Neu im AutoMuseum
Volkswagen: eine exquisite Sonderausstellung über automobile Blech- und Alu
MINIum- Haute Couture der 50er Jahre -
Volkswagen-Luxus pur von deutschen, Schweizer und italienischen Karosserie-Manufakturen.
Vom 23. Januar bis zum 21. März dokumentiert die Ausstellung in der Wolfsburger Dieselstraße damit eindrucksvoll die Vielfalt des künstlerischen Schaffens europäischer Karosseriebauer auf der Plattform des Käfer - dies zu einer Zeit, da in Wolfsburg der Käfer das (solitäre) Maß der Dinge war. Die zwölf im AutoMuseum präsentierten Volkswagen mit Spezial-Karosserien sind zugleich Zeugnis der handwerklichen Exzellenz einer Handwerks-Gilde, die in der Ära selbsttragender Karosserien schon längst ausgestorben schien -und heute im Zeichen zunehmender Traditionspflege und Individualisierung mit ebensoviel Liebe und Fachverstand in den Manufakturen ein Comeback feiert.
Deutschland in der Zeit des Wirtschaftswunders, in der Blütezeit des Käfer von Volkswagen: "Wir sind wieder wer!" heißt es selbstbewusst in der Gefolgschaft des Fußball-Weltmeisters von 1954. Und: Man gönnt sich wieder was. Tütenlampen und Nierentische zeugen in deutschen Wohnstuben von Modebewusstsein. Wer kann, leistet sich eine Edelholzmusiktruhe mit Plattenwechsler. Sekt-Fabrikanten haben Hochkonjunktur - Nachholbedarf des Feierns nach Jahren der Entbehrung.
"Lifestyle" ist noch unbekannt, "Lebenslust" umso mehr: Italien lockt die Deutschen über die Alpen, RiMINI wird zum Traumziel der Schaffer und Malocher. Und italienische Eisdielen gedeihen an jeder Straßenecke wie heute Hamburger-Ketten.
Volkswagen in Wolfsburg Anfang der 50er Jahre: Von den Bändern läuft der Käfer - nichts als der Käfer und dessen Derivat für Gewerbetreibende, der Transporter*. Zwei Pkw-Varianten stehen den Kunden zur Wahl: Limousine Standard und Limousine Export. Ein Faltschiebedach kann ab 1950 als Extra geordert werden - es kostet 250 DM Aufpreis. Die legendäre Blumenvase am Armaturenbrett, für den New Beetle ein knappes halbes Jahrhundert später wiederentdeckt, gilt Volkswagen-Fahrern als Gipfel des Luxus.
Doch wer statt der vernünftigen Limousine etwas ganz Besonderes, etwas Eleganteres oder gar Schnelleres von Volkswagen haben möchte, der beißt bei VW-Direktor Heinrich Nordhoff und somit bei der VW-Händlerschaft auf Granit - zunächst jedenfalls. Denn nur die von Karmann in Osnabrück und Hebmüller in Wülfrath bei Wuppertal Ende der 40er Jahre konzipierten Offen-Käfer fanden nach eingehender Prüfung Gnade vor den Augen der VW-Ingenieure um Dr. Haesner und deren oberstem Vorgesetzten. Karmann hatte ihnen ein viersitziges, sogenanntes Cabriolet B mit dick wattiertem Verdeck vorgeführt, Hebmüller eine zweisitzige Alternative mit knapp geschnittener Kapuze (Cabriolet A).
Sekt statt Selters: Käfer-Cabrios von Karmann und Hebmüller
Beide Cabrio-Varianten sind rund 55 Jahre später in der Feinkost-Sonderausstellung des AutoMuseum vertreten - beide vom selben Baujahr 1949 und damit Frühwerke ihrer Art. Doch während das Karmann-Cabrio ab dem 3. Juni 1949 bis zum 10. Januar 1980 mit insgesamt 332.000 Exemplaren zum in dieser Zeit meistgebauten Cabriolet der Welt avancieren sollte, endete die Karriere des rassigen Hebmüller-Zweisitzers tragisch. Von einem verheerenden Brand, der am 23. Juli 1949 um 10 Uhr ausbrach und wegen Wassermangels nicht gelöscht werden konnte, erholte sich der alteingesessene Wülfrather Karosseriebauer nie mehr: Als 1952 bei Hebmüller der Konkursverwalter die Regie übernahm, waren gerade 696 Exemplare fertig gestellt.
