschwindigkeit schaffte. Dieser schnittige Kässbohrer Omnibus mit großem Mercedes Stern auf dem Kühlergrill fuhr ab 1935 auf der damals neu gebauten Autobahn zwischen Leipzig und Berlin.
Später sind es vor allem Aufbauten für den legendären Mercedes-Benz Omnibus O 3500, die die Zusammenarbeit prägen. 1975 wird Mercedes-Benz zum Motorenlieferanten für Setra-Omnibusse. Schon bald wählen über 80% der Setra Kunden diese Antriebsaggregate.
Hohe Innovationskraft bei beiden Partnern
Die über viele Jahrzehnte vor der Fusion gewachsenen Beziehungen zwischen Mercedes-Benz und Kässbohrer sind Grundlage für den späteren gemeinsamen Erfolg. Dieser beruht neben den starken Produkten auf der hohen Innovationskraft beider Partner. Kässbohrer brachte beispielsweise Innovationen wie die selbsttragende Bauweise, die Einzelradaufhängung an der Vorderachse, Retarder, Scheibenbremsen, Antiblockier- und Antriebsschlupf-Regelungs-Systemen oder Rückspiegel-Systeme in die Ehe ein. Die Setra-Produkte profitieren vom Zugang zu den zukunftsweisenden Technologien aus dem Daimler Forschungsbereich. Beispiele sind die zahlreichen Sicherheits- und Assistenz-Systeme im Omnibusbau wie der Active Brake Assist, der Attention Assist, der Abstandsregeltempomat oder der Front Collision Guard.
Das erste in der neuen Ära gemeinsam entwickelte Produkt ist der Mercedes-Benz Überlandlinienbus O 550 Integro auf Basis der Setra Kombibusreihe, die ein Jahr vor der Fusion ihre Premiere gefeiert hatte. Bis heute wirken sich der Innovationsgeist und der riesige Erfahrungsschatz der Belegschaft beider Marken positiv auf die Unternehmensentwicklung aus. Busse von Mercedes-Benz und Setra sind deshalb gestern wie heute der Maßstab im Busbau.