Spektakuläre Premiere zum Saisonabschluss: Am kommenden Wochenende gastiert die Formel 1 erstmals im Emirat Abu Dhabi. Der Aachener Streckenarchitekt Hermann Tilke entwarf mit dem Yas Marina Circuit einen fahrerisch anspruchsvollen Kurs in faszinierender Umgebung. Die beiden Renault F1 Piloten Fernando Alonso und Romain Grosjean wollen nach zuletzt 2 punktlosen Rennen des Teams die Saison in der Erfolgsspur beenden.
Der Abschied naht: Fernando Alonso bestreitet am kommenden Wochenende sein vorerst letztes Rennen für Renault F1. Nach 7 gemeinsamen Jahren mit insgesamt 4 WM-Titeln als Krönung trennen sich am Ende der Saison die Wege des Spaniers und des französischen Rennstalls. Nach seinem unverschuldeten frühen Aus beim Grand Prix von Brasilien brennt der 28-Jährige darauf, sich mit einem Erfolgserlebnis zu verabschieden. Auch sein Teamkollege Romain Grosjean hofft, am kommenden Wochenende von Problemen verschont zu bleiben und in dem arabischen Emirat seine zuletzt guten Leistungen in Zählbares umzumünzen.
Bereits unmittelbar nach dem unglücklich verlaufenen Rennen in Interlagos gab Renault F1 Teamchef Bob Bell die Losung für das Saisonfinale aus: "In Brasilien gab es für uns zwar nicht viel zu bejubeln, dennoch halten wir unsere Köpfe aufrecht und freuen uns auf Abu Dhabi." Für zusätzliche Motivation sorgt der Blick auf die Tabelle der Konstrukteurs-WM: Renault F1 belegt mit 26 Punkten den 8. Platz und befindet sich damit noch in Schlagdistanz zu Williams (34,5 Punkte) und BMW Sauber (32 Punkte) auf den Rängen 6 und 7.
Der Große Preis von Abu Dhabi aus Sicht von Renault F1
Ähnlich wie der Kurs in Australien stellt auch der Yas Marina Circuit eine Mischung aus permanenter Rennstrecke und öffentlichen Straßen dar. Die 5,554 km lange Runde führt unter anderem am Yachthafen der Stadt vorbei. Beim Layout der Strecke legte Architekt Hermann Tilke wie gewohnt großen Wert darauf, den Piloten das Überholen zu ermöglichen. So kombinierte der Aachener auch bei diesem Projekt lange Geraden mit vornehmlich langsamen bis mittelschnellen Kurven. Die verhältnismäßig breite Fahrbahn lädt geradezu zu Ausbremsmanövern ein. Auf der rund 1 km langen Gegengeraden erreichen die Fahrer eine Höchstgeschwindigkeit von voraussichtlich 320 km/h, die Durchschnittsgeschwindigkeit auf einer Runde dürfte etwa 200 km/h betragen.
Der Start zum Rennen am Sonntag erfolgt um 17 Uhr Ortszeit. Die Fahrer werden also bei Tageslicht losfahren und das Ziel in der Abenddämmerung erreichen. Bei aufziehender Dunkelheit dürfen sich die Zuschauer vor dem Fernseher sicherlich auf spektakuläre Bilder der illuMINIerten architektonisch imposanten Streckengebäude freuen. Eine weitere Besonderheit des Yas Marin Circuit: Jeder der insgesamt 50.000 Sitzplätze ist überdacht.
Fernando Alonso: "Möchte die Saison mit einem Erfolgserlebnis beenden"
Freust du dich auf die Grand Prix-Premiere in Abu Dhabi?
FA: Ich freue mich immer auf die HerausForderung einer neuen Strecke. Und der Kurs von Abu Dhabi scheint wirklich beeindruckend zu sein. Alle im Feld fangen komplett bei Null an. Deshalb ist es wichtig, die Trainingssitzungen optimal zu nutzen, um so viel wie möglich zu lernen und uns einen Vorteil zu verschaffen. Ich finde, dass die ganze Anlage schlichtweg atemberaubend aussieht. Der Grand Prix ist auch für die Bevölkerung des Landes eine tolle Sache. Ich war vor einigen Jahren im Rahmen einer Demo-Veranstaltung dort und habe die Begeisterung der Menschen für die Formel 1 hautnah spüren können.
Am kommenden Wochenende bestreitest du dein vorerst letztes Rennen für Renault. Hast du dir etwas Besonderes vorgenommen?
FA: Ja, auf jeden Fall. Ich würde die Saison und meine Zeit bei Renault sehr gerne mit einem herausragenden Resultat beschließen. Es wird für mich zweifellos ein sehr emotionales Wochenende, denn ich verbinde viele einmalige Erinnerungen mit dem Team und lasse eine Menge sehr guter Freunde zurück. Renault zählt zu den besten Rennställen der Formel 1 und ich freue mich schon auf zukünftige Duelle mit ihnen.
Romain Grosjean: "Abu Dhabi wird eine ganz neue Erfahrung für jeden von uns"
Was erwartest du vom Yas Marina Circuit?
RG: Das wird eine ganz neue Erfahrung für jeden von uns, und wir sind schon mächtig gespannt. Alle Fotos, die ich bis jetzt von der Strecke gesehen habe, sehen fantastisch aus. Ich bin mir sicher, uns erwartet ein großartiges Saisonfinale. Die Streckenführung ist interessant und schnell, denn der Kurs verfügt über einige lange Geraden und bietet so hoffentlich gute Überholmöglichkeiten. Zudem wird es sich vermutlich wegen der großen Gebäude und dem Yachthafen wie ein Straßenrennen anfühlen.
Wie lautet dein ganz persönliches Ziel für dieses letzte Rennen der Saison?
RG: Da die Strecke für alle Fahrer neu ist, sollte das ein kleiner Vorteil für mich sein, da ausnahmslos jeder den Kurs erst einmal kennenlernen muss. Mein Ziel ist es, mit Fernando mitzuhalten, ein gutes Qualifying zu fahren und hoffentlich im Rennen um Punkte kämpfen zu können.
Bob Bell: "Wir möchten zum Saisonabschluss um Podestplätze kämpfen"
An diesem Wochenende endet die Saison auf einem völlig neuen Kurs was erwarten Sie von ersten Rennen in Abu Dhabi?
BB: Ich glaube, alle Teams freuen sich darauf, ein neues Land und eine neue Strecke kennen zu lernen. Die Anlage bietet eine hervorragende Infrastruktur mit viel Platz für die Mechaniker und Ingenieure. Ob die Streckenführung spannende Rennen ermöglicht, müssen wir abwarten, doch nach allem, was ich bisher gesehen habe, scheinen die Verantwortlichen in Abu Dhabi ausgezeichnete Arbeit geleistet zu haben. Als Team genießen wir die HerausForderung einer neuen Strecke und sind bereit, das Beste aus dieser Aufgabe zu machen.
Welche Ergebnisse halten Sie am kommenden Wochenende für realistisch?
BB: Es wäre großartig, wenn es Romain und Fernando bis in den dritten Teil des Qualifyings schaffen würden. Mit guten Startpositionen wäre schon mal der Grundstein für ein erfolgreiches Rennen gelegt. Wir möchten auf jeden Fall um Punkte, möglichst sogar einen Podestplatz kämpfen. Das halte ich angesichts unseres Leistungsniveaus in den zurückliegenden Grands Prix für eine realistische Zielsetzung.
Renault muss sich an diesem Wochenende von Fernando verabschieden. Wird er dem Team sehr fehlen?
BB: Er hat Großartiges für das Team geleistet. Über allem strahlen natürlich die insgesamt vier WM-Titel 2005 und 2006. Wir werden ihn sehr vermissen. Es heißt oft, er sei der beste Fahrer im aktuellen Feld eine Ansicht, die ich teile. Klar, dass wir über seinen Abschied nach einer so erfolgreichen Zusammenarbeit traurig sind. Aber wir schauen grundsätzlich nach vorn und freuen uns alle darauf, Robert Kubica im Team willkommen zu heißen. Ich bin überzeugt, dass er sehr bald beweisen wird, dass er in Fernandos Fußstapfen treten kann. Er ist ein echter Teamplayer, ein großer Motivator und vor allem unglaublich schnell. Es gibt also guten Grund, sich auch auf die neue Ära zu freuen.
Fernando Alonso über die neue Strecke in Abu Dhabi
Fernando, was sind deine ersten Eindrücke vom Yas Marina Circuit?
Fernando Alonso: Es scheint, dass dieser Kurs eine große HerausForderung für uns Fahrer darstellt. Es gibt mehr als 20 Kurven in einer Runde und einige von denen haben es wahrlich in sich. Allerdings reicht ein Blick auf die Streckenskizze nicht aus, um die Geheimnisse zu verstehen. Erst wenn du vor Ort bist und das erste Mal um den Kurs gehst, kriegst du wirklich ein Gefühl dafür, was dich erwartet.
Wie bereitest du dich normalerweise auf eine neue Strecke vor?
FA: Ich sehe mir sämtliche Simulationsdaten an und arbeite eng mit den Ingenieuren zusammen, um die AnForderungen des Kurses zu verstehen. Dieser ganze Prozess ist deutlich intensiver im Vergleich zu Strecken, die ich bereits kenne. Wir investieren rund fünf Mal so viel Zeit in die Vorbereitung auf einen neuen Kurs. Auch das Ablaufen der Strecke ist für mich und meine Ingenieure in diesen Fällen sehr wichtig.
Welche Kurven verdienen besondere Aufmerksamkeit?
FA: Ich finde, die Kurven 11, 12 und 13 sehen sehr interessant aus. Ich erinnere mich, als ich diese Passage das erste Mal auf der Karte sah, musste ich sofort an die Kurve-10-Schikane in Singapur denken. Darüber hinaus scheinen die Bremszonen vor den Kurven 8 und 11 die besten Überholmöglichkeiten zu bieten.
Wie lange dauert der Lernprozess auf einer neuen Strecke?
FA: Gar nicht lange. Wenn wir das erste Mal in den Rennwagen steigen, haben wir durch das Kartenstudium bereits eine sehr gute Vorstellung von dem Kurs. Nach drei oder vier Runden weißt du dann genau, wie die Ideallinie aussieht und wo die Bremspunkte sind. Nach spätestens fünf Runden sitzt eigentlich alles. Du musst danach selbstverständlich trotzdem so viel wie möglich fahren, um weiter Selbstvertrauen aufzubauen. Du merkst dir immer mehr Details, um wirklich das Optimum herausholen zu können. Im Normalfall sind die letzten Runden des Rennens am Sonntag deine besten des gesamten Wochenendes, denn bis dahin ist dir alles in Fleisch und Blut übergegangen.
Aus Insider-Sicht: Der Leitende Renningenieur Alan Permane im Interview
Alan, wie bereitet sich das Team aus technischer Sicht auf eine neue Strecke vor?
Alan Permane: Wir beginnen mit unseren Vorbereitungen rund zwei Monate vor dem Grand Prix-Wochenende. Zu diesem Zeitpunkt erhalten wir normalerweise eine detaillierte Karte, können uns also über das Layout und die Charakteristika der Strecke informieren. Dies verschafft uns einen ersten Eindruck, über welches Abtriebsniveau unser Set-up verfügen sollte und welche AnForderungen auf Motor und Bremsen zukommen. Anschließend füttern wir unsere Computer mit den Daten, um einen virtuellen Kurs berechnen zu lassen und Rennsimulationen durchzuführen. Wir probieren dabei verschiedene Set-up-Konfigurationen aus und vergleichen sie miteinander, um eine Basisabstimmung festzulegen.
Nachdem wir am Rennwochenende das erste Training absolviert haben, senden wir die Telemetriedaten per Internet in unseren Workshop, damit die Kollegen dort nochmals exaktere Simulationen durchführen können. Den Input aus dem Freitagstraining können wir zudem auf unserem dynamischen Fahrwerksprüfstand nutzen und so zum Beispiel Verbesserungen in puncto Bodenfreiheit oder Feder- und Dämpferabstimmung finden. Sämtliche Vorschläge zur Optimierung des Set-ups lassen uns die Kollegen in Enstone zumeist bereits im Laufe des Freitags zukommen, sodass wir sie am Samstagvormittag noch vor dem Qualifying ausprobieren können.
Wie lauten Ihre ersten Eindrücke vom Kurs in Abu Dhabi?
AP: Der Yas Marina Circuit verfügt über einige verhältnismäßig lange Geraden. In Kombination mit den mittelschnellen bis langsamen Kurven sieht es aus wie eine Stop-and-Go-Strecke vergleichbar mit dem Straßenkurs in Valencia. Das Abtriebsniveau wird wohl recht hoch ausfallen, auch wenn wir wegen der Höchstgeschwindigkeit auf den langen Geraden sicher nicht mit maximaler Downforce fahren werden.
Es gibt viele rechtwinkelige Abzweige, aber wir wissen noch nicht genau, wie diese unser Set-up beeinflussen werden. Das hängt von der Beschaffenheit der Kerbs ab. Diesen Punkt werden wir genau unter die Lupe nehmen, wenn wir zu Fuß um den Kurs gehen. Zudem wissen wir bereits, dass die Fahrer ein Auto mit guter Traktion brauchen. Da es praktisch keine Richtungswechsel bei hohen Geschwindigkeiten gibt, muss das Set-up nicht hart ausfallen. Zugunsten guter Traktion aus den langsamen Ecken heraus werden wir das Fahrzeugheck daher eher weich abstimmen.
Welche Streckenabschnitte sehen für Sie besonders anspruchsvoll aus?
AP: Ich stimme mit Fernando überein, dass vor allem die Kurven 11, 12 und 13 besonders interessant aussehen. Diese Passage dürfte mitentscheidend für die Rundenzeit sein. Den Fahrern sind in den meisten Fällen die schnellen Kurven lieber, die meiste Zeit kannst du aber in den langsamen Ecken gutmachen oder verlieren. Vor diesem Hintergrund dürften sich auch die Kurven 5 bis 7 als derjenige Abschnitt erweisen, in denen das Auto gut funktionieren muss, wenn eine gute Zeit herausspringen soll.
Der Große Preis von Abu Dhabi:
- Start: 01.11., 14:00 Uhr MEZ
- Strecke: Yas Marina Circuit, Abu Dhabi (AD)
- Distanz: 55 Runden à 5,554 km = 305,470 km