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Info Johnson Controls: 5.500 Airbag-Tests pro Jahr

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Johnson Controls: 5.500 Airbag-Tests pro Jahr

Serienbegleitender statischer Airbag-StandversuchInstrumententafeln und Sitze sind sicherheitsrelevante Komponenten im Fahrzeuginnenraum. Denn sie beherbergen unter anderem Airbags, die sich in wenigen Millisekunden mit einer Geschwindigkeit von mehr als 300 km/h entfalten und dabei Kunststoffe, Stoffe und Schäume durchstoßen. Johnson Controls Automotive Experience, ein weltweit führender Entwickler und Produzent von automobilen Interieurlösungen und Elektronikkomponenten, trägt diesem Umstand schon seit 1995 Rechnung. Damals nahm das Unternehmen in Grefrath am Niederrhein das erste Airbag-Test-Center in der Europäischen Union in Betrieb. Heute führt das Unternehmen in drei europäischen Test-Centern pro Jahr etwa 5.500 Airbag-Tests durch. Sie dienen der Qualitätssicherung der laufenden Produktion von Instrumententafeln und Sitzen und sind in die Entwicklung kommender Serienkomponenten eingebunden.

"Bei den Tests zur Entwicklung neuer Serienkomponenten überprüfen wir eng verzahnt mit unserer Entwicklungsabteilung, ob die Front- und Knieairbags in der Instrumententafel oder die Seitenairbags in den Sitzlehnen, den Tür- oder Seitenverkleidungen sich unter allen denkbaren Bedingungen optimal entfalten", erklärt Jürgen Neumann den Sinn dieser Tests. Neumann ist Engineering Manager Material & Airbag Testing bei Johnson Controls Automotive Experience in Burscheid, wo pro Jahr rund 2.000 dieser Tests durchgeführt werden. Er und sein Team nehmen die Arbeit auf, lange bevor der Fahrzeughersteller Entwicklungsdetails nennen oder gar Prototypen des Autos liefern kann, das in etwa 3 Jahren auf den Markt kommen wird. In vielen kleinen Schritten nähern sich die getesteten Cockpits und Sitze mehr und mehr den Produkten an, die Johnson Controls später in hoher Stückzahl an die Fertigungsbänder seines Kunden liefert.

Am Anfang stehen Airbag-Tests mit einer halben Instrumententafel

Die Airbag-Tests von Instrumententafeln für ein künftiges Auto beginnen für das Team von Jürgen Neumann in der Vor-Prototypen-Phase. "Die Abmessungen der Fahrgastzelle und des Vorderwagens sind annäherungsweise bekannt. Daraus ergeben sich ungefähr die Größe der Instrumententafel und die Einbauposition des Beifahrerairbags. Der stammt, wie die anderen Airbag-Module auch, von Zulieferern", erklärt Jürgen Neumann. Da der Fahrerairbag im Lenkrad untergebracht ist, ist die Fahrerseite der Instrumententafel in diesem Stadium nicht von Interesse. Sie wird erst später in die Testreihen aufgenommen, um zum Beispiel die Funktion eines Fahrerknieairbags zu optimieren.

Layoutzeichnungen und Computersimulationen zur Bestimmung des benötigten Bauraumes und der erForderlichen Stabilität sind der erste Schritt der Entwicklungsarbeit. Gestalterische Vorgaben der Designabteilung und Prüfverfahren wie etwa der Kopfaufschlagtest werden hierbei bereits berücksichtigt. Begleitend laufen Tests auf einem Airbag-Modul-Prüfstand, wo ermittelt wird, welche Kräfte beim Auslösen des Beifahrerairbags auf die Instrumententafel wirken werden.

Soweit es sich um eine komplette Cockpit-Neuentwicklung handelt, erstellen die Airbag-Tester mit eigenen Werkzeugen einen relativ simplen Spritzguss-Prototyp dieses Cockpit-Segmentes. In ersten Grundsatzversuchen wird nun überprüft, ob das gewählte Layout prinzipiell funktioniert. Hierbei laufen während der Airbag-Zündung Hochgeschwindigkeitskameras, die bis zu 5.000 Aufnahmen pro Sekunde machen. Durch Auswerten der Bilder erkennen die Fachleute, ob sich der Airbag ungehindert öffnet oder ob ihn Teile der Instrumententafel daran hindern, weil die Sollbruchstellen der Instrumententafel oberhalb des Airbags vielleicht nicht optimal definiert sind, oder ob Materialien anders dimensioniert werden müssen.

Untermauert werden diese Tests durch Computersimulationen in der Entwicklungsabteilung. In stetem Austauschen zwischen diesen beiden Abteilungen bei Johnson Controls Automotive Experience, dem Airbag-Modul-Hersteller und natürlich dem auftraggebenden Automobilproduzenten nähern sich die getesteten Cockpit-Segmente durch vielfache Modifikationen auch vermeintlich unbedeutender Details dem späteren Prototypen bis zum Design-Freeze immer näher an. Nach diesem Zeitpunkt, wo die Ingenieure von Johnson Controls und des Automobilherstellers die endgültige Gestaltung der Instrumententafel fixiert haben, werden die Werkzeuge und Maschinen hergestellt, die in der späteren Serienfertigung eingesetzt werden. Mit den seriennahen Cockpits, die auf den für diese Serie gefertigten Maschinen hergestellt wurden, beginnt nun für das Airbag-Test-Team die Produktvalidierungsphase.

Allen Leichtbau-Bestrebungen zum Trotz muss ein Sitz stabil sein

Die Vordersitze mitsamt den Seitenairbags rücken nicht so früh ins Blickfeld von Jürgen Neumann wie die Instrumententafeln. Der Prototypenbau beginnt, wenn Entwickler und Designer erste Musterlehnen des kommenden Sitzes fertig gestellt haben. Nun gilt es zu überprüfen, ob die Sitzkonstruktion und das vom Automobilhersteller gewählte Airbag-Modul miteinander harmonieren. Das Sitzgestell und die Aufnahmen des Airbag-Moduls müssen trotz aller Leichtbau-Bestrebungen so stabil sein, dass sich der Airbag unter dem Rückstoß der Zündung nicht aus der optimalen Position schiebt. Zudem muss definiert werden, wo die Risskanten im Bezugsstoff und im darunter liegenden Schaum verlaufen müssen, damit der Seitenairbag sich optimal entfalten kann.

Dass der Trend mehr und mehr weggeht vom so genannten Airbag-Hardcover – einer über dem Airbag-Modul eingesetzten Kunststoffabdeckung – zum Softcover, macht die Entwicklung der Sitzlehnen noch anspruchsvoller. "Bei Hardcovern ist das Risiko, dass der Airbag an vorstehenden Schaumteilen hängen bleibt und sich nicht wie gewünscht entfaltet, erheblich geringer als beim Softcover. Denn durch die präzise Öffnung im Hardcover wird der Luftsack direkt zur Aufreißlinie des Bezugs gelenkt", erläutert Jürgen Neumann. Beim heute aus Designgründen verbreiteten Softcover schützt den gefalteten Luftsack ein Verschluss aus Papier oder Vliesmaterial. Die darüber liegenden Bezugsstoffe müssen so gewoben und verarbeitet sein, dass sie beim Öffnen des Airbags an definierten Aufreißlinien reißen.

Wie bei der Instrumententafel müssen also auch beim Sitz viele verschiedene Materialien perfekt miteinander harmonieren. Diese Abläufe werden sowohl durch Simulationen am Rechner als auch durch die Auswertung der realen Airbag-Tests so lange optimiert, bis das bestmögliche Ergebnis erreicht ist. "Dazu gehört auch, dass immer wieder Komponenten verbessert werden, sei es die Materialauswahl oder die Materialstärke eines Bauteiles, die Form des Sitzgestells, der Zündgenerator, die Faltung oder das textile Material des Airbags selbst", nennt Jürgen Neumann typische Optimierungsschritte.

Funktionstests bei Temperaturen von 35 Grad unter bis 106 Grad über null

Airbags müssen überall auf der Welt perfekt funktionieren. In Sibirien ebenso wie in der Wüste. Alle Automobilhersteller verlangen daher Airbag-Tests sowohl bei tiefen Minusgraden als auch bei so großer Hitze, wie sie sonst nur in der Sauna anzutreffen ist. "Wir prüfen daher die Funktionssicherheit der Airbags und der Instrumententafel oder des Sitzes mit jeweils mindestens 30 Baumustern bei minus 35 Grad Celsius und bei 106 Grad plus", zeigt Jürgen Neumann das Temperaturspektrum auf. Dazu wird die Instrumententafel in einen Vorderwagen-Dummy montiert, der dann für mehrere Stunden in die Klimakammer von Johnson Controls in Burscheid kommt. Dort wird er auf die gewünschte Temperatur gebracht. Zu Anfang der Entwicklung sind diese Vorderwagen-Modelle noch nicht sehr seriennah, doch Zug um Zug nehmen sie ihre endgültige Gestalt an.

Skurril anmutendes Detail am Rande: Die Instrumententafel wird mit all jenen Zusatzteilen bestückt, die später auch im Serienfahrzeug anzutreffen sind: Radio, Handschuhfachdeckel, Bedienelemente, Lüftungsdüsen samt Zierrahmen und vieles mehr sind exakt an ihrem Platz, die Windschutzscheibe ebenfalls. Jürgen Neumanns Begründung für diese Detailliebe leuchtet ein: "All diese Elemente sind ja auch später im Auto vorhanden und sie haben Einfluss auf die Stabilität der Instrumententafel. Also müssen sie montiert sein, um realitätsnahe Ergebnisse zu bekommen. Die Windschutzscheibe wiederum ist wichtig, weil sich der Beifahrerairbag an ihr abstützt. Nur so kommt er präzise in die errechnete Schutzposition."

Bei der Erprobung der Seitenairbags konzentriert sich das Airbag-Test-Team auf die Sitzlehnen. Sie werden, mit Schnellspannverschlüssen versehen, auf die erForderliche Testtemperatur gebracht und dann mit einer Unterkonstruktion verbunden, so dass sie wie später im Fahrzeug positioniert sind. Anhand der Kamerabilder überprüfen die Experten nach dem Testlauf, ob sich der Airbag so schnell öffnet wie berechnet, ob er dabei die gewünschte Form annimmt und ob er beim Öffnen keine Partikel aus dem Sitz mitreißt, die die Fahrzeuginsassen verletzen könnten. Dass der Sitz selbst den bei einem Crash entstehenden Kräften standhält – das stellen Tests mit einem Crashtestschlitten sicher, die Johnson Controls ebenfalls in Burscheid durchführt.

Es gibt gute Gründe, warum Instrumententafeln und Sitzlehnen bei so extremen Temperaturen getestet werden: Bei tiefen Minusgraden hat der Zündsatz des Airbags weniger Energie und baut den Druck ein wenig langsamer auf. Der Kunststoff der Instrumententafel dagegen, in dem Sollbruchstellen die Austrittsöffnung des Airbags definieren, ist spröde und kann schnell brechen. Schlechtestenfalls führen diese Umstände dazu, dass der Airbag Teile der Instrumententafel mit sich reißt. Bei großer Hitze wiederum entfaltet sich der Airbag mit mehr Nachdruck, das im Cockpit verarbeitete Material hingegen ist weich und in gewissen Grenzen dehnbar. So könnte der aggressiv sich öffnende Airbag kleine Teile eines hinter der Airbag-Klappe liegenden Gittergewebes, Blech der Airbag-Aufnahme oder Teile von Scharnieren mit sich reißen.

Denn die Zündung eines Airbags ist ein hochdramatischer Akt: "Innerhalb von nur 30 bis 50 Millisekunden entfaltet sich das kleine Päckchen zu einem 120 Liter fassenden Beifahrerairbag. Dabei wirkt der in der Instrumententafel verschraubte Airbag mit der Gewalt von 1.000 Kilogramm auf das Cockpit, dessen Unterkonstruktion und den Fahrzeugvorbau", nennt Jürgen Neumann einige Zahlen. Ähnliches gilt für die Seitenairbags: Auch hier muss sichergestellt sein, dass sich der Luftsack, egal bei welcher Temperatur, ungehindert entfalten kann und alle umliegenden Bauteile und Materialien sich genau so verhalten, wie es berechnet wurde.

Daten der Testläufe werden archiviert bis 20 Jahre nach Bau-Stopp

Diese entwicklungsbegleitenden Tests enden, wenn das neue Fahrzeug mit Cockpit und Sitzen von Johnson Controls in Serie geht. Dann werden diese Tests abgelöst von Stichproben-Tests mit Komponenten aus der laufenden Produktion. "Bis diese Sitze und Instrumententafeln nicht mehr hergestellt werden, prüfen wir in genau festgelegten Zyklen immer wieder zufällig ausgewählte Serienteile auf einwandfreie Funktion. Schließlich wollen wir sicherstellen, dass das in der Entwicklung erreichte Niveau so lange gehalten wird, wie die Produktion läuft", erklärt Jürgen Neumann den hohen Testaufwand. Die Daten dieser Stichprobentests werden nach Ende der Serienfertigung noch bis zu 20 Jahre elektronisch archiviert, so dass alle Produktstadien transparent dokumentiert sind.


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