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Vom Fiat 1100 zum Stilo in 50 JahrenGenau 147 Zubereitungsarten für Spaghetti soll es in den 50er Jahren gegeben haben. Ähnlich viele Rezepte, allerdings zum Bau eines kleinen, wirtschaftlichen Familienautos, kursierten damals in den Entwicklungsabteilungen der Autohersteller. Fiat wählte eines der besten aus und servierte 1953 den "Nuova Millecento", einen Wagen "für automobilistische Feinschmecker" , wie ein zeitgenössischer Autotester treffend bemerkte. Dieses Fahrzeug leitete mit seiner selbsttragenden Pontonkarosserie im Fiat-Modellprogramm eine neue Ära in der Typenreihe 1100 ein, die sich bis ins Jahr 1937 zurückverfolgen lässt. Die 1100er galten stets als unverwüstlich, temperamentvoll und anspruchslos – eine Tradition, die der neue Millecento fortführte, mit dem Fiat sein Angebot in der Mittelklasse nach unten abrundete. Der im Werk Mirafiori gebaute Wagen avancierte schnell zu einem Erfolgsmodell, dessen Qualitäten selbst den kritischen deutschen Autofahrern nicht verborgen blieben, zumal er ab 1954 auch in Heilbronn als NSU-Fiat Neckar vom Band lief. Damals, in der Zeit des Wirtschaftswunders, packte viele Deutsche die Italiensehnsucht. Sie träumten von Bella Italia, vom leuchtend blauen Gardasee und vom feinen weichen Adriastrand. Allein 1958 reisten vier Millionen gen Süden, und wer sich das noch nicht leisten konnte, genoss ein wenig Dolce Vita mit Ravioli aus der Dose – in jenem Jahr von Maggi erstmals auf den Markt gebracht. Da wundert es nicht, dass auch italienische Autos und besonders die Fiat 1100 beziehungsweise Neckar hierzulande zahlreiche Liebhaber fanden. Diese Modellreihe war über die Jahre hinweg stetig weiterentwickelt worden und präsentierte sich 1961 in wiederum aktualisierter Form. Ein "Wagen für moderne Menschen" titulierte die Werbung den gefälligen Viertürer mit angedeuteten, modischen Heckflossen. In der Version Neckar Spezial besaß er nun die vom Typ 1200 Granluce her bekannte Karosserie mit vorne angeschlagenen Türen, während sie beim normalen Neckar noch an der B-Säule befestigt waren. Zu seiner Zeit war dieser Fiat ein tolles Auto mit vielen erstaunlichen Details – speziell, was die praktische Ausstattung betrifft. Dazu zählen eine über die gesamte Fahrzeugbreite reichende Ablage unter dem Armaturenbrett, die Scheiben-Waschanlage, die im Halter des Innenspiegels integrierte Innenraumleuchte, die Motor- und Kofferraumbeleuchtung sowie die Gepäcknetze an den Rückenlehnen der Vordersitze. Der Clou der in Deutschland gebauten 1100er Version war jedoch die schon 1956 eingeführte, umklappbare Rücksitzbank, womit die Stufenhecklimousine fast die Ladekapazität eines Kombis gewann. Das lässt mancher Wagen heute noch vermissen. Nicht so der Stilo. Fiats derzeitiger Trumpf in der kompakten Mittelklasse macht in Sachen Ausstattung seinem Vorgänger alle Ehre. Er wartet nicht nur mit einer asymmetrisch geteilten Rückbank auf, deren Segmente sich umklappen oder sogar getrennt voneinander nach vorne oder hinten schieben lassen, sondern noch mit einer Fülle weiterer praktischer Details. Diverse Cupholder, ein gekühltes Handschuhfach, Klapptische an den Rückenlehnen der Vordersitze oder den in einen Tisch verwandelbaren Beifahrersitz machen aus dem Stilo ein ideales Familienauto. Für Kurzweil auf Reisen sorgen auf Wunsch ein RDS Highclass Autoradio mit CD- und MP3-Player, während ein HiFi-System mit acht Lautsprechern und Subwoofer einen besonders intensiven musikalischen Genuss ermöglicht. Von solchen Dingen ahnte der Neckar-Besitzer noch nichts. Er sang die zeitgenössischen Hits wie "Marina, Marina" oder "Zwei kleine Italiener" entweder selbst, oder er rüstete in Eigenregie ein Radio nach. Mindestens 300 Mark musste er für ein Markengerät mit UKW-Empfang anlegen – also eine stattliche Summe in Relation zum Fahrzeugpreis. Dieser betrug im Jahr 1961 genau 5.700 Mark plus 250 Mark für Heizung und Lenkradschloss. Und die Extras? Nun, 75 Mark für Weißwandreifen und für den normalen Neckar konnte man zusätzlich ein Schiebedach ordern. Das war’s. Da hat der Stilo-Käufer ganz andere Perspektiven. Schon die für 14.700 Euro erhältliche, fünftürige Basisversion enthält eine üppige Serienausstattung, die von den Versionen Active, Dynamic oder Abarth nochmals getoppt wird. Und wer möchte kann die schon umfangreiche Ausstattung mit Extras wie Komfort-Paket (Dämmerungs-, Regen- und Parksensor) oder Connect NAV+ (RDS Highclass-Autoradio mit CD, MP 3, WAP, GPS, GSM-Telefon, Notruftaste, Spracherkennung und Navigationssystem mit Kartendarstellung auf 7-Zoll-TFT-Display) auf Oberklasse-Niveau hieven. Sogar bei der Motorisierung stehen dem Stilo-Interessenten sieben Alternativen zur Wahl: vier Vierventil-Benziner und drei Turbodiesel mit Common Rail mit Leistungen zwischen 70 und 125 kW (95 und 170 PS).</FONT> Der kleinste Motor in dieser Runde ist der 70 kW (95 PS) starke 1,4 Liter-Vierzylinder. Mit seinen zwei obenliegenden Nockenwellen, den vier Ventilen pro Zylinder und der elektronischen Kraftstoffeinspritzung ist er im Vergleich zum Antrieb des Neckