Der Große Preis von Deutschland bot Motorsport der Spitzenklasse. Im Zentrum des Geschehens: Die beiden Michelin-Partner Jenson Button und Fernando Alonso, die sich nach dem frühen Unfall-Aus von Kimi Räikkönen, dramatische Zweikämpfe um den zweiten Rang lieferten.
Glühende Sommerhitze und heiße Ausbremsmanöver: Der Grand Prix von Deutschland auf dem ausverkauften Hockenheimring gehörte ohne Zweifel zu den kurzweiligsten Rennen des diesjährigen Formel 1-Jahres. Aus Sicht von Reifenhersteller Michelin endete der zwölfte Saisonlauf zufriedenstellend: Kimi Räikkönen konnte Tabellenführer Michael Schumacher gleich nach dem Start sichtlich unter Druck setzen. Erst als ein defekter Heckflügel den Michelin-bereiften McLaren-Mercedes des 24-Jährigen nach seinem ersten Boxenstopp aus dem Rennen riss, konnte es sich der Ferrari-Pilot etwas gemütlicher an der Spitze einrichten. Trost für Räikkönen: Er hatte zuvor mit 1.13,780 Minuten noch die schnellste Rennrunde gesetzt.
Das Qualifying warf interessante Fragen auf
Dabei hatte schon das Qualifying für eine Überraschung gesorgt, auch wenn das Ergebnis einen in dieser Saison durchaus bekannten Trend widerspiegelte: Michael Schumacher sorgte mit einer wahren Fabelzeit im dritten Streckensektor – dem engeren Motodrom – für staunende Gesichter. Und löste zugleich eine anhaltende Diskussion aus: Hat der Titelverteidiger auf einen extrem leichten Ferrari und damit auf einen besonders frühen ersten Boxenstopp gesetzt oder nicht? Eine Frage, die erst der Rennsonntag klären sollte...
Auf jeden Fall durfte sich auch Michelin-Partner Juan Pablo Montoya über einen Startplatz in der ersten Reihe freuen, mit der sich der Kolumbianer und sein BMW WilliamsF1-Team in alter Konkurrenzfähigkeit zurückmelden konnte. "Ein schönes Gefühl, wieder vorne mit dabei zu sein", gestand der Südamerikaner nach dem Qualifying. "Dabei ist mir auf meiner Zeitrunde ein Fehler unterlaufen: In der letzten Kurve vor dem Motodrom habe ich wohl die Zeit verloren, die mich die Pole Position gekostet hat."
Auch die weiteren Verfolger ließen ihre Schnelligkeit aufblitzen: Jenson Button und Kimi Räikkönen verfehlten die Bestzeit des Vorjahressiegers nur um 22 Tausendstelsekunden – knapper geht es kaum noch. Doch Button sollte von dieser tollen Vorstellung nicht profitieren dürfen: Der Brite ließ nach einem Motorschaden das Triebwerk wechseln und wurde dafür mit seinem Michelin-bereiften BAR-Honda in der Startaufstellung um zehn Plätze nach hinten gestuft. Dafür rückte David Coulthard neben seinen McLaren-Mercedes-Teamkollegen Kimi Räikkönen in Startreihe zwei vor. Direkt dahinter: die beiden Renault F1-Piloten Fernando Alonso und Jarno Trulli.
"Ich bin sehr erfreut, dass BMW WilliamsF1 wieder den Anschluss an die Spitze gefunden hat, dass McLaren-Mercedes seine starke Form der vergangenen Rennen erneut unterstreichen konnte und auch Toyota mit dem komplett überarbeiteten Auto einen deutlichen Sprung nach vorne geschafft hat", zieht Pierre Dupasquier, der Motorsport-Direktor von Michelin, ein Resümmée des Qualifyings. "Obwohl in der Nacht auf Samstag heftige Regenfälle den Asphalt von Gummi-Rückständen befreite, hielt der Hockenheimring keine bösen Überraschungen für uns bereit, sondern hat sich in einer vorhersehbaren Weise positiv entwickelt. Unsere beiden Reifenmischungen, die während des Rennens zum Einsatz kommen werden, erwiesen sich bislang als ebenso konstant wie schnell."
Jenson Button nahm überraschender Weise Schumachers Fährte auf
Ebenso wenig wie Button zog auch Montoya aus seinem privilegierten Qualifying-Resultat einen Vorteil: Der Pilot des BMW WilliamsF1-Teams löste sich nur zögerlich von seinem Startplatz, so dass nicht nur Kimi Räikkönen vor der ersten Kurve vorbei fliegen konnte, sondern auch die erneut sensationell gestarteten Renault F1-Spezialisten Fernando Alonso und Jarno Trulli. "Das war sicherlich einer meiner besten Starts in dieser Saison", bestätigte der (noch) 22 Jahre alte Spanier, der sich als Zweiter hinter Schumacher einreihen konnte. Lange durfte sich der Asturier über diese Position allerdings nicht freuen: Vor der Spitzkehre bremste sich Räikkönen an Alonso vorbei und übernahm als neuer Zweitplatzierter die Jagd auf den Titelverteidiger.
Runde um Runde hetzten sich die beiden Führenden fortan um den Kurs. Als Schumacher im zehnten Umlauf an die Box pfeilte, war auch das Rätsel um die Treibstofffüllung seines Ferrari gelöst: Kimi Räikkönen folgte dem "roten Baron" exakt eine Runde später, tankte aber etwas länger – und reihte sich unmittelbar hinter dem Kerpener wieder in das Renngeschehen ein. Die Hatz begann von neuem. Doch nicht für lange: Beim Anbremsen der Nordkurve kollabierte ein horizontales Heckflügelelement am McLaren-Mercedes, der „Iceman“ kreiselte in die Reifenstapel und entstieg seinem Boliden unverletzt, aber sichtlich verärgert. "Ich hatte ohne Zweifel eine gute Chance, das Rennen zu gewinnen“, so Räikkönen. Sein Teamchef Ron Dennis: "Die Ursache muss ein Materialfehler sein, denn diese Teile haben bislang tausende Kilometer problemlos überstanden. Jener Flügel, der bei Kimi kollabierte, war zudem noch sehr neu."
War damit der Weg für Schumacher zum elften Sieg im zwölften Saisonlauf frei? Nicht ganz, denn von hinten nahte eine neue Gefahr: Jenson Button. Der Brite hatte seine Qualifying-Bestzeit offensichtlich mit einem sehr schweren BAR-Honda vorgelegt, denn in seinem ersten Turn blieb der 24-Jährige extrem lange auf der Strecke – und pfeilte sich dadurch bis auf die dritte Position vor. "Wir wussten nicht genau, ob Jenson auf einer Zweistopp-Strategie unterwegs sein könnte", gestand der sechsfache Weltmeister nach dem Rennen. "Das hat uns Sorgen bereitet."
Als Button jedoch auf die Strecke zurück kehrte, fand er einen Kollegen vor sich, der den zweiten Rang nicht ohne Weiteres räumen wollte: Fernando Alonso. Runde um Runde lieferten sich die beiden Hoffnungsträger fortan heiße Duelle. Zwängte sich Button vor der Spitzkehre neben den Renault, nutzte der Spanier die bessere Traktion seines Boliden und konterte umgehend – zur allgemeinen Verzückung der Zuschauer, die Rennsport pur geboten bekamen. Erst ein wahrer Hasardeurs-Ritt brachte Button schlussendlich in der engen Linkskurve vor der Mercedes-Tribüne an Alonso vorbei – obwohl er auf den Geraden mit einer Hand seinen nicht optimal verzurrten Sturzhelm stabilisieren musste… Um noch einen Angriff auf den Führenden zu starten, war es zu diesem Zeitpunkt jedoch bereits zu spät. Dennoch feierte Michelin-Partner Button seinen zweiten Rang wie einen Sieg – angesichts seiner 13. Startposition durchaus verständlich.
Den dritten Platz auf dem Siegertreppchen nahm Fernando Alonso ein, dessen weiterer Grand Prix auch nach dem Duell mit Button spannend blieb: "Irgend etwas mit meinem Auto stimmte nicht mehr", so der Asturier, der unter heftigen Druck von David Coulthard geriet. "Ich konnte partout nicht mehr in Kurven einlenken und wollte schon an die Box kommen. Doch das Team riet mir, weiterzufahren. Und ebenso plötzlich, wie das Problem aufgetreten war, ist es dann auch wieder verschwunden..."
Platz fünf sicherte sich Juan Pablo Montoya, dicht gefolgt von einem stark aufgeigenden Mark Webber im Jaguar-Cosworth und Antonio Pizzonia, der sich im zweiten Williams-BMW als Vertretung von Ralf Schumacher zwei WM-Punkte erkämpfen konnte. Takuma Sato sah das Ziel als Achter und holte sich damit den letzten WM-Punkt. Das Werksteam von Toyota hatte noch im Qualifying mit einer zehntschnellsten Zeit von Olivier Panis aufhorchen lassen, das Renndebüt des stark überarbeiteten TF104B endete jedoch mit einem Doppelausfall.
Statistisches
- Großer Großer Preis von Deutschland, Hockenheimring, Hockenheim,
- 12. Lauf zur FIA-Formel 1-Weltmeisterschaft 2004 (25. Juli 2004);
- Renndistanz: 67 Runden à 4,574 km = 306,458 km.
Ergebnis Rennen:
1. | Michael Schumacher | Ferrari | | 1:23.54,848 | 3 Boxenstopps |
2. | Jenson Button | BAR-Honda | M | 8,388 s zurück | 3 Boxenstopps |
3. | Fernando Alonso | Renault | M | 16,351 s zurück | 3 Boxenstopps |
4. | David Coulthard | McLaren-Mercedes | M | 19,231 s zurück | 3 Boxenstopps |
5. | Juan Pablo Montoya | Williams-BMW | M | 23,055 s zurück | 3 Boxenstopps |
6. | Mark Webber | Jaguar-Cosworth | M | 41,108 s zurück | 3 Boxenstopps |
7. | Antonio Pizzonia | Williams-BMW | M | 41,956 s zurück | 3 Boxenstopps |
8. | Takuma Sato | BAR-Honda | M | 46,842 s zurück | 3 Boxenstopps |
9. | Giancarlo Fisichella | Sauber-Petronas | | 1.07,102 min zurück | 3 Boxenstopps |
10. | Christian Klien | Jaguar-Cosworth | M | 1.08,578 min zurück | 3 Boxenstopps |
11. | Jarno Trulli | Renault | M | 1.10,258 min zurück | 2 Boxenstopps |
12. | Rubens Barrichello | Ferrari | | 1.13,252 min zurück | 3 Boxenstopps |
Schnellste Rennrunde: Kimi Räikkönen (McLaren-Mercedes), 1.13,780 min, 10. Runde |
Qualifying-Ergebnis (ohne Strafversetzungen wegen Motorwechsel):
1. | Michael Schumacher | Ferrari | | 1.13,306 min |
2. | Juan Pablo Montoya | Williams-BMW | M | 1.13,668 min |
3. | Jenson Button* | BAR-Honda | M | 1.13,674 min |
4. | Kimi Räikkönen | McLaren-Mercedes | M | 1.13,690 min |
5. | David Coulthard | McLaren-Mercedes | M | 1.13,821 min |
6. | Fernando Alonso | Renault | M | 1.13,874 min |
7. | Jarno Trulli | Renault | M | 1.14,134 min |
8. | Rubens Barrichello | Ferrari | | 1.14,278 min |
9. | Takuma Sato | BAR-Honda | M | 1.14,287 min |
10. | Olivier Panis | Toyota | M | 1.14,368 min |
11. | Antonio Pizzonia | Williams-BMW | M | 1.14,556 min |
12. | Mark Webber | Jaguar-Cosworth | M | 1.14,802 min |
13. | Christian Klien | Jaguar-Cosworth | M | 1.15,011 min |
14. | Giancarlo Fisichella | Sauber-Petronas | | 1.15,395 min |
15. | Cristiano da Matta | Toyota | M | 1.15,454 min |
16. | Felipe Massa | Sauber-Petronas | | 1.15,616 min |
17. | Giorgio Pantano | Jordan-Ford | | 1.16,192 min |
18. | Nick Heidfeld | Jordan-Ford | | 1.16,310 min |
19. | Gianmario Bruni | Minardi-Ford | | 1.18,055 min |
20. | Zsolt Baumgartner | Minardi-Ford | | 1.18,400 min |
(M) = Michelin-Partner. 1) Wegen Motorentausch um zehn Startplätze zurück gestuft. |
WM-Zwischenstand:
| Fahrer | Punkte | | Hersteller | Punkte |
1. | Michael Schumacher | 110 | 1. | Ferrari | 184 |
2. | Rubens Barrichello | 74 | 2. | Renault (M) | 85 |
3. | Jenson Button (M) | 61 | 3. | BAR-Honda (M) | 76 |
4. | Jarno Trulli (M) | 46 | 4. | Williams-BMW (M) | 47 |
5. | Fernando Alonso (M) | 39 | 5. | McLaren-Mercedes (M) | 37 |
6. | Juan Pablo Montoya (M) | 33 | 6. | Sauber-Petronas | 18 |
7. | David Coulthard (M) | 19 | 7. | Toyota (M) | 8 |
8. | Kimi Räikkönen (M) | 18 | 8. | Jaguar-Cosworth (M) | 7 |
9. | Takuma Sato (M) | 15 | 9. | Jordan-Ford | 5 |
10. | Giancarlo Fisichella | 13 | 10. | Minardi-Ford | 1 |
11. | Ralf Schumacher (M) | 12 | | | |
12. | Mark Webber (M) | 7 | | | |
13. | Felipe Massa | 5 | | | |
14. | Olivier Panis (M) | 5 | | | |
15. | Cristiano da Matta (M) | 3 | | | |
16. | Nick Heidfeld | 3 | | | |
17. | Timo Glock | 2 | | | |
18. | Antonio Pizzonia (M) | 2 | | | |
19. | Zsolt Baumgartner | 1 | | | |
(M) = Michelin-Partnerteams |