Das BMW Werk Berlin als Produktionsstandort für BMW Motorräder blickt auf eine nun 40-jährige Tradition zurück, in der bis heute mehr als 1.882.400 BMW Motorräder von den Bändern liefen.
Doch was 1969 mit 400 Mitarbeitern und täglich 30 produzierten Maschinen der neuen BMW Modellreihe /5 begann, trug bereits in den 3 Jahrzehnten zuvor als Produktionsstandort zum Erfolg der BMW Group bei.
Vorgeschichte: Von Flugmotoren zu Motorrädern
Bereits 1939 wurde Berlin Spandau zu einem Standort der BMW AG. Zuvor war das Areal im Besitz der Firma Siemens & Halske, die 1928 auf dem heutigen BMW Gelände ihr neues Flugmotorenwerk errichtete und so berühmte Motoren wie etwa den Sternmotor Sh-14a für den berühmten deutschen Kunstflug-Doppeldecker Bücker 133c "Jungmeister" fertigte. 1936 wurde aus dem Siemens-Flugmotorenwerk die selbständige Firma "Brandenburgische Motoren Werke GmbH", die unter der Bezeichnung "Bramo" ebenfalls Flugmotoren herstellte. Im Jahr 1939 ging dieses Unternehmen in den Besitz der BMW AG über und diente bis Kriegsende als Produktionsstätte für BMW Flugmotoren, unter anderem auch die 9-Zylinder-Sternmotoren für die legendäre Junkers JU 52.
Nach Kriegsende wird das Werk in Berlin Spandau wie andere Fabriken auch von den Alliierten demontiert. Doch bereits im Mai 1945 produzieren etwa 100 Mitarbeiter Gebrauchsgüter für den täglichen Bedarf. Nach dem Start der Währungsreform stellten die Berliner Werkzeuge für die BMW AG in München her.
Im Jahre 1949 lief die Fertigung von Motorradteilen für das Münchener Stammhaus an ein erster Schritt zur allmählichen Verlagerung der Motorradproduktion von der Isar an die Spree. Ab 1958 wurden in zunehmendem Maße auch BMW Autoteile in Berlin Spandau gefertigt.
Verlagerung der Motorradproduktion von München nach Berlin
Als in München Mitte der 1960er Jahre auf Grund der stark steigenden Automobilproduktion über die Verlagerung der Motorradproduktion nachgedacht wurde, war Berlin mit seiner gut ausgebildeten Belegschaft erste Wahl. 1969 wurde dort die Produktion der komplett neu entwickelten BMW /5 Baureihe aufgenommen. Vom Fahrwerk bis hin zum Boxermotor handelte es sich dabei um eine grundlegende Neukonstruktion nach dem Baukastenprinzip. BMW Motorrad platzierte sich zunächst mit drei neuen Modellen am Markt: der 32 PS starken R 50/5, die insbesondere als Behördenmaschine gedacht war, der R 60/5, die sich mit ihren 42 PS insbesondere unter den Tourenfahrern viele Sympathien schuf, sowie letztlich der R 75/5, deren 50 PS starker Boxer für sportliche Fahrdynamik, 175 km/h Höchstgeschwindigkeit und international große Verkaufserfolge sorgte.
Als das Motorrad noch in den 1960er Jahren vom Automobil an den Rand der Bedeutungslosigkeit verdrängt zu Beginn der 70er Jahre wieder in Mode kam, kletterten die Produktionszahlen im BMW Werk Berlin rasant. 1970 verließen bereits 12.287 Fahrzeuge die Werkshallen, und schon im Juli 1973 hatten bei Einstellung der /5 Baureihe exakt 68.956 Motorräder das Berliner Werk verlassen und man durfte auf eine Verfünffachung der Produktion binnen nur 3 Jahren zurückblicken. Zudem feierte man bereits das 500.000. BMW Motorrad der Firmengeschichte.
Zum 50-jährigen Jubiläum von BMW Motorrad wurde im Herbst 1973 die neue, in zahlreichen Punkten weiter entwickelte /6 Baureihe und mit ihr die legendäre BMW R 90 S präsentiert. Aus 898 cm3 Hubraum schöpfte der Boxermotor der bis dahin mit Abstand stärksten BMW 67 PS und sorgte neben einer Höchstgeschwindigkeit von 200 km/h für eine sehr sportliche Fahrdynamik, ohne jedoch die BMW typischen Allround- und Tourenqualitäten außer Acht zu lassen.
Entwicklung: Von 0 auf 100.000 in 6 Jahren
Bereits im Januar 1975 läuft in Berlin-Spandau die 100.000. dort gefertigte BMW vom Band, und im Jahr darauf erreichen die BMW Boxer Modelle mit der Einführung der /7 Baureihe einen neuen Entwicklungsstand. Neben der R 60/7 und R 75/7 trägt BMW Motorrad mit der Einführung der R 100/7 dem allgemeinen Trend zum vollen Liter Hubraum Rechnung. Mit der R 100 RS präsentiert BMW zudem das erste voll verkleidete Serienmotorrad der Welt, das mit 70 PS 200 km/h Höchstgeschwindigkeit erreicht und einen bis dahin beispiellosen Wind- und Wetterschutz bietet.
Auch diese neue Baureihe feiert große Verkaufserfolge und macht eine Erweiterung des Werks in Berlin-Spandau unumgänglich. Die Fertigungsanlagen werden durch den Bau einer neuen Montagehalle erweitert. Symbolisch werden vom damaligen Bundespräsidenten Walter Scheel die Bauarbeiten gestartet. Ziel der 200 Millionen D-Mark teuren Investition ist es, zukünftig bis zu 60.000 BMW Motorräder jährlich in Berlin-Spandau zu fertigen und damit auch neue Arbeitsplätze zu schaffen.
1978 erweitert BMW Motorrad seine Modellpalette um die R 100 RT, ein voll verkleidetes Motorrad mit starken Verwandtschaftsgraden zur R 100 RS, jedoch ganz auf die Belange der Tourenfahrer ausgerichteter Aerodynamik, Ergonomie und Komfort. Gleichzeitig feiert die so genannte "kleine Boxer Baureihe" mit den Modellen R 45 und R 65 Premiere, was zu weiteren Steigerungen der Produktions- und Verkaufszahlen sorgt.
Doch das BMW Motorradwerk in Berlin-Spandau trägt auch dazu bei, Synergien innerhalb des BMW Konzerns zu nutzen, so übernimmt das Motorradwerk 1979 die Serienfertigung der Bremsscheiben für BMW Automobile.
BMW Motorräder aus Berlin-Spandau
Im Jahr 1980 läuft bereits das 250.000. in Berlin gefertigte BMW Motorrad vom Band. Bei diesem Motorrad handelt es sich um eine Sonderanfertigung für die Palast-Eskorte des jordanischen Königs Hussein. Im selben Jahr gewinnt Rolf Witthöft mit einer 800er BMW die Gelände-Europameisterschaft, und kurz darauf debütiert die R 80 G/S mit heute vergleichsweise bescheidenen 50 PS. Mit ihrer innovativen Fahrwerkstechnik und ihrem geringen Gewicht von nur 186 kg glänzt sie nicht nur im Gelände, sondern bewährt sich auch im Alltag und auf Reisen als idealer Partner. Eine Aufsehen erregende Neuerung ist die Einarmschwinge, BMW Monolever genannt, als Hinterradführung. Das zu dieser Zeit hubraumstärkste Enduro-Motorrad wird zur Basis für ein gänzlich neues Marktsegment, das der großvolumigen Reiseenduros.
Einen weiteren Meilenstein in der Geschichte des BMW Werks Berlin-Spandau stellt die Einführung der neuen BMW K-Baureihe mit längs liegend eingebautem, wassergekühlten 4-Zylinder Reihenmotor mit Kraftstoffeinspritzung dar. Mit ihr werden die neue Montage und mechanische Fertigung eingeweiht, deren 500 Millionen D-Mark teure Investition auch die Integration moderner industrieller Fertigungsanlagen in die denkmalgeschützten Gebäude vorsieht.
Das Streben nach technischer Innovation bringt 1988 schließlich die BMW K1 hervor, die eine Vielzahl technischer Highlights in sich vereint. Erstmals verfügt mit ihr ein BMW Serienmotorrad über einen Motor mit 4 Ventilen pro Zylinder. Mit 100 PS Leistung und einer ausgeklügelten Aerodynamik werden zudem 240 km/h Höchstgeschwindigkeit realisiert. Das Bedeutendste aber ist das Antiblockiersystem ABS, das weltweit erstmals überhaupt an einem Motorrad zum Einsatz kommt und bis heute die Vorreiterrolle von BMW Motorrad im Bereich der Fahrsicherheit begründet.
Mehr und mehr haben sich BMW Motorräder aber weltweit nicht nur einen exzellenten Ruf hinsichtlich Qualität, Fahrdynamik und Komfort erarbeitet, sondern tragen auch wesentlich zur Imagebildung der Marke BMW bei. Auch viele Prominente genießen die "Freude am Fahren" auf einer BMW, und so lässt es sich der amerikanische Schauspielers Peter Fonda, den Motorradfahrern spätestens seit "Easy Rider" bestens bekannt, nicht nehmen, am 23. Februar 1990 anlässlich seines 50. Geburtstags das BMW Werk in Berlin zu besuchen.
7-stelliger Geburtstag 1991: Die 1.000.000. BMW läuft vom Band
Ein Jahr später läuft in Berlin-Spandau das 1.000.000. BMW Motorrad vom Band und seit Aufnahme der Produktion in Berlin vor 22 Jahren wurden dort mehr als 500.000 BMW-Motorräder gefertigt.
Zum 70. Geburtstag des BMW Boxermotors steht 1993 die Einführung einer radikalen Neukonstruktion mit dem BMW typischen Bauprinzip an. Die 90 PS starke R 1100 RS debütiert mit 215 km/h Höchstgeschwindigkeit sowie Vollverkleidung. Der Boxermotor wartet nun mit halbhoch angeordneten, kettengetriebenen Nockenwellen, 4 Ventilen pro Zylinder sowie Kraftstoffeinspritzung auf. Noch heute bildet diese Motorenkonstruktion die Basis für sämtliche aktuellen BMW Boxer Modelle. Auch fahrwerkstechnisch zeigt sich die R 1100 RS höchst innovativ und verfügt als erstes Serienmotorrad der Welt über den so genannten Telelever, eine Kugelgelenk-Längslenker-Gabel, welche die Aufgaben von Federung/ Dämpfung einerseits sowie Radführung andererseits im Gegensatz zu konventionellen Teleskopgabeln trennt und damit nicht nur für eine neue Dimension im Hinblick auf Ansprechverhalten und Transparenz, sondern auch für ein besonders ausgewogenes Bremsverhalten durch automatischen Bremsnickausgleich sorgt.
Auch die neue Boxer Baureihe feiert große Erfolge, und erstmals in der Geschichte von BMW Motorrad werden 1995 mehr als 50.000 Motorräder produziert und verkauft. Ein großer Anteil davon entfällt auf die BMW GS Modelle, die sich seit ihrer Einführung im Jahre 1980 nicht nur technisch stetig weiter entwickelt haben, sondern weltweit als die Reiseenduros schlechthin gelten.
1996 läuft mit der R 80 GS Basic das letzte BMW Modell mit dem alten Boxermotor vom Band und schließt nach 27 Fertigungsjahren das erfolgreiche Kapitel der 2-Ventil-Boxer.
Arbeitsqualität und Umweltschutz
Doch die Innovationskraft und Zukunftsorientierung von BMW Motorrad erstreckt sich nicht nur auf die hauseigenen Produkte mit zwei Rädern. Auch Arbeitsqualität und Umweltschutz sind unverzichtbare Bestandteile des Unternehmensleitbilds. So wird das BMW Werk Berlin 1997 als erstes Motorradwerk der Welt nach den internationalen Normen für Arbeits- und Umweltschutzmanagement überprüft und anerkannt. Bereits ein Jahr zuvor erfolgte die Umstellung der werkseigenen Energiezentrale von Öl auf Gas.
1999 wird mit der F 650 GS neben Boxer und K Baureihe die dritte Modellbaureihe eingeführt. Insgesamt investiert BMW Motorrad 4,5 Millionen D-Mark für den Ausbau des neuen Montagebandes für dieses und die in Zukunft noch folgenden 1-Zylindermodelle in Berlin-Spandau.
Fahrfreude, Qualität und Image der BMW Motorräder ziehen auch weiterhin immer wieder Prominenz an, und so besucht der deutsche Schauspieler Götz George bis heute leidenschaftlicher BMW Motorradfahrer Ende der 90er-Jahre das BMW Motorradwerk in seiner Geburtsstadt Berlin.
Innovationen und Investitionen
Die Erfolgsstory von BMW Motorrad und des BMW Werks Berlin setzt sich weiter fort. So erfolgt im Mai 2001 die Grundsteinlegung für eine neue Produktionshalle, das Gebäude 7, welches bereits 2 Jahre später seiner Bestimmung übergeben wird. Insgesamt investiert BMW von 1999 bis 2003 280 Millionen Euro für eine neue Montagehalle, eine automatisierte Lackieranlage und neue Anlagen in der mechanischen Fertigung und liefert damit ein eindeutiges Bekenntnis zu seinem Motorrad Produktionsstandort Berlin-Spandau. Noch im selben Jahr läuft mit einer R 1100 RT für das Rote Kreuz die 500.000. BMW mit ABS vom Band.
Auch in den Folgejahren bestimmen nicht nur Motorräder, sondern auch die damit verknüpften Produktionsbedingungen das Geschehen im Werk Berlin. So wird 2004 eine neue, umweltfreundliche Lackiererei eröffnet, im Jahr darauf erfolgt die Einführung umweltfreundlicher Motorrad Einweg- und Mehrwegverpackung.
2006 rollt mit der F 800 S die erste Verteterin der neuen, vierten Baureihe von BMW Motorrad vom Band. Sie verfügt über einen wassergekühlten 2-Zylinder Reihenmotor (Paralleltwin) und bildet die Ausgangsbasis für zukünftige Modelle mit diesem Antriebskonzept.
2006 überspringt das BMW Werk Berlin erstmals die Zahl von 100.000 gebauten BMW Motorrädern innerhalb eines Kalenderjahres. Mit dem Einsatz von Hydroklarlacken auf Wasserbasis trägt das BMW Motorrad Werk seit 2008 weiter verstärkt dem Umweltschutz Rechnung.
Mit einer BMW R 1200 GS läuft am 12. Mai 2009 die 500.000. BMW mit der Modellbezeichnung "GS" in Berlin vom Band, und in diesem Jahr begann die Produktion der neuen BMW S 1000 RR dem ersten Supersportler von BMW Motorrad.