Nach dem Großen Preis von Kanada bleibt dem
BMW WilliamsF1 Team keine Verschnaufpause. Mit dem Fallen der Zielflagge begann das Team schon mit den Reisevorbereitungen für den Großen Preis der USA, der bereits am kommenden Sonntag, dem 20. Juni, in Indianapolis stattfindet. Die Teams haben nach dem Doppelpack Monaco-Nürburgring erneut zwei GP binnen acht Tagen zu bewältigen. Der Große Preis der USA ist der neunte WM-Lauf und beschließt die erste Saisonhälfte der FIA Formel-1-Weltmeisterschaft 2004.
In Indianapolis erwartet die Formel 1 ein äußerst schwieriger Parcours. Ein Vollgas-Streckenabschnitt des legendären Ovals, auf dem alljährlich die Indy 500 ausgetragen werden, bildet zusammen mit einem vor vier Jahren eigens für die Formel 1 erbauten kurvenreichen Innenraum ein extrem ungleiches Paar.
Juan Pablo Montoya:
Für mich ist es immer ein großartiges Gefühl, in den USA wieder ein Rennen zu fahren, und ganz besonders auf dem Brickyard. Diese vielen Menschen auf den Tribünen zu sehen, gibt mir immer eine extra Portion Motivation und erinnert mich an meine Zeit in der CART-Serie und meinen Sieg bei den Indy 500 im Jahr 2000. Natürlich verbinde ich auch weniger schöne Erinnerungen mit der Strecke, immerhin habe ich dort im vergangenen Jahr meine Chance auf die Fahrer-WM verloren. Aber so ist der Rennsport eben, ich habe den Ärger längst hinter mir gelassen. Ich freue mich auch darauf, ein paar alte Freunde wieder zu sehen, und ich bin sicher, es werden auch wieder viele kolumbianische Flaggen zu sehen sein. Für mich ist der Grand Prix der USA eine Art Heimrennen. Ich habe eine Weile in den Vereinigten Staaten gelebt und fahre auch jetzt immer wieder sehr gerne nach Miami, wo meine Familie lebt.
Der Kurs selbst ist schnell, sogar noch etwas schneller als Montréal. Das Infield allerdings ist eine sehr langsame Passage. Diese Kombination macht die Abstimmungsarbeit extrem anspruchsvoll und wichtig. Bislang hatte ich keine allzu gute Saison, aber ich hoffe wirklich, dass sich das Blatt im Speedway wendet.
Ralf Schumacher:
Direkt nach dem Rennen in Kanada werde ich in den USA ein paar Tage Ruhe genießen, bevor es dann ab Donnerstag wieder zur Sache geht. Dabei hab? ich irgendwie das Gefühl, dass mich Indianapolis nicht so richtig mag. Ich warte dort noch auf einen großen Erfolg, die vergangenen beiden Jahre waren ziemlich frustrierend. 2002 der Unfall mit meinem Teamkollegen, 2003 der Dreher im Regen praktisch in Führung liegend.
Dabei ist Indy als Hochburg des amerikanischen Rennsports schon etwas Besonderes! Ich mag den Kurs, weil er viel Rhythmus hat ? er ist sehr schnell, und man kann überholen. Dafür sorgt die lange Gerade, und speziell die erste Kurve eingangs der Steilwand ist eine gute Stelle zum Angreifen. Technisch ist die Strecke verdammt anspruchsvoll: Auf besagter Geraden, auf der man über 20 Sekunden lang Vollgas gibt, ist nichts als Power gefragt. Die haben wir, dank BMW. Im extra für die Formel 1 gebauten Infield dagegen braucht man vor allem Abtrieb in den vielen Kurven. Von daher muss man beim Set-up einen schwierigen Kompromiss finden, um diese Gegensätze in den Griff zu kriegen. Aber ich denke, dass wir gut vorbereitet sein werden, vielleicht ist ja auch für mich einmal ein erfolgreiches Abschneiden in Indianapolis drin.
Sam Michael (Technical Director WilliamsF1):
Nach den guten sportlichen Leistungen im Qualifying und im Rennen in Montréal freuen wir uns auf das zweite Rennen unserer Amerika-Tournee. Ähnlich wie der Kurs in Kanada ist auch Indianapolis eine Strecke, auf der mit verhältnismäßig wenig Abtrieb gefahren wird. Allerdings stellt der Steilwand-Abschnitt im Oval andere Ansprüche an die Reifen und Bremsen. Für die Fahrzeugabstimmung gelten dort insgesamt andere Regeln.
Michelin wird uns beim USA Grand Prix mit zwei neuen Reifenvarianten ausstatten. Wir haben sie bereits getestet, und die Ergebnisse waren ermutigend. Sie sollten in Indianapolis gut funktionieren.
Die Rennstrategie wird erneut eine interessante Aufgabe, ich erwarte wieder einen Mix aus Zwei- und Dreistopp-Strategien. Außerdem haben wir für Indianapolis einige mechanische Verbesserungen für unsere Autos vorbereitet.
Mario Theissen (BMW Motorsport Direktor):
Wir freuen uns sehr auf den Einsatz in den USA, dem größten Markt von BMW. Dass die Formel 1 seit dem Jahr 2000 auf der berühmtesten Rennstrecke der Vereinigten Staaten antritt, ist ein großes Plus. Indianapolis ist einfach der Nabel des Motorsports in Nordamerika.
So komplex die Fahrzeugabstimmung für die gegensätzlichen AnForderungen des Formel-1-Kurses in Indianapolis ist, so extrem sind die AnForderungen für den BMW P84 Motor. Nirgendwo fährt die F1 so lange am Stück Bleifuß wie in Indy. Der 1780 Meter lange Oval-Abschnitt wird unter Volllast gefahren, insgesamt über 20 Sekunden lang. Die Fahrer reißen die Gänge hoch und fahren schließlich gut zehn Sekunden lang im siebten Gang. Zum Vergleich: Die zweitlängste Gerade erwartet uns in Monza. Dort bedeuten 1236 Meter 14 Sekunden Volllast am Stück, davon die Hälfte in der höchsten Schaltstufe.
Für den BMW P84 Motor bedeutet die lange Volllastpassage in Indianapolis einen extremen Härtetest mit höchsten thermischen und mechanischen Belastungen. Trotzdem werden wir auch dort im Rennen Qualifying-Drehzahlen und -Leistung fahren. Welchen Top-Speed wir letztlich auf der Geraden erreichen, hängt natürlich maßgeblich von der Aerodynamikabstimmung des Autos ab. Also davon, wie viel Flügel wir zu Gunsten des Anpressdrucks im kurvigen Innenraum in den Wind stellen werden.
Zahlen und Fakten
- Der Indianapolis Motor Speedway wurde 1909 als 2,5-Meilen-Oval gebaut. Sein damaliges Ziegelsteinpflaster erklärt den bis heute gebräuchlichen Spitznamen "Brickyard". 1911 wurde hier erstmals das berühmte 500-Meilen-Rennen ausgetragen.
- Beim 500-Meilen-Rennen wird entgegen dem Uhrzeigersinn gefahren, die Formel 1 fährt im Uhrzeigersinn und nutzt nur einen Teil des Ovals. Für die F1 wurde im Jahr 2000 ein enger, gewundener Streckenabschnitt im Innenraum fertig gestellt. Inklusive der Anbindung an das Oval hat der GP-Kurs so 13 Kurven (vier Links- und neun Rechtskurven).
- Die Gerade, Teil des Ovals, ist die längste im GP-Kalender. Sie misst 1830 Meter, das bedeutet über zehn Sekunden lang Vollgas im siebten Gang.
- Die Formel-1-Rennstrecke von Indianapolis ist 4,192 km lang. Das 73-Runden-Rennen führt über eine Gesamtdistanz von 306,016 km.
- 2004 startet die Formel 1 zum fünften Mal in Folge zum Großen Preis der USA in Indianapolis. Die bisherigen Sieger waren Michael Schumacher (2000, Ferrari), Mika Häkkinen (2001, McLaren-Mercedes), Rubens Barrichello (2002, Ferrari), Michael Schumacher (2003).
- Der erste Grand Prix der USA fand 1959 in Sebring statt und wurde von Bruce McLaren auf Cooper Climax gewonnen. 1960 wechselte die Formel 1 nach Riverside, im Folgejahr dann nach Watkins Glen, wo bis 1980 insgesamt 20 WM-Läufe durchgeführt wurden. Von 1976 bis 1983 trat die F1 zusätzlich acht Mal zum Grand Prix USA-West in Long Beach an. Die Achtziger sahen außerdem zwei F1-Rennen in Las Vegas, eins in Dallas und sieben in Detroit. Von 1989 bis 1991 war Phoenix Austragungsort des GP der USA. Insgesamt starteten Formel-1-Fahrzeuge bisher 47 Mal in den USA.
- WilliamsF1 gewann fünf Mal in den USA: 1980 Alan Jones, Watkins Glen; 1981 Jones, Las Vegas und Long Beach; 1984 Keke Rosberg, Dallas; 1985 Rosberg, Detroit.
- Nelson Piquet siegte 1984 in Detroit mit einem Brabham BMW.
- 2003 qualifizierten sich Montoya und Schumacher in Indianapolis für die Startplätze vier und fünf. Bei schwierigen Wetterbedingungen (zeitweise Regen) kam Montoya als Sechster in Ziel. Er hatte bei einsetzendem Regen eine umstrittene Drive-Through-Penalty wegen einer Kollision mit Barrichello antreten müssen und dadurch den optimalen Zeitpunkt zum Reifenwechsel verpasst. Sein Teamkollege drehte sich in der 22. Runde an zweiter Position mit Trockenreifen fahrend auf nasser Bahn ins Aus.
- Die Rennstrecke von Indianapolis hat für Montoya besondere Bedeutung. Im Jahr 2000 schrieb der Kolumbianer Motorsportgeschichte, als er beim legendären 500-Meilen-Rennen auf Anhieb siegte. Seit 1966 (Graham Hill) hatte niemand mehr diesen Klassiker im ersten Anlauf gewonnen.
- Im Vorjahr war der GP der USA der vorletzte von 16 WM-Läufen. Montoya trat damals noch mit Chancen auf den Fahrertitel an, das BMW WilliamsF1 Team hielt seine Chancen auf den Weltmeistertitel der Konstrukteure knapp offen.
- Den gültigen F1-Rundenrekord stellte Vorjahressieger Michael Schumacher 2003 in 1.11,473 Minuten auf. Die Poleposition hatte 2003 Kimi Räikkönen (McLaren-Mercedes) in 1,11,670 erzielt.
- Das Rennen wird um 12.00 Uhr (19.00 Uhr in Deutschland) am Sonntag, dem 20. Juni 2004, gestartet.
- Indianapolis, die Hauptstadt des US-Bundesstaates Indiana, zählt 860.454 Einwohner. Sie ist die zwölftgrößte Stadt der USA. Indianapolis, eine auf dem Reißbrett geplante Stadt, wurde 1821 gegründet.