Zunächst Montage- und Produktionsstandort des italienischen Automobilkonzerns
Fiat, später Sitz der deutschen Tochtergesellschaft
Fiat Automobil AG: Seit 75 Jahren spielt die württembergische Industrie- und Dienstleistungsstadt Heilbronn eine wesentliche Rolle bei den Aktivitäten der
Fiat-Gruppe auf dem deutschen Markt. Erstmals 1929 wurden im Industriegebiet der Neckarstadt Fahrzeuge unter der
Fiat-Flagge produziert, 1973 liefen die letzten Modelle vom Band. Exakt 412.085 Fahrzeuge wurden in diesem Zeitraum hergestellt. Seit 1947 ist Heilbronn rechtlicher Sitz des Unternehmens, von hier aus wurden über Jahrzehnte wesentliche Schritte auf dem deutschen Markt mit der Entwicklung zu einer der erfolgreichsten Importmarken geplant und vollzogen.
Ende 1999 verkaufte die Fiat Automobil AG das rund 139.000 Quadratmeter große Areal an der Salzstraße an die Mosolf-Gruppe, die zur weiteren Nutzung und Veräußerung der Flächen eine Tochtergesellschaft SMAP gründete. Genutzt werden von Fiat inklusive der Freiflächen heute noch rund 86.000 Quadratmeter, überwiegend für die Abteilungen Ausbildungscenter, EDV und After Sales der Fiat Automobil AG sowie deren Dienstleister MS-Versand, CARMAGO (Fuhrpark) und OGS Objekt- und Gebäudeservice. Aus dem restlichen Areal entwickelte sich ein hochmoderner Gewerbepark, auf dem sich bislang ein Großmarkt Selgros, der Fachgroßhandel für Haustechnik Pfeiffer und May sowie Autoteile Unger als neue Unternehmen angesiedelt haben. Mit der Mosolf Motoren Technik MMT arbeitet eine Tochterfirma des Investors auf dem Areal, die durch die Übernahme der Motorenaustauschwerkstatt von Fiat entstanden ist.
Die Zeit zwischen den Weltkriegen
Kräftige wirtschaftliche Turbulenzen der NSU Vereinigte Fahrzeugwerke AG, ausgelöst durch deren Berliner Tochterunternehmen Schapiro, zwangen die Generalversammlung des Unternehmens 1928 zur Zustimmung einschneidender Maßnahmen: Neben einem Kapitalschnitt und der Ausgabe neuer Aktien – die zum Teil vom Turiner Fiat Konzern übernommen wurden – ging das Heilbronner NSU-Werk auf Fiat und die Dresdner Bank über. Der 5. Januar 1929 ist in der Heilbronner Chronik als der Tag festgehalten, an dem das erst ein Jahr zuvor errichtete Heilbronner Werk der Neckarsulmer Fahrzeugfabrik unter der Führung der Fiatwerke in eine selbständige Aktiengesellschaft mit der Bezeichnung NSU Automobil AG (1959 umfirmiert in Neckar Automobil AG) umgewandelt wurde. Das Aktienkapital betrug zwei Millionen Reichsmark, das Werk sollte künftig als Montagestation der deutschen Fiat Produktion dienen. Für den durch die Krise geschüttelten Automobilstandort Heilbronn bedeutete dies die Sicherung zahlreicher Arbeitsplätze, für das Turiner Unternehmen den Einstieg als Produzent auf dem deutschen Markt. Doch gingen nicht alle Erwartungen in Erfüllung, da die Wirtschaftskrise der frühen Dreißiger Jahre weniger Absatz und daraus resultierend Kurzarbeit und Entlassungen brachten.
In den Archiven weiter vermerkt ist, dass Fiat in Heilbronn von NSU etwa vier- bis fünftausend Chassis abnehmen werde. NSU-Modelle wurden dadurch nicht mehr bei NSU, sondern unter der Regie von Fiat gebaut. Ab 1932 gab es jedoch nur noch die Namensverbindung zu NSU in der Nachbarstadt Neckarsulm, aber keine Zusammenarbeit mehr auf technisch-konstruktiver Seite. Als erster echter Fiat wurde in Heilbronn der Balilla montiert, eine Mitte der Dreißiger Jahre einsetzende Motorisierungswelle brachte auch dem Montagewerk und der deutschen Vertriebsgesellschaft neuen Auftrieb. So konnten im letzten Friedensjahr 1938 auf dem deutschen Markt 7.155 Fahrzeuge verkauft werden, von denen 5.632 von den Heilbronner Montagebändern liefen. Im Jahr 1938 wurden die Karosseriewerke Weinsberg übernommen und damit ein zweiter Montagestandort aufgebaut.
Der Zweite Weltkrieg beendete die friedliche Motorisierung und damit auch die geplanten Fahrzeugmontagen in den Heilbronner Werkhallen. Die zivile Fahrzeugmontage musste eingestellt, dafür auf Weisung eine Luftwaffenfabrikation aufgenommen werden.
Die Zeit nach dem II. Weltkrieg
1947 normalisierte sich nach den Kriegsereignissen die allgemeine Situation zunehmend, Fiat startete von Heilbronn aus seine Aktivitäten nach dem Zweiten Weltkrieg: Die ersten Fahrzeuge – allerdings aus italienischer Produktion – wurden verkauft, der Sitz des Unternehmens von Berlin nach Heilbronn verlegt und die "Deutsche Fiat-Automobil-Verkaufsaktiengesellschaft" in Fiat Automobil AG umbenannt. In den Folgejahren wurde die Verwaltung neu geordnet und vor allem die Händlerorganisation entwickelt. Und natürlich wieder die Produktion aufgenommen und ausgeweitet. Weiter montiert wurden speziell auf den deutschen Markt zugeschnittene Modelle, die das Angebot aus Turin ergänzten. Motoren, Fahrwerks- und wesentliche Karosserieteile wurden von Turin ins württembergische Unterland geliefert.
1951 wurden wieder über 5.500 Fahrzeuge verkauft, ab 1952 startete erneut die Produktion. Das noch dünne Händlernetz sowie ein Produktionsprogramm, das sich vorwiegend auf das Modell 500 Kombi stützte, ließen in der ersten Hälfte der fünfziger Jahre keine überragende Entwicklung zu. Ein großer Sprung nach vorne auf dem deutschen Markt gelang erst 1955 mit einer Steigerung um 21 Prozent auf 11.764 Fahrzeuge – getragen vom Fiat 600. Dieses Modell war mit insgesamt über 170.000 Einheiten auch größter Volumenträger in den Montagehallen am Neckar. Fiat erfüllte durch dieses Modell die Wünsche einer breiten Käuferschicht mit einem Kleinwagen als echtem Viersitzer.
In den Folgejahren ging es steil aufwärts, die Modelle 1100 und 1400 rundeten das Verkaufsprogramm ab und erschlossen neue Kundenkreise. 1962 konnte Fiat in Deutschland erstmals über einhunderttausend Fahrzeuge verkaufen – gemeinsam aus deutscher und italienischer Produktion.
Das Aus für das am Markt zum Teil irritierende Markenzeichen "NSU/Fiat" kam erst im Jahre 1965, die von Fiat in Heilbronn gefertigten Modelle bekamen den Beinamen "Neckar". Eine Maßnahme, die allerdings nur für drei Jahre wirkte. Endgültig eingestellt wurde die Fiat-Produktion in Heilbronn 1973, zuletzt rollten die Modelle 125 und 128 von den Montagebändern. Als das letzte Auto die Hallen verließ, waren von 1929 bis 1973 insgesamt 412.085 Fahrzeuge in Heilbronn montiert worden. Allein in der Zeitspanne zwischen der Wiederaufnahme der Produktion nach dem Zweiten Weltkrieg bis zur endgültigen Einstellung der deutschen Fiat-Montage waren es rund 360.000 Einheiten.
Seit 1973 ist die deutsche Fiat Tochter eine reine Vertriebsgesellschaft und einer der erfolgreichsten Importeure auf dem deutschen Markt. Nachdem über Jahrzehnte alle Verwaltungs-, Vertriebs-, Schulungs-, Entwicklungs- wie auch Ersatzteileaktivitäten von Heilbronn aus gesteuert wurden, vollzog sich 1996 mit dem Bezug der neuen Deutschland-Zentrale in Frankfurt/Main ein standortpolitischer Eingriff.
Heilbronn ist aber weiterhin rechtlicher Sitz der Fiat Automobil AG, die aufgrund dieses traditionsreichen Engagements für einen Beschäftigungseffekt von rund 450 Arbeitsplätzen sorgt. Hinzu kommen zudem weitere bedeutende Unternehmen für die Fiat Aktivitäten auf den deutschen Markt, wie die Fiat Bank GmbH, der Fiat Versicherungsdienst GmbH, die Iveco Finance GmbH sowie die CNH Deutschland GmbH.