Wenn sich am 4. Juli der Erfolg der deutschen Fußball-Nationalmannschaft bei der Weltmeisterschaft 1954 in der Schweiz zum fünfzigsten Mal jährt, rückt ein dezent-dunkelgrünes Auto aus der historischen Sammlung der Adam
Opel AG in den Mittelpunkt. Der
Opel Rekord B, Baujahr 1966, war der letzte Wagen des ehemaligen Bundestrainers Sepp Herberger. Das Automobil ist noch rüstig: Zum Jubiläum des "Wunders von Bern" legte es die Strecke vom Herberger-Haus in Weinheim an der Bergstrasse zu den eidgenössischen WM-Stätten klaglos zurück. Die Reise ist im Besucherzentrum
Opel Live in Rüsselsheim dokumentiert, wo der Herberger-Rekord noch bis zum 16. Juli als Teil der Ausstellung "Künstler am Ball" zu sehen ist.
Opel-Fahrer Herberger galt als Mensch, dem der Erfolg nicht zu Kopf gestiegen war. Auch nach dem 3:2-Triumph gegen Ungarn im Berner Wankdorfstadion blieb er "mit beiden Beinen auf dem Boden", wie ihn Freunde und Nachbarn charakterisierten. Die Angebote anderer Hersteller, ein Auto "dauerhaft und gratis" zur Probe zu fahren, schlug er aus, blieb der Marke Opel treu. Den Rekord kaufte er am 8. April 1966 im Opel-Autohaus Sporer in Weinheim-Lützelsachsen, kaum einen Kilometer von seinem Wohnort in Hohensachsen, Sepp-Herberger-Str. 8 entfernt. Er bezahlte ihn bar aus eigener Tasche, ohne jeden Rabatt und Nachlass. 9.564,50 Mark kostete der Rekord B, der mit seinem damals technisch aufwändigen, 66 kW/90 PS starken Reihenvierzylinder und im Zylinderkopf liegender Nockenwelle als fortschrittlichstes Auto im Opel-Angebot galt. Ausgestattet war der rund 1000 Kilogramm schwere Wagen mit Extras wie Vierganggetriebe (serienmäßig gab es nur drei Übersetzungen), einem Heckscheibentrockner (dem Vorgänger der Heckscheibenheizung), Stahlschiebedach, Weißwandreifen und Nebelscheinwerfern. Ein klein wenig Luxus gönnte sich er dann doch, der Fußball-Lehrer von der Bergstraße. Schließlich war er mit dem Auto im Auftrag des DFB zu so mancher Spielerbeobachtung unterwegs.
Auf der Nostalgie-Reise in die Schweiz zeigt sich der Rekord auch nach 38 Jahren von seiner agilen Seite und schafft die angegebene Höchstgeschwindigkeit von 160 km/h locker. Die Federung ist trotz der Starrachse unter dem Wagenheck durchaus komfortabel, die Schaltung funktioniert präzise, nur die Lenkung ist aus heutiger Sicht reichlich ungenau. Dafür verblüfft der geringe Treibstoffkonsum des hinterradgetriebenen Viertürers: Nur rund acht Liter Superbenzin verbraucht er bei moderater Autobahnfahrt auf 100 Kilometer. Bei 45 Liter Tankinhalt waren damals schon anständige Reichweiten möglich, der Rekord straft jene Lügen, die behaupten, alte Autos wären maßlos in Sachen Treibstoffverbrauch.
Die Reise führt von Weinheim nach Rheinfelden zur Schweizer Grenze, mühelos zieht der Rekord die Steigungen der Voralpen hinauf. Spiez heißt das Etappenziel, in der kleinen Stadt am Ufer des Thuner Sees bezogen die deutschen Kicker damals, 1954, ihr Quartier im Hotel Belvédère. Hier hängt noch heute das Mannschaftsfoto der deutschen Elf mit den Unterschriften Herbergers und seiner Spieler als Dekoration in der Eingangshalle. Auf der Baustelle des neuen Wankdorfstadions (das alte wurde 2001 abgerissen) in Bern ist schließlich das Ziel der Reise erreicht. Zwischen Baukränen und Betonelementen entsteht das Zielfoto mit dem Rekord 1900 B. Mühelos hat der betagte Wagen die Fahrt bewältigt, nicht minder munter gelingt ihm tags darauf der Rückweg nach Rüsselsheim in die Hallen der historischen Sammlung von Opel.
Nach dem Tod Sepp Herbergers 1977 stand der Wagen Jahre in der Garage seines Anwesens in Weinheim-Hohensachsen. 1994 kaufte Opel das Auto aus dem Nachlass der inzwischen ebenfalls verstorbenen Witwe Eva Herberger. In der Werkstatt für historische Fahrzeuge renovierten ihn die Oldtimer-Spezialisten sorgsam, setzen die technische Ausstattung in Stand. Der Rekord B ist heute zum raren Stück geworden. Nur elf Monate, in den Jahren 1965 bis 1966 wurde er als Nachfolger des ersten, seit 1963 gebauten Rekord-Modells in einer Auflage von 294.185 Stück produziert.