Die Vorreiter-Rolle ist
Mercedes-Benz im Juli 1974 gewiss: Das Unternehmen stellt den weltweit ersten in der Großserie produzierten Personenwagen mit einem Fünfzylinder-Dieselmotor (OM 617) vor, den Typ 240 D 3.0. In ihm erhält die bewährte Baureihe W 115, landläufig "Strich-Acht" genannt, ein Aggregat mit 3,0 Liter Hubraum, das 80 PS (59 kW) bei 4000/min leistet und dessen Drehmoment 17,5 mkg bei 2400/min beträgt. Damit ist der 240 D 3.0 der spurtstärkste und schnellste Diesel-Pkw der Welt. Er wird von Oktober 1974 bis November 1976 in insgesamt 53.690 Exemplaren gebaut und kostet zunächst 18.815 D-Mark.
Fünfzylinder-Dieselmotoren sind selbst 1974 nichts neues, in Lastwagen und als Stationäraggregate kommen sie zum Einsatz. Doch im Pkw eingesetzt – damit macht Mercedes-Benz Schlagzeilen und reagiert auf die Leistungsgrenze, an denen bisherige Vierzylinder-Dieselmotoren im Pkw angelangt waren; aus dem möglichen Hubraum, begrenzt durch die Platzverhältnisse im Motorraum, lassen sich nicht mehr PS kitzeln. Ein Sechszylinder wäre zu lang, zu schwer und zu teuer (erprobt hat ihn Mercedes-Benz) – fünf Zylinder erscheinen als der beste Kompromiss. Auf Basis der bewährten 2,4-Liter-Maschine entwickeln die Ingenieure den Reihen-Fünfzylinder OM 617.
Das Bewährte des 2,4-Liter-Aggregats wird beibehalten. Der Fünfzylinder erhält allerdings eine neue Bosch-Einspritzpumpe, die durch Ölkanäle an den Ölkreislauf des Motors angeschlossen und deshalb wartungsfrei ist. Ein mechanischer Regler ersetzt den bei den kleineren Diesel-Typen üblichen pneumatischen Regler. Dies kommt dem Fahrkomfort zugute, der 240 D 3.0 mit Handschaltgetriebe zeigt kaum noch Lastwechsel-Reaktionen, und mit Automatikgetriebe wird im Teillastbereich wesentlich weicher geschaltet.
Weil statt der mechanischen Abstellvorrichtung des 2,4-Liter-Motors nun eine pneumatische Einrichtung verwendet wird, kann man das Aggregat nun mit dem Zündschlüssel ausschalten. Auch das Anlassen der Maschine erfolgt beim 240 D 3.0 durch das Umdrehen des Zündschlüssels und nicht, wie bisher, durch Ziehen eines Hebels – eine Weiterentwicklung, die der Bequemlichkeit dient. Heute ist das selbstverständlich bei Diesel-Pkw, damals war es eine absolute Novität: Dreht man den Zündschlüssel in Fahrstellung, wird der Vorglühvorgang eingeleitet und eine Kontrollleuchte im Kombi-Instrument leuchtet auf. Wenn sie nach einiger Zeit erlischt, kann der Motor mit dem Schlüssel normal angelassen werden.
Der neue Motor beschleunigt das Fahrzeug in 19,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h, die Höchstgeschwindigkeit beträgt 148 km/h (Automatik: 20,8 Sekunden, 143 km/h). Damit ist der 240 D 3.0 zum Zeitpunkt seiner Vorstellung der spurtstärkste und schnellste Diesel-Pkw der Welt. "Seine Kultiviertheit und Laufruhe und seine Wirtschaftlichkeit (10,8 Liter Diesel auf 100 Kilometer) werden dem neuesten Mercedes-Diesel einen neuen großen Kundenkreis erschließen", heißt es in der Pressemitteilung. Damit kann man das Auto zu den Wegbereitern des heutigen Diesel-Erfolgs zählen. Wie heißt es fast prophetisch in der Pressemitteilung? "Mit dem 240 D 3.0 ist Dieselfahren noch attraktiver geworden."
Mercedes-Benz verwendet den Fünfzylinder-Diesel auch in anderen Fahrzeugen, beispielsweise in leichten Transportern oder von 1978 an in der S-Klasse 300 SD (Baureihe W 116), die für den Amerika-Export bestimmt ist; dort leistet das mit einem Abgas-Turbolader versehene Aggregat 111 PS (82 kW) bei 4200/min.
Für Furore sorgt der Experimetalwagen C 111-IID: Zur Erprobung des Hochleistungs-Dieselmotors leistet das Aggregat in diesem Sportwagen dank Turboaufladung und Ladeluftkühler 190 PS. Auf der Teststrecke in Nardo/Italien überzeugt der C 111-IID im Juni 1976 mit spektakulären Geschwindigkeiten. Insgesamt 16 Weltrekorde stellen vier Fahrer in 60 Stunden auf, davon gelten 13 für Dieselfahrzeuge und drei für Automobile aller Motorisierungen. Die Durchschnittsgeschwindigkeit der rasanten Versuchsfahrt liegt bei 252 km/h, und Mercedes-Benz beweist, dass auch der Diesel sprinten kann.