Unter der Bezeichnung SARTRE (Safe Road Trains for Environment) hat die EU jetzt ein neues Forschungsprojekt für eigenständig fahrende Automobile gestartet. Im Mittelpunkt stehen Entwicklung und Test einer neuen Technologie, mit deren Einsatz Fahrzeuge eigenständig im Kolonnenverkehr auf Autobahnen fahren können. Das Potenzial der Technologie ist beachtlich und ermöglicht einen verbesserten Verkehrsfluss, kürzere Fahrzeiten, mehr Komfort und weniger Unfälle. Zugleich verweisen die Experten auf die positiven Umweltaspekte, denn der Kolonnenverkehr sorgt für eine deutliche Verbrauchssenkung und die Reduzierung von CO
2-Emissionen. Die ersten Testfahrzeuge mit der neuen Technologie sollen bereits 2011 zum Einsatz kommen. Die
Volvo Car Corporation beteiligt sich gemeinsam mit zahlreichen anderen Partnerunternehmen an SARTRE.
Ein typisches Szenario zeigt beispielhaft, wie die Vision des selbst fahrenden Pkw schon in wenigen Jahren Realität werden könnte: Ein Autofahrer befährt im morgendlichen Berufsverkehr die Autobahn und trifft hier auf eine Vielzahl anderer Fahrzeuge, die sich bei normaler Geschwindigkeit zu einem Konvoi zusammenschließen. Nach wenigen Minuten kann der Fahrer das Lenkrad loslassen und sich beispielsweise der Zeitungslektüre widmen, telefonieren oder sich ein TV-Programm ansehen, während sein Pkw vollkommen selbstständig und bei reduziertem Kraftstoffverbrauch wie von alleine fährt. Dies ist keinesfalls Utopie, denn Wissenschaftler halten es durchaus für denkbar, dass dieses Szenario innerhalb der nächsten zehn Jahre Realität werden kann.
Forschungen werden Realität
Die Automobilindustrie entwickelt seit langem aktive und präventive Sicherheitssysteme. Beispiele dafür sind die Traktionskontrolle oder Bremsassistenzprogramme. Aktuelle Forschungen gehen jedoch weit darüber hinaus und arbeiten an Technologien, die den Pkw-Betrieb ohne Eingriff des Fahrers ermöglichen: das selbsttätige oder eigenständige Fahren. Das heißt, Fahrzeuge sind in der Lage, selbsttätig Gas und Bremse zu betätigen und die Lenkung zu bedienen. Diese Technologie kann bei Kolonnenfahrten zusammen mit ähnlich gesteuerten Fahrzeugen eingesetzt werden.
Der Testeinsatz von Fahrzeugen, die mit dieser Technologie ausgerüstet sind, startet bereits im Jahr 2011. Die Ausstattung umfasst ein Navigationssystem sowie eine Sende- und Empfangseinheit, die mit einem Führungsfahrzeug kommunizieren. Da das neue System in die Fahrzeuge integriert ist, sind für den Betrieb keine Änderungen der Verkehrsinfrastruktur erForderlich.
Kolonnenverkehr mit Führungsfahrzeug
Die Idee hinter dieser Art des Kolonnenverkehrs ist der Einsatz eines Führungsfahrzeugs, das ganz normal und mit voller Kontrolle über sämtliche Fahrzeugfunktionen betrieben wird. Gesteuert wird es von einem routinierten Fahrer, der mit der entsprechenden Fahrtroute bestens vertraut ist. Das Führungsfahrzeug kann beispielsweise ein Taxi, ein Bus oder auch ein Lkw sein. Jede geführte Kolonne wird aus sechs bis acht Fahrzeugen bestehen. Sobald sich ein Fahrer seinem individuellen Ziel nähert, übernimmt er wieder selbst die Kontrolle und verlässt die Kolonne, indem er seitlich ausschert. Danach fährt er wie gewohnt weiter. Die verbleibenden Fahrzeuge schließen die entstandene Lücke und setzen ihre Fahrt fort, bis sich der Konvoi schließlich auflöst.
Verkehrsmodell mit vielen Vorteilen
Der Vorteil solcher Kolonnen ist, dass die Fahrer sich während der Fahrt nicht auf den Verkehr und das Fahren konzentrieren müssen und sich stattdessen mit anderen Tätigkeiten beschäftigen können. Im Vergleich zu individuell gesteuerten Fahrzeugen verbessern solche Kolonnen zudem die Sicherheit und entlasten durch den reduzierten Kraftstoffverbrauch die Umwelt. Grund dafür ist, dass die Fahrzeuge im Kolonnenverkehr mit geringem Abstand fahren und so der Luftwiderstand deutlich reduziert wird. Die Kraftstoffersparnis schätzen Experten auf rund 20%. Zugleich kann auf diese Weise die Kapazität des Straßennetzes effektiver genutzt werden.
"SARTRE vereint eine einzigartige Kombination aus Technologien, Fähigkeiten und Fachkenntnis aus der europäischen Industrie und Wissenschaft", sagt Tom Robinson, SARTRE-Projekt-Koordinator beim britischen Unternehmen Ricardo, das dieses EU-Vorhaben leitet. "Durch die Entwicklung und Anwendung der neuen Technologie auf Fahrzeug-Ebene soll SARTRE erhebliche Verbesserungen bei der Sicherheit und der Umweltentlastung ermöglichen, und das ohne Investitionen in die Veränderung der Straßen-Infrastruktur."
Umfassende Sicherheitstests
"Ich kann verstehen, dass viele Menschen dieses Vorhaben als eine Utopie betrachten", sagt Erik Coelingh, Technical Director Active Safety Functions bei der Volvo Car Corporation. "Aber diese Art des selbsttätigen Fahrens ist kein Hokus-Pokus und vor allem erFordert es keine Veränderung der Infrastruktur. Der Schwerpunkt liegt auf der Entwicklungsarbeit und der Anwendung einer Technologie, die bereits existiert. Zusätzlich müssen wir jedoch umfassende Tests durchführen, um zu gewährleisten, dass unsere hohen SicherheitsanForderungen erfüllt werden", betont Coelingh.
Ideal für Pendler
Nach Ansicht der Wissenschaftler unterstützt diese neue Art des Kolonnenverkehrs insbesondere Berufspendler, die täglich längere Autobahnstrecken zurücklegen. Von dem neuen System können aber auch Fahrer kommerziell genutzter Fahrzeuge wie Busse und Lkw profitieren. Und während sich die Kolonne in Richtung des Zielortes bewegt, können die Fahrer jederzeit den Konvoi verlassen und wie gewohnt ihr individuelles Ziel ansteuern.
Details zum SARTRE-Projekt
Das Projekt SARTRE wird von der EU-Kommission unterstützt. Es wurde im September 2009 gestartet und hat eine Laufzeit von 3 Jahren. Geleitet wird SARTRE vom britischen Unternehmen Ricardo UK Ltd, einem führenden und unabhängigen Technologie-Anbieter im Transportbereich (www.ricardo.com).
Folgende weitere Unternehmen sind an SARTRE beteiligt:
SP Technical Research Institut of Sweden (Schweden)
SP zählt zu den führenden internationalen Forschungsinstituten, das sich unter anderem im Bereich der nachhaltigen Entwicklung von Industrieunternehmen engagiert.
The Robotiker-Tecnalia Technology Centre (Spanien)
Das Technologiezentrum ist spezialisiert auf Informations- und Kommunikationstechnologien mit dem Ziel einer nachhaltiger Entwicklung. Das Unternehmen hat sich bislang an 85 europäischen Projekten beteiligt.
Volvo Technology Corporation (Schweden)
Das Unternehmen ist Teil der Volvo Group, einem weltweit führenden Hersteller kommerzieller Transportsysteme. Dazu zählen Lkw, Busse und Konstruktionsausrüstungen ebenso wie Teile für den maritimen Bereich und für Flugzeugmotoren. Zugleich entwickelt das Unternehmen Konzepte und Technologien für den Transportbereich.
IDIADA (Spanien)
IDIADA ist ein weltweiter Partner der Automobilindustrie und entwickelt Komplettlösungen für automobile Entwicklungsprojekte. Schwerpunkte sind dabei unter anderem Antrieb, Bremssysteme sowie Systeme für die passive Sicherheit.
Institut für Kraftfahrzeuge (ika) der RWTH Aachen (Deutschland)
Das Institut führt umfangreiche Forschungen für Kraftfahrzeuge (z.B. Pkw, Lkw, Motorräder) und für verwandte Verkehrs- und Umweltmodelle durch. Das ika ist Teil der Rheinisch-Westfälisch Technischen Hochschule in Aachen und beschäftigt über 200 Mitarbeiter.
Volvo Car Corporation (Schweden)
Die Volvo Car Corporation hat als einer der leistungsstärksten Automobilhersteller zahlreiche weltweit führende Innovationen realisiert. Der jährliche Absatz des Unternehmens beträgt rund 400.00 Fahrzeugen in 120 Ländern. Die Volvo Car Corporation verfügt weltweit über rund 2.000 Verkaufsstandorte. Die Zentrale des Unternehmens befindet sich in Göteborg.