Kleine, pfiffige und preiswerte Autos waren schon immer eine große Stärke der Marke
Fiat. Der Panda, das Auto des Jahres 2004, kann auf eine lange Galerie populärer Vorläufer zurückblicken. Der unvergessene "Topolino" aus den 30er Jahren, offiziell 500 genannt, zählt ebenso zu ihnen wie der Cinquecento und der Seicento, die italienischen Pendants zum deutschen VW Käfer. Ein weiterer erfolgreicher Kompaktwagen aus Turin feiert dieser Tage 40. Geburtstag: Im Mai 1964 erschien die Baureihe 850, zunächst als Limousine, ein Jahr später auch als Coupé und Spider.
Der Heckmotor – im technischen Zeitgeist der 60er Jahre
Die 60er Jahre waren, vor allem in Italien, die Blütezeit des Heckmotorprinzips. Schon der Cinquecento und der Seicento hatten den Motor im Rücken ihrer Passagiere getragen. Bei der Konzeption des 850 hielt der legendäre Fiat-Chefkonstrukteur Dr. Dante Giacosa an dieser Bauweise fest – der 850 war zwar deutlich größer als sein Vorgänger, aber technisch in direkter Linie von ihm abgeleitet.
Auf 2.027 Millimeter Radstand erreichte die Limousine – auf italienisch Berlina – 3.575 mm Länge, fast exakt das Maß des Fiat Panda von heute. Im Innenraum bot sie Platz für zwei Erwachsene und drei Kinder; unter der vorderen Haube lag ein ansehnlicher Gepäckraum, der auch das Ersatzrad beherbergte. Außen wie innen bewusst schnörkellos gezeichnet, bot der zweitürige 850 einen weiteren Fortschritt: Seine Pforten waren nicht mehr wie beim Vorgänger hinten, sondern vorne angeschlagen.
Im Heck längs montiert arbeitete ein Klassiker der Turiner Marke – der unverwüstliche Vierzylinder, der es auf 843 cm3 Hubraum brachte und mit einem Vierganggetriebe kooperierte. Mit einer Verdichtung von 8,0:1 leistete er 25 kW (34 PS) bei 5.000 U/min, und bei 2.800 Touren stemmte er 51 Nm Drehmoment. Eine seitlich liegende Nockenwelle steuerte die Ventile über Kipphebel, ein Solex-Fallstromvergaser bereitete das Gemisch auf. Mit seinen nur 670 Kilogramm Gewicht erreichte der Fiat 850 rund 120 km/h Spitze. In der leistungsgesteigerten Ausführung "850 Super" brachte es die Maschine dank einer leicht angehobenen Verdichtung (8,8 :1) schon auf 27 kW (37 PS).
Im Jahre 1966 wurde die Halbautomatik "Idroconvert" eingeführt, 1968 folgte der heiße "Special": Optisch attraktiver, mit einem strafferen Fahrwerk und mit dem Motor des Coupés ausgestattet. Hier sorgten ein Doppelvergaser von Weber, eine "scharfe" Nockenwelle, eine Verdichtung von 9,3:1 und ein Sport-Auspuffkrümmer für 35 kW (47 PS), für die bereits 6.200 U/min nötig waren. Bei 4.000 Umdrehungen standen 59 Nm Drehmoment parat. Die spezifische Leistung von 55,7 PS war sehr hoch für die 60er Jahre, entsprach aber ganz der damaligen Vorstellung von Sportlichkeit. Der 850 "Special" hatte 13-Zoll-Felgen als Bereifung und vorne Scheibenbremsen.
Im autoverliebten Italien fand die flotte 850-Baureihe ein begeistertes Publikum. Verbürgt ist der Fall einer Nonne, die ihre Limousine liebevoll pflegte und ihr auch einen Auspuff von Abarth gönnte. Carlo Abarth, der italienische Tuningkönig mit Wiener Herkunft, implantierte der Berlina einen 1,6-Liter-Motor – er trieb sie mit 155 PS auf 211 km/h Höchstgeschwindigkeit. Das Fahrwerk bot dafür eine gesunde Basis. Vorn waren Querlenker und eine Querblattfeder am Werk, im Heck führten Schräglenker die Räder einzeln. Teleskopstoßdämpfer hielten die Schwingungen an allen vier Rädern in Grenzen.
Sportlichkeit ab Werk – das Fiat 850 Coupé
Während die Berlina am Markt erfolgreich ihren Weg machte, zündete Dr. Giacosa die zweite Stufe seines Plans, den man heute als Plattformstrategie bezeichnen würde. 1965 erschien das 850 Coupé, ein Zwei- plus Zwei-Sitzer. Auf der Bodengruppe der Limousine aufbauend, war die "Berlinetta" in der Länge um 33 mm gewachsen.
Die Designlinie wies – vor allem beim Schwung der hinteren Seitenfenster – Anklänge an das etwas später aufgelegte starke Fiat Dino Coupè auf. Als Markenemblem glänzte zum ersten Mal seit 40 Jahren wieder das klassische runde Fiat Zeichen mit dem silbernen Lorbeerkranz. Im Cockpit saßen statt des Bandtachos der Limousine zwei Rundinstrumente, man sah sie durch ein Sportlenkrad mit zwei Metallspeichen. Fahrer und Beifahrer nahmen auf Sportsitzen Platz.
Das 850 Coupé bekam den bereits erwähnten 47-PS-Motor mit auf den Weg, er beflügelte es zu 134,6 km/h Höchstgeschwindigkeit, wie die Zeitschrift "auto, motor und sport" akribisch ermittelte. "Beim Fahren besticht die leichte Bedienbarkeit", lobte der Autor, "man sollte das Temperament auf kurvenreichen Landstraßen ausspielen. Das Coupé lässt sich ausgesprochen sportlich fahren und macht dabei viel Spaß." Mit der hecklastigen Gewichtsverteilung erwies sich das Handling als übersteuernd, wie man es damals schätzte, aber als unproblematisch.
Ein Giugiaro-Entwurf von Bertone – der Fiat 850 Spider
Noch mehr Fahrfreude bereitete das dritte Mitglied der Modellfamilie, der 850 Spider, der wie das Coupé sein Debüt auf dem Genfer Salon im Frühjahr 1965 feierte. Hier hatte Fiat das Design und die Fertigung einem vertrauten Partner überlassen – dem Karossier Bertone in Grugliasco bei Turin. Federführend bei dem Projekt war der junge Giorgetto Giugiaro, der bis 1965 als Designdirektor bei Bertone arbeitete. Er schuf eine Linie von bestechender Leichtigkeit. Mit der Berlina hatte der Spider nur noch den Antrieb, die Achsen und den Radstand gemeinsam – als reiner Zweisitzer konzipiert maß er mit seinen üppigen Überhängen stolze 3.782 mm in der Länge, aber nur 1.220 mm in der Höhe.
Die gestreckte Silhouette mit dem eleganten Hüftschwung und der scharfen Abrisskante am Heck, das einfach bedienbare, unter einer Blechklappe versenkbare Stoffverdeck, die tief montierten Sportsitze und das liebevoll eingerichtete Cockpit mit den Kippschaltern und seiner ganzen Batterie an Anzeigen – all diese Elemente machten den Fiat 850 Spider zu einer Art Ferrari des kleinen Manns. Und mit einem Verkaufspreis von 7.150 Mark in Deutschland war der Traum auch erschwinglich – der schwächer motorisierte Karmann Ghia kostete Mitte der 60er Jahre schon als Coupé fast das gleiche Geld.
Als attraktiv galten in jener Epoche auch die Fahrleistungen. Dank seiner aerodynamisch günstigen Karosserie lief der 725 kg leichte Spider bei zwei Messungen von "auto, motor und sport" 144 und sogar 152 km/h Spitze. Er brauchte dafür nur 49 PS; gegenüber dem Coupé hatten die Techniker mit einer Nockenwelle mit schärferen Steuerzeiten noch einmal zwei PS gefunden. Die Charakteristik war ausgesprochen drehfreudig: Die maximal 57 Nm Drehmoment lagen erst bei 4.400 U/min an, die Nadel durfte bis beinahe 7.000 Touren klettern. Den Test absolvierte der Fiat 850 Spider mit 8,9 Litern Super Verbrauch pro 100 Kilometer und mit einem guten Qualitätseindruck: "Die Karosserie ist so solide und steif, wie man sie sich bei einem offenen Auto wünscht", lautete das Urteil. Für den Winterbetrieb war ein 10 Kilogramm schweres Hardtop lieferbar.
1968 erhielten der Spider und das Coupé ein Facelift; mit ihm hielt ein neuer, 52 PS starker Motor Einzug. Der Vierzylinder war durch Verlängerung des Hubraums auf 903 cm3 gewachsen, hatte dadurch etwas an Drehmoment zugelegt. Die absolute Topversion aber kam erneut als Einzelstück von Abarth – ein Zweiliter-Motor mit 185 PS für das Coupé, dem man 240 km/h Höchstgeschwindigkeit nachsagte.
Als 1971 die neue kompakte 127-Baureihe erschien, lief die 850-Familie allmählich aus – zuerst war Schluss für das Coupé, dann für die Limousine und zuletzt für den Spider. 2,3 Millionen Exemplare waren insgesamt gebaut, eine Reihe von ihnen sogar in den USA verkauft worden. Die kleinen, pfiffigen und preiswerten Autos von Fiat waren schon vor 40 Jahren echte Erfolgsmodelle.