Der derzeitige Ölpreis liefert nach Ansicht des stellvertretenden BP-Chefökonomen Dr. Christof Rühl keine Anzeichen für eine bevorstehende globale Erdöl- oder Rohstoffknappheit oder ein Ende des Erdöls. "Dies zu behaupten, wäre falsch", sagte Rühl. Der Anstieg des Ölpreises falle zusammen mit weltweit gut aufgefüllten Lagerbeständen. "Nach einem Rückgang der freien Produktionskapazitäten seit 2004 wird der Weltmarktpreis zunehmend von geopolitischen Erwägungen sowie von Ängsten und Sorgen über eventuelle Lieferengpässe bestimmt. Für die sichere Belieferung sind die Marktteilnehmer bereit, Risikoprämien zu bezahlen. Dadurch erhöhen sich die Preise trotz steigender Bevorratung."
Rühl widersprach damit erneut Vertretern der so genannten "Peak Oil"-These. Diese gehen davon aus, dass das Erdöl-Fördermaximum erreicht sei oder in Kürze bevorstehe. Sie sehen im Anstieg des Ölpreises ein Indiz für die generelle Verknappung des Rohstoffs und prophezeien ein baldiges Ende des Ölzeitalters.
Der stellvertretende BP-Chefvolkswirt sagte, dass nach der Bewertung aller verfügbaren Parameter mittelfristig nicht mit einem rapiden Sinken der weltweiten Erdölvorräte zu rechnen sei. Die geförderte Erdölmenge sei auch 2005 durch neu erschlossene Funde mehr als substituiert worden. "Auch die BP-Gruppe ersetzt seit 13 Jahren kontinuierlich die produzierten Mengen." Zudem ermögliche ein höherer Preis, bislang unrentable Erdölvorräte in bekannten und noch nicht erschlossenen Gebieten auszubeuten. Laut dem jährlich herausgegebenen BP Statistical Review of World Energy sind die nachgewiesenen Erdölvorräte zwischen 1985 und 2005 von 770 auf 1.200 Milliarden Barrel gewachsen, also um mehr als die Hälfte.
BTC-Pipeline: Nach 100 Jahren wieder Öl aus dem Kaspischen Meer
Rühl betonte, dass Erdöl trotz der graduellen Verschiebung hin zu neuen und alternativen Energieträgern "auf Jahrzehnte" eine wichtige Rolle im Energie-Mix spielen werde. Besonders im Kaspischen Meer seien zuletzt große Erdölmengen entdeckt worden. In der vergangenen Woche war die so genannte Baku-Tiflis-Ceyhan (BTC)-Pipeline von Baku am Kaspischen Meer nach Ceyhan am Mittelmeer von 50 Staatschefs feierlich eröffnet worden. Die Pipeline wurde von einem Konsortium unter Führung der BP-Gruppe gebaut. "Zu Recht wird die 1.768 Kilometer lange Pipeline oft als das erste große Ingenieursprojekt im neuen Jahrhundert bezeichnet."
Der stellvertretende Chefvolkswirt der BP-Gruppe rechnet allerdings auch damit, dass andere Energien künftig eine bedeutendere Rolle spielen. "Schon 2005 ist der Ölverbrauch weltweit geringer angestiegen als aufgrund des Wirtschaftswachstums zu erwarten war. Der vermehrte Einsatz von Kohle und Gas lohnt sich bei steigenden Ölpreisen." Außerdem seien Konsumentenwünsche und politische Vorgaben die wichtigsten Markttreiber für alternative Energien.
Hintergrund:
BP ist der zweitgrößte börsennotierte Energie-Konzern der Welt. Maßgebliche Anteilseigner sind Pensionsfonds. Das Unternehmen investiert in zahlreiche Energieformen und ist eines der weltweit führenden Unternehmen in der Solartechnik. Erst vor kurzem hatte BP bekannt gegeben, dass das Unternehmen sein Engagement in Biobutanol als alternativem Treibstoff verstärkt.