Die Rolle der sportlich-eleganten Hebmüller-Version sollte später der Karmann-Ghia übernehmen, dessen früher Prototyp aus dem Jahr 1953 als Leihgabe der Wilhelm Karmann GmbH einer der Superstars der illustren Runde im AutoMuseum ist. Es handelt sich dabei um exakt jene zunächst geheime Studie, mit der Wilhelm Karmann im Oktober 1953 Heinrich Nordhoff auf dem Pariser Salon überraschte - und überzeugte.
Panino statt Graubrot: Volkswagen-Coupé von Ghia und Karmann
Entworfen hat das Zweisitzer-Coupé der Italiener Luigi Segre, bis zu seinem Tode 1963 Chefstilist und Produktionsleiter der Turiner Ghia S.p.A. Segre schuf in den 50er Jahren einen sehr Ghia-charakteristischen Design-Stil, indem er seine rundlichen, opulenten Karosseriekörper mit sehr zierlichen, lichtdurchfluteten Dachpartien krönte. Zur Reinkultur entwickelt gibt dieser Stil dem von Karmann am 14. Juli 1955 in Serienversion präsentierten Karmann-Ghia das typische Gepräge: schnittig, verspielt - eine rollende Antithese zur Ernsthaftigkeit des Käfer, der ihm Bodengruppe und gesamte Technik lieh.
Der Karmann-Ghia, 1957 um eine Cabriolet-Version ergänzt, erhielt wie das Käfer-Cabriolet den Ritterschlag eines vollwertigen Volkswagen-Familienmitglieds. Anderen Spezial-Versionen und ihren Schöpfern erging es weniger gut: Heinrich Nordhoff versagte ihnen die Lieferung bloßer Bodengruppen ohne Karosserie und begründete dies 1954 in einer Pressekonferenz mit den Worten "...wir sind eine Automobilfabrik und keine Chassisfabrik. Wir wollen es in der Hand behalten, wie der Wagen aussieht, der unseren Namen trägt."
Trotzdem entstanden auf dem dafür bestens geeigneten Plattformrahmen des Käfer auch ohne den Segen Nordhoffs immer wieder luxuriöse Geschöpfe - Coupés und Cabriolets, die im Wirtschaftswunderland Deutschland und andernorts wohlhabende Käufer fanden. Denn manch einer wollte bei aller geForderten Noblesse das Robuste und Anspruchslose des Käfer nicht missen. Diese Individualisten nahmen in Kauf, zunächst einmal einen kompletten Volkswagen erwerben zu müssen, ehe der beauftragte Karosserieschneider sein Werk mit der Demontage des Käfer-Aufbaus beginnen konnte.
Wein statt Wasser: Spezialitäten von Dannenhauer Stauss
Gottfried Dannenhauer und sein Schwiegersohn Kurt Stauss in Stuttgart zählten dazu. Dannenhauer hatte erste Karosseriebau- und Volkswagen-Erfahrungen bereits vor dem Zweiten Weltkrieg gesammelt, als er bei den Stuttgarter Reutter Karosseriewerken 1938 mithalf, Karosserien für die Käfer-Vorserie VW 38 zu bauen. Mit der Karosseriegestaltung seines Spezial-Volkswagens betraute das Stuttgarter Gespann zwei Schüler des renommierten Aerodynamikers Dr. Wunibald Kamm, der an der Stuttgarter Uni lehrte - beste Voraussetzung also für gute Windschlüpfigkeit und damit gute Fahrleistungen.
Alle Dannenhauer Stauss-Karosserien entstanden ab 1951 in überwiegender Handarbeit unter Verwendung hölzerner Klopfformen. Lediglich die Türen und Hauben erhielten in Pressen ihre Gestalt. Die geringe Höhe der sportlichen Spezial-Volkswagen erForderte natürlich auch eigens gefertigte Sitze, meist mit edlem Leder bezogen und damit den luxuriösen Anspruch unterstreichend. Unverändert beließen DS bei der Mehrzahl ihrer Geschöpfe die Käfer-Technik - oft pflegten jedoch stolze Besitzer nachträglich größeres Feuer zu entfachen: mit Hilfe eines Porsche 356-Triebwerkes etwa, oder - wie beim präsentierten 1951er -Exemplar aus dem Auto Museums-Bestand - mit einem leistungsgesteigerten Okrasa-Motor von PS-Zauberer Gerhard Oettinger.
Damit wurde aus einem teuren Spaß wahrhaftiger Luxus. Denn allein die Karosserie aus Stuttgart kostete 1951 mit DM 4.250 fast so viel wie ein kompletter Käfer Standard aus Wolfsburg (DM 4.600) - die Kosten für die Bodengruppe und komplette Technik mussten jedoch noch addiert werden. Für ihren letzten VW-Flitzer berechneten Dannenhauer Stauss anno 1957 die stolze Komplettsumme von DM 8.742. Der in größerer Serie gebaute Karmann-Ghia - damaliger Preis für das Cabrio: DM 8.250 - bedeutete das D S-Ende. Heute weiß niemand mehr ganz genau, wie viele Dannhauer Stauss Volkswagen in den Jahren 1951 bis 1957 entstanden:
Schätzungen schwanken zwischen deren 80 bis 135, von denen, so weit bekannt, weltweit 16 bis heute überlebten. Die Chance, gleich zwei davon betrachten und vergleichen zu können, ist somit denkbar gering - das AutoMuseum Volkswagen bietet sie.
Kaviar statt Brathering: Luxus-VWs von Rometsch und Drews
Und mehr als das: Neben Hebmüller, erstem Karmann-Ghia und D S warten weitere Volkswagen-Raritäten in der Dieselstraße auf Bewunderer.
So zum Beispiel gleich vier Coupé- und Cabrio-Varianten des Berliners Friedrich Rometsch und seines Sohnes Fritz. Auch Rometsch senior konnte auf Erfahrungen in einem renommierten Karosserie-Unternehmen bauen: Er hatte seinen Beruf beim Berliner Edelcouturier Erdmann Rossi erlernt, wo in den 20er und 30er Jahren wahre Prunkstücke zum Beispiel auf Mercedes Kompressor-, Bugatti- oder Horch-Chassis entstanden. Rometsch-Hausdesigner Johannes Beeskow kam gleichfalls von Erdmann Rossi und war damit vertraut mit den Wünschen besonders anspruchsvoller Kunden.
Kein Wunder, dass sich spontan Prominenz für den Luxusliner von Rometsch interessierte, als er anno 1950 auf der Automobilausstellung in Berlin sein Debüt gab. So zählte der Schauspieler Victor de Kowa zu den ersten, die stolze DM 8.900 für den Volkswagen im AluMINIum-Frack locker machten. Später gesellten sich in den USA Gregory Peck und Audrey Hepburn hinzu - ausgesprochen vorteilhaft für den Absatz des von Berliner Schnauzen wegen der gekrümmten Rometsch-Gürtellinie "Banane" getauften Luxus-Vehikels: 585 Sonderkarosserien entstanden bei Rometsch in den Jahren 1950 bis 1961, ab 1957 in völlig neuer, sichtbar amerikanisierter Form.
Dem neuen Rometsch verlieh der Berliner Designer Bert Lawrence Heckflossen, Panorama-Windschutzscheibe - und unter Enthusiasten zur Unterscheidung von der Beeskow-Version auch den Zusatznamen: Diese späten Coupés und Cabrios werden "Rometsch Lawrence" genannt. Das AutoMuseum zeigt sie alle: zwei Rometsch von Beeskow und deren zwei von Lawrence.
Im Vergleich zu den vergleichsweise erfolgreichen Rometsch-Volkswagen sind vier weitere Exponate des Wolfsburger Schönheits-Salons in der Dieselstraße die Raritäten unter den Raritäten: das von den Gebrüdern Drews in Wuppertal-Oberbarmen gebaute Sportcabriolet mit aus AluMINIum handgedengelter, auf einen Rohrrahmen aufgesetzter Karosserie entstand in den Jahren 1949 bis 1951 nur rund 150mal. Rund 1.000 Arbeitsstunden waren vonnöten, um ein einziges Drews-Cabriolet auf die Räder zu stellen - und viel Geld, nämlich mindestens DM 10.000, um eines zu erwerben. Zum Vergleich: Ein Porsche 356/1100 oder ein Mercedes-Benz 170 S kostete die gleiche Summe...
Schokolade statt Drops: Schweiz-Exotik von Beutler und Ghia-Aigle
Sogar noch teurer als ein zeitgenössischer Porsche geriet der Spezial Volkswagen mit AluMINIum-Karosserie, den die Gebrüder Fritz und Ernst Beutler 1957 im Schweizer Thun fertigten: 14.950 Schweizer Franken kostete schon das Basismodell mit Volkswagen-Technik (1192 ccm/30 PS). Der Sonderausstellungs-Beutler, eine Leihgabe der Autostadt und in deren Auftrag komplett restauriert, profitierte indessen von der Großzügigkeit seines Erstbesitzers: Unter seiner Heckhaube tönt ein 75 PS-Triebwerk aus dem Porsche 356 A 1600 Super (damaliger Aufpreis: SFr 3.600), verzögert wird mit einer Porsche-Bremsanlage (damaliger Aufpreis: SFr 1.200). So gerüstet kann gefahrlos die Höchstgeschwindigkeit von über 160 km/h ausgelotet werden - und das sogar mit drei Passagieren an Bord. Denn die Gebrüder Beutler suchten gezielt die Lücke zwischen Volkswagen und Porsche: (fast) so geräumig und praktisch wie ein Käfer, (fast) so flink wie ein Porsche - und dabei so individuell in der Form wie zeitgenössische Exoten.
Ähnliche Ziele wie Beutler verfolgte die Carrozzeria Ghia-Aigle in Lugano mit ihrem rasanten 2+2-sitzigen Coupé auf Volkswagen-Basis. Mit prognostizierten "rund 15.000 Schweizer Franken" war das wahrscheinlich von Pietro Frua gezeichnete Spielzeug zwar preisgünstiger als die Konkurrenz aus Thun, aber gleichwohl ähnlich erfolglos an der Verkaufsfront.
Konnte Beutler vermutlich rund sechs seiner Volkswagen-Extravaganzen absetzen, so gelang dies dem Schweizer Ghia-Lizenznehmer Ghia-Aigle in mindestens einem Fall. Der Beweis dafür steht seit 2000 unrestauriert im Fundus der Stiftung AutoMuseum Volkswagen - und nun erstmals in der AutoMuseums-Halle als faszinierender Scheunenfund unter den Glanzlichtern der Sonderausstellung über Luxus-Versionen auf Käfer-Basis. Er soll - im Vergleich zu den totalrestaurierten Beutler- und Rometsch-Modellen - nicht zuletzt auch veranschaulichen, welcher Aufwand getrieben werde muss, um automobile Pretiosen der Vergangenheit in ihrer ursprünglichen Pracht wieder auferstehen zu lassen.
Butter statt Margarine: Nobel-Coupé von Stoll
Das womöglich skurrilste Exponat der AutoMuseums-Sonderausstellung, ein viersitziges Käfer-Coupé, war noch Ende der 80er Jahre in einem ähnlichen Zustand wie heute der Ghia-Aigle. 1952 von einem Rechtsanwalt bei Karosseriebau Stoll (heute Ackermann/Fruehauf in Wolfshagen bei Kassel) in Auftrag gegeben, ging es in den kommenden Jahrzehnten durch viele Hände, um Anfang der 90er Jahre von einem Engländer liebevoll restauriert zu werden. Heute zählt es zum Bestand des ZeitHaus der Autostadt.
Wie die anderen Stars der Sonderausstellung im AutoMuseum ist er rollender Beweis dafür, dass für manchen Luxus schon damals mehr war als bloß ein Faltschiebedach oder eine Blumenvase am Armaturenbrett.
* gebaut ab 8. März 1950 - sechs Jahre später Produktionsverlagerung des Transporters nach Hannover