Ein ewig junger
Alfa Romeo wird 50: der Giulietta Sprint. Das erfolgreichste
Alfa Romeo Coupé der 50er Jahre und seine nicht minder populären Derivate – Giulietta Berlina und Spider – schrieben Automobilgeschichte und führten die Mailänder Avantgardemarke in neue Absatzregionen. Mehr als 28.000 Kunden, unter ihnen Größen, wie Sofia Loren und Gina Lollobrigida, entschieden sich für das Coupé. Ein in jenen Tagen außergewöhnlicher Markterfolg, zu denen sich über 131.000 Guilietta Berlina und 17.000 Giulietta Spider addierten. Nahezu einzigartig in der automobilen Welt: Die Tradition dieser drei Modelle findet bis in die Gegenwart hinein ihre nahtlose Fortsetzung: Aus dem Giulietta Sprint avancierte der aktuelle Alfa GT, dem Giulietta Berlina steht heute der Alfa 156 gegenüber und der Giulietta Spider findet sein Pendant der Neuzeit im kraftvollen Alfa Spider.
1954 – das Debütjahr des Giulietta Sprint
Rückblick auf das Jahr 1954: Stars wie Audrey Hepburn alias Sabrina, Marlon Brando als Der Wilde und Anthony Quinn in Fellinis La Strada füllten die Kinos. Bill Haley (Rock Around the Clock) und Elvis Presley (That’s Allright Mama) katapultieren die Menschheit in ein neues Musikzeitalter. Deutschland atmete durch das Fußballwunder von Bern endlich wieder Selbstbewusstsein. J.R.R. Tolkien entfesselte mit seiner Trilogie Der Herr der Ringe das erste generationsübergreifende Fantasy-Erlebnis. Und Alfa Romeo präsentierte am 19. April des Jahres auf dem Turiner Salon einen Prototypen des Giulietta Sprint.
Der Giulietta Sprint im Detail
Die Medien feierten den in Turin gezeigten Giulietta Sprint als automobilen Traum in Capri ****blau. Unter der Motorhaube des knapp vier Meter langen und 1,32 Meter hohen Hecktrieblers wartete ein 1.290 cm3 großer Leichtmetall-Vierzylinder mit zwei obenliegenden Nockenwellen darauf, seine 65 PS (bei 6.500/min) zu entfalten. Werte, die heute ein Schmunzeln entlocken, vor 50 Jahren aber für 165 km/h Höchstgeschwindigkeit gut waren und damit den Wettbewerb weit hinter sich ließen.
Obwohl der Giulietta Sprint deutlich günstiger angeboten wurde als alle Alfa Romeo Sportwagen zuvor, war auch er kein Fahrzeug für die breite Masse (Preis in Deutschland 1957: umgerechnet 8.104 Euro). Dennoch gingen bereits während des Turiner Salons 700 Bestellungen ein. Ein Trend, der sich fortsetzen sollte und schnell die ursprünglichen Kapazitätsgrenzen für die bei Bertone hergestellten Karosserien sprengte. Verschiedene Karosseriebauer der Region sprangen ein, um die Haut des Alfa Romeo in Handarbeit zu fertigen, bis 1960 ein neues Bertone-Werk dem anhaltenden Zuspruch der Kunden vollends gerecht werden konnte.
Wegweisend und faszinierend war nicht nur die Technik des Coupés (u.a. rundum Einzelradaufhängung, AluMINIum-Schaltgetriebe), sondern ebenso das Design. Nuccio Bertone und Franco Scaglione hatten einen 2+2-Sitzer geschaffen, der die Dynamik und Eleganz der großen Alfa Romeo Coupés in eine neue, kompaktere Klasse transferierte. Über einen Radstand von 2,38 Metern spannte sich eine zeitlos elegante Karosserielinie; vorne doMINIerten den Giulietta Sprint der typisch V-förmige Chromgrill und seitlich zwei weitere, ebenfalls chromeingefasste Lufteinlässe. Stilelemente, die unverwechselbar waren und in ähnlicher Form noch heute das Design eines jeden Alfa Romeo prägen.
Der Giulietta Berlina und Giulietta Spider
Im April 1955, erneut auf dem Turiner Salon, wurde der Giulietta Berlina präsentiert. Die 4,0-Meter-Limousine teilte sich ihre Bodengruppe mit dem Sprint und distanzierte die Konkurrenz mit einer bis dato unerreichten Fahrwerksdynamik. Bereits im Herbst des selben Jahres reichte Alfa Romeo als Weltpremiere im Rahmen der IAA (Internationale Automobil Ausstellung / Frankfurt) den von Gian Battista Farina gezeichneten Giulietta Spider nach. Mit diesem Dreigestirn aus Sprint, Berlina und Spider demonstrierten die Mailänder als einer der weltweit ersten Hersteller eindrucksvoll, wie innovativ, varianten- und erfolgreich eine einzige Baureihe aufgestellt werden konnte. Das Beispiel sollte Schule machen.
Der Giulietta Sprint Veloce
Zwei Jahre nach dem Debüt des ersten Giulietta Sprint folgte die nächste Evolutionsstufe der Baureihe: der Giulietta Sprint Veloce, eine Homologationsserie zur Teilnahme an der Mille Miglia 1956. Die Hauben, Türen und Stoßfänger bestanden aus Leichtmetall; in Allianz mit weiteren gewichtsreduzierenden Maßnahmen ging der Veloce mit nur 780 Kilogramm (minus 72 Kilo) an den Start. Seine 80 PS garantierten 170 km/h Höchstgeschwindigkeit und damit reichlich Abstand zum Wettbewerb. Selbsterklärend ist die Tatsache, dass Alfa Romeo kurz nach dem Sprint auch einen Giulietta Spider Veloce einführte, der allerdings – da nicht für den Einsatz im Motorsport konzipiert – ohne Leichtbauteile auskam.
Die zweite Serie ab 1959
Am 24. Juni 1959 präsentierte Alfa Romeo in Monza die aktualisierte, zweite Generation des Giulietta Sprint. Das auf der Rennstrecke vorgestellte neue Modell war von keinem Geringeren als Giorgetto Giugiaro, der damals noch für Bertone in Lohn und Brot stand, dezent optimiert worden. Die Leistung der Serienversion stiegt auf Veloce-Niveau (80 PS), die Spitzengeschwindigkeit ebenfalls. Deshalb folgte nahezu parallel auch die zweite Serie des Veloce; der war nun 96 PS stark und 175 km/h schnell. Gegen Aufpreis stand für den Giulietta Sprint Veloce jetzt auch ein Fünfganggetriebe zur Verfügung, das erstmals 1957 für die aerodynamisch optimierte, 100 PS starke und über 180 km/h schnelle Sonderversion Giulietta Sprint Speziale eingesetzt wurde.
Aus Giulietta wird Giulia
Wie dieser Speziale (später 112 PS stark), debütierten über die Bauzeit des Giulietta Sprint weitere sportliche Sonderversionen, wie etwa der ebenfalls 100 PS starke Giulietta SZ, der gemeinsam mit Zagato konzipiert und dort auch gebaut wurde. Im Juni 1962 taufte das Unternehmen den Giulietta Sprint und Spider in Giulia um. Hintergrund: Die neue Giulia Limousine hatte inzwischen den viertürigen Giulietta abgelöst und damit eine modifizierte Nomenklatur für die Mittelklasse-Modelle eingeführt. Kraftvoller Nebeneffekt: Sprint und Spider erhielten parallel den neuen 92-PS-Motor des Giulia.
1300 Sprint – die letzte Serie
Ein Jahr später folgt der gänzlich neue Giulia Sprint. Und doch war der "Alte" aufgrund anhaltender Beliebtheit weiterhin im Programm. Zwei Autos, ein Name? Ging nicht. Der nun – als Abschiedserie – wieder vom 1.290 cm3 großen 80-PS-Motor angetriebene "Giulietta Sprint" erhielt deshalb die Bezeichnung 1300 Sprint. Allein zwischen 1964 und 1965 wurden von ihm weitere 1.800 Exemplare ausgeliefert. Dann war endgültig Schluss, denn Alfa Romeo preschte mit dem extrem erfolgreich angenommenen Giulia (mehr als 224.000 gebaute Exemplare) auf und davon in Richtung Zukunft.
Geburtstagsfeiern in Mailand und Monza
Doch das Styling des einzigartigen Giulietta Sprint prägt die Marke Alfa Romeo bis heute. Nicht zuletzt deshalb feiert die nunmehr seit 94 Jahren bestehende Mailänder Avantgardemarke vom 15. Mai bis zum 20. Juni mit einem umfangreichen Geburtstagsprogramm den Stammvater aller modernen GT-Modelle. Darunter zwei internationale Giulietta-Treffen (rund 70 Prozent aller jemals gebauten Giulietta Sprint erfreuen sich auch 2004 bester Kondition) sowie die Ausstellung Der Giulietta und seine Zeit (jeweils in Mailand), ein historisches Rennen (in Monza) und ein Open-Air-Konzert der Mailänder Scala.