Auf der diesjährigen Techno Classica in Essen (22. bis 25. März 2012) feiert
Alfa Romeo gleich 3 runde Jubiläen: Vor 80 Jahren bestritt der legendäre Tipo B "P3", der erste echte Monoposto-Rennwagen der Geschichte, sein erstes Rennen. Vor 50 Jahren erschien die erste Giulia, aus deren weitverzweigten Familienstammbau die Mailänder Traditionsmarke in Essen gleich vier verschiedene Modelle ins Rampenlicht stellt. Dabei reicht der Bogen von ausschließlich für den Renneinsatz konzipierten Zagato-Versionen mit Gitterrohrrahmen über den Breitensportler Giulia TI Super bis zu einer wunderschönen, heute aber fast schon vergessenen Einzelanfertigung aus dem Designstudio Bertone. Abgerundet wird die Tour durch 70 Jahre
Alfa Romeo mit der vor 40 Jahren vorgestellten Alfetta und dem Siegerwagen der DTM-Saison 1993, dem allradgetriebenen Alfa 155 V6 TI. Das Starterfeld von
Alfa Romeo präsentiert sich in chronologischer Reihenfolge wie folgt:
Tipo B "P3" (1932) Nuvolari machte ersten Monoposto unsterblich
Aufgrund seiner einsitzigen Karosserie genoss der Tipo B oder kurz "P3" genannte Grand Prix-Rennwagen einen legendären Ruf. Der von Konstrukteur Vittorio Jano konzipierte erste "Monoposto" der Rennsportgeschichte wurde von einem über zwei Kompressoren aufgeladenen 8-Zylinder angetrieben. Der Hubraum nahm im Laufe der Zeit von 2,6 auf 3,2 Liter zu, analog dazu stieg die Leistung auf bis zu 330 PS. Mit nur 680 kg war der P3 trotz eines Motorblocks aus Gusseisen für seine Zeit sehr leicht. Beim Debüt Mitte 1932 war auch der Deutsche Rudolf Caracciola Teil einer hochkarätigen Werksfahrer-Crew, die mit ihm und Tazio Nuvolari schon im ersten Jahr 6 Rennen gewann, darunter die Grands Prix von Italien, Frankreich und Deutschland.
Ab der 2. Jahreshälfte 1933 fuhren die P3 nach dem vorübergehenden Rückzug des Alfa Werksteams unter der Ägide der Scuderia Ferrari. Das Team gewann noch 6 Rennen darunter die GP von Italien und Spanien. Für 1934 wurde der Motor des P3 auf 2,9 Liter Hubraum erhöht; Louis Chiron siegte beim Frankreich-GP, Guy Moll mit einem stromlinienförmig verkleideten Modell auf der Berliner Avus. 1935 machte sich dann die Überlegenheit der Silberpfeile bemerkbar. Trotzdem gelang Nuvolari ausgerechnet beim GP von Deutschland ein weiterer großer und bis heute unvergessener Sieg: Mit einem auf 3,2 Liter aufgebohrten Motor triumphierte der "Fliegende Mantuaner" in der Eifel gegen die hochfavorisierten Mercedes und Auto Union. Seine Chance kam in der letzten Runde, als am führenden Mercedes von Manfred von Brauchitsch ein Reifen platzte. Die Historiker verbuchten für den Alfa P3 in 4 Jahren 46 Siege er zählt bis heute zu den berühmtesten Rennwagen aller Zeiten.
Giulia TI Super (1963) Tourenwagen für den Breitensport
Ganz im Zeichen des grünen Kleeblatts steht die Giulia TI Super von 1963. Diese in nur 501 Exemplare gebaute Sport-Version der ein Jahr zuvor vorgestellten viertürigen Limousine war bei der italienischen Polizei ebenso beliebt wie bei Privatrennfahrern. Aus dem 1.570 cm3 großen DOHC-Vierzylinder des Giulia Sprint Speziale holten die Ingenieure mit Hilfe von zwei Doppelvergasern 113 PS. Die verhalfen dem nur 930 kg schweren TI Super zu einer Höchstgeschwindigkeit von 190 km/h. Äußerlich war die sportlichste aller "Julchen" an nur zwei Scheinwerfern sowie grünen Kleeblättern (Quadrifoglio Verde) auf den Seiten und dem Kofferraumdeckel zu erkennen.
Giulia TZ1 (1963) der Zagato mit Gitterrohrrahmen und Kammheck
Das für jeden Alfisti magisch wirkende Kürzel TZ steht für Tubolare Zagato. Und damit für ein filigranes Gitterrohrrahmen-Geflecht unter hyperleichter AluMINIum-Hülle sowie ein Design der Carozzeria Zagato. Die von Ercole Spada gezeichnete Hülle des Giulietta SZ-Nachfolgers ist bis heute unnachahmlich: Lang auslaufende, sich nach hinten verjüngende Fahrgastzelle, markante seitliche Scheiben hinter stämmiger B-Säule und ein Kamm-Heck, im italienischen "Coda tranca" genannt. Der leicht seitlich geneigt montierte 1,6-Liter-DOHC-Vierzylinder arbeitete so auch in der "normalen" Giulia. Doch dank vorzüglicher Aerodynamik, Doppelzündung aus dem Alfa GTA, 160 PS und nur 660 Kilo Gewicht lief ein TZ auf den Geraden bis zu 220 km/h.
Erstmals vorgestellt wurde der zackige Zagato 1962 auf dem Turiner Salon. Im Motorsport debütierte er 1963 beim FISA Monza Cup, wo er die ersten 4 Plätze in der Prototypen-Klasse belegte. Für 1964 erhielt Alfa Romeo nach dem Bau von 100 Exemplaren die Homologation für die GT-Klasse. Es folgten Klassensiege bei der Tour de France, in Sebring, bei der Targa Florio, den 24 Stunden von Spa und auf dem Nürburgring. Bei der Targa 1964 belegten zwei Giulia TZ1 den 3. und 4. Platz im Gesamtklassement. Der TZ markierte zugleich die Anfänge der im März 1963 unter Leitung von Carlo Chiti gegründeten Motorsportabteilung Autodelta.
Giulia Sprint Speciale (1965) die schöne Unbekannte
Ein heute weitgehend unbekannter Prototyp aus dem Designstudio von Bertone in Turin ist das überraschendste Exponat auf dem Alfa Romeo-Stand der Techno Classica. Das mit dem gleichen Motor wie die Giulia TI Super bestückte Coupé betört durch einen großzügig verglasten Heckaufbau und nimmt bereits Stilelemente des ebenfalls bei Bertone gezeichneten Montreal vorweg. Darunter in den Türen integrierte Fensterrahmen. Aber es tauchen auch die klassischen Doppelscheinwerfer der Giulia auf.
Giulia TZ2 (1965) Rennrakete entstand nur 12 Mal
Noch geduckter, noch breiter, noch aggressiver. Der aus dem TZ1 entwickelte TZ2 entstand nur zwölf Mal und wog dank einer Karosserie aus Fiberglas lediglich 620 kg. Die bei Autodelta als lupenreines Rennmodell konzipierte Rennrakete brachte es mit Doppelzündung und Trockensumpfschmierung auf über 170 PS. Dank einer weiter verbesserten Aerodynamik stieg die Höchstgeschwindigkeit auf 245 km/h. Größte optische Unterschiede zum TZ1 waren das nun ein- statt dreiteilige Rückfenster und eine von noch mehr Kühlluftöffnungen durchbrochene Front. Der TZ2 feierte 1964 in Turin Premiere, 1966 fuhr ein solcher Gitterrohrrahmen-Renner bei der Targa Florio auf Platz 4 im Gesamtklassement.
Giulia Coupé 1750 GT Am (1970) der breitbackigste GTA aller Zeiten
Breite Backen aus Polyester, vier Rundscheinwerfer, hochgehobenes, weil entlastetes kurveninneres "Beinchen" das sind Assoziationen, die bei der Erinnerung an die technologische Speersitze der Alfa GTA-Reihe aufkommen. Die Bezeichnung GT Am (m für "maggiorata") weist auf den von 1,75 auf 2,0 Liter aufgebohrten Motor hin, ist andererseits aber auch eine Hommage an Amerika, weil Alfa Romeo die mit Benzineinspritzung ausgerüstete US-Version 1750 GTV als Homologationsmodell nutzte.
Der GT Am gilt als breitbackigster GTA aller Zeiten und wurde rund 40 Mal gebaut. Gefüttert von einer mechanischen Spica- oder auch Lucas-Einspritzung mobilisierte sein 2,0-Liter-Motor zu Beginn bis zu 220 PS bei 7.200/min. Im Gegensatz zum Vorgänger bestand die Karosserie aus Stahlblech so konnten auch aus Kunststoff gefertigte Seiten- und Heckscheiben eine Gewichtszunahme um 150 auf 900 kg nicht vereiteln. Das hinderte Autodelta aber nicht, mit dem GT Am phantastische Ergebnisse einzufahren: 1970 den Gewinn der Tourenwagen-EM durch den Holländer Toine Hezemans und 1971 den 1. Platz bei den Konstrukteuren. Top-Piloten wie Hezemans, Andrea de Adamich, Carlo Facetti oder Nino Vaccarella holten das Maximum aus dem Auto heraus und gefährdeten sogar 3,0 Liter große BMW CSL oder Ford Capri sowie 5,0 Liter große Chevrolet. Bei den 24 Stunden von Spa 1970 kamen drei Alfa Romeo GT Am hinter einem 3,0 Liter großen Alpina-BMW auf den Plätzen 2, 3 und 4 ins Ziel. Zum Schluss leisteten die GT Am bis zu 240 PS bei 7.500/min und liefen 230 km/h schnell. Es war eine goldene Epoche des Alfa Romeo-Motorsports.
Alfetta (1972) Limousine mit legendärem Namen
Die 1972 als gehobene Mittelklasse-Limousine vorgestellte Alfetta verdankt ihren Namen ("der kleine Alfa") dem gleichnamigen Formel-1-Renner, mit dem Luigi Fagioli und Juan-Manuel Fangio 1950 und 1951 die F-1-Weltmeisterschaft nach Mailand holten. Grund für die Namensgleichheit: die in beiden Fällen angewandte Transaxle-Bauweise mit vor der Hinterachse am Differential montierten Getriebe samt Kupplung. Ein aus dem Rennwagenbau entlehntes Layout, das Alfa Romeo eine 50:50-Gewichtsverteilung und mehr Traktion auf den (hinteren) Antriebsrädern einbrachte. Das Handling profitierte auch von innen angelenkten Scheibenbremsen und damit reduzierten ungefederten Massen.
Die oberhalb der Giulia positionierte Alfetta bestach durch ihr betont schnörkelloses Design. Die verjüngende Front verschaffte der Limousine Dynamik, ein klarer Schnitt in der C-Säule trennte die sauber gezeichnete Karosserie vom nicht minder aufgeräumt wirkenden Dach. Neben dem 122 PS starken 1750er-Motor bot Alfa Romeo die Alfetta ab 1977 mit einer 2,0-Liter-Maschine und maximal 130 PS an. Anfang 1974 erschien ein Einstiegsmodell mit dem 108 PS starken 1,6-Liter-Motor aus der Giulia-Reihe, 1979 folgte erstmals auch ein Diesel.
Bis zu einem Facelift 1977 blieb das Modell zugleich für lange Zeit der letzte Alfa, bei dem die Front als Tryptichon ausgebildet wurde. Erst beim Alfa 164 griffen die Designer die Dreifaltigkeit aus Alfa-Schild (Scudetto) und flankierenden "Baffi" (Schnurrbärtchen) wieder auf.
Alfa 155 2.5 V6 TI (1993) Mit 4x4-Power in die Höhle des Löwen
1993 wagte sich Alfa Romeo in die Höhle des Löwen die DTM (Deutsche Tourenwagen-Meisterschaft). Das Kampfgerät auf Basis des Alfa 155 hatte auf Anhieb alle Gene eines Siegertyps. Der komplett aus Leichtmetall gefertigte und nur 110 kg schwere 60-Grad-V6-Motor erhielt eine Wachstumsspritze auf 2.498 cm3. Auf den Asphalt gelangten 420 PS bei 11.800/min, ein damals noch erlaubter Allradantrieb schickte 33% des Drehmoments auf die Vorder- und 67% auf die Hinterachse. Der 1.050 kg schwere DTM-Renner mit den vier nach oben gebogenen Auspuffendstücken profitierte von einer ausgeglichenen Gewichtsverteilung; im Laufe der ersten Saison zusätzlich von einem sequentiellen Schaltgetriebe und einer zweiten Einspritzdüse pro Zylinder.
Mit diesem Siegertyp gewann Nicola Larini die Hälfte aller DTM-Läufe und holte sich vor Mercedes-Pilot Roland Asch souverän den Fahrertitel; Alfa Corse tat es ihm in der Teamwertung gleich. Für 1994 erleichterten die Techniker den Motor nochmals, bauten ihn noch tiefer ein und spendierten eine pneumatische Ventilsteuerung. Zugleich setzten sie die Karosserie 60 mm tiefer und verbesserten die Aerodynamik. Ein ABS, aktive Aufhängungen und ein Airbag kamen ebenfalls hinzu. Trotzdem reichte es für Larini nur zu Platz 3, dafür holte Alfa Corse die Teamwertung.
Für die DTM-Nachfolgeserie ITC mauserte sich der Alfa 155 als Folge eines extrem liberalen, aber umso kostspieligeren Reglements zum Hightech-Renner. Gravierendste Modifikation: Ein neuer 2,5-Liter-V6 mit 90 Grad Bankwinkel und 490 PS bei 12.000 U/min eingesetzt in der zweiten Saisonhälfte 1996. Der Aufwand war groß und wurde 1995 und 1996 mit jeweils 2. Plätzen in der Markenwertung honoriert.