Auf der CeBIT in Hannover, weltweit die größte Messe für Informationstechnik, stellt Daimler Trucks vom 16. bis 20. März im Rahmen des Projektes ARVIDA (Angewandte Referenzarchitektur für virtuelle Dienste und Anwendungen) erstmals das Projekt "Ergonomie-Simulation im Truck" vor. Die Lkw-Entwickler von
Mercedes-Benz prüfen daher bereits früh in der Entwicklung neuer Fahrzeuge virtuell, wie man komfortabel in die Kabine einsteigen kann, ob alle notwendigen Bedienelemente gut erreichbar sind oder wie bequem der Einstieg ins Bett des Lkw ist.
Die Daimler AG arbeitet bei diesem Projekt mit dem Institut für Mechatronik in Chemnitz, der Human Solutions Assyst GmbH in Kaiserslautern und der Firma Advanced Realtime Tracking (ART) im oberbayrischen Weilheim zusammen. Insgesamt sind an den verschiedenen Teilprojekten von ARVIDA, das vom BundesMINIsterium für Forschung und Industrie (BMBF) gefördert wird, 22 Partner aus Forschung und Industrie beteiligt.
Tracking-Szene mit Actros-Sattelzugmaschine in Messehalle 9
Daimler wird auf der CeBIT zusammen mit seinen drei Partnern auf dem BMBF-Messestand in Halle 9 an einem Actros Lkw die virtuelle Tracking-Szene "Einsteigen ins Fahrerhaus" demonstrieren.
Ein Proband wird dazu mit rund 60 optischen Markern ausgestattet, die Daten zu jeder Bewegung liefern. Anschließend kann man den Entwicklungsingenieuren bei der Aufbereitung und Auswertung über die Schulter sehen.
"Auf der CeBIT zeigen wir unseren aktuellen Projektstand", erläutert Projektleiter Roland Stechow aus der Fahrerhaus-Entwicklung von Daimler Trucks. Sein Ziel, wenn das Projekt 2016 abgeschlossen sein wird: Virtuelle 3D-Ergonomieuntersuchungen von Bewegungsabläufen bereits in der Fahrzeug-Konzeptfindungsphase.
RAMSIS Basis-Software für Ergonomie-Simulation
Aktuell arbeiten die Entwickler mit der Software RAMSIS (Rechnergestütztes Anthropometrisch-Mathematisches System zur Insassen-Simulation). RAMSIS simuliert ein Menschmodell, aber bisher ohne Bewegungen darzustellen zu können. Mit ihm können heute an einer CAD-Konstruktion Erreichbarkeiten, das Platzangebot, der Komfort, diverse Sichtfelder sowie Gurtverläufe untersucht werden.
Richard Sauerbier, bei Daimler in der Ergonomie-Forschung tätig, über die Notwendigkeit der Weiterentwicklung dieses bislang statischen Systems: "Im Vergleich zum Pkw umfassen Ergonomie-Untersuchungen im Lkw ein viel größeres Spektrum. Hier sind schon Bewegungen im Innenraum wie Liegen, Stehen und Öffnen von Staufächern eine große HerausForderung geschweige denn das komplexe Ein- und Aussteigen über mehrere Stufen und Haltegriffe hinweg." Auch wenn für die Trucks aus dem Daimler-Konzern inzwischen pro Fahrzeug-Kabine zahlreiche Ergonomiestudien vorliegen, müssen bei neuen Entwicklungen auch immer wieder aufs Neue aufwendige Ergonomie-Untersuchungen durchgeführt werden.
Für neue Bewegungsabläufe werden deshalb bis heute in den Versuchswerkstätten spezielle, reale Kabinen "Mock-Ups" im Originalmaßstab 1:1 nachgebaut. Hieran testen bis zu 50 Probanden die einzelnen Bewegungsabläufe vom 95 Prozent-Mann, d.h. nur 5% aller Männer sind größer, bis zur 5 Prozent-Frau, d.h. nur 5% aller Frauen sind kleiner. Vom Modellbau bis zur Auswertung nimmt das mehrere Monate in Anspruch.
Zukünftige Ergonomie-Simulation: Schon in der Konzeptphase mehr Gestaltungsfreiräume
Solche Untersuchungen sollen künftig mit wenigen Mausklicks in einem virtuellen Fahrzeug, dem so genannten "digitalen Mock-Up" (DMU) möglich sein. Dazu werden weitere, verschiedene digitale Bewegungsabläufe erstellt, aufbereitet und als logische, handhabbare Teileinheiten segmentiert. So entstehen einzelne Bausteine, die archiviert werden. Mit Hilfe eines Bewegungskonfigurators werden mehrere dieser Bausteine nun zu neuen synthetischen Bewegungsabläufen zusammengesetzt und angepasst (Simulation). Eine so erstellte, vollständige Ablaufszene wird in das virtuelle Fahrzeug-Umfeld eingespielt und mit seiner Umgebung verlinkt. Somit können beliebige Bewegungen realitätsnah nachgestellt werden.
Bewegungsabläufe aus der Retorte garantieren schnelle Untersuchungsergebnisse
In der Endausbaustufe des ARVIDA-Projektes sind in einem Pool so viele Bewegungsbausteine abgelegt, dass daraus für neue Ergonomie-Untersuchungen beliebige, realitätsnahe menschliche Bewegungsabläufe aus der Retorte erstellt werden können. Projektleiter Stechow: "Damit werden wir im Bereich der Fahrzeug-Konstruktion nicht nur schneller, was Zeit und Geld spart, sondern wir vergrößern auch den Gestaltungsfreiraum bei allen Virtual Reality-Untersuchungen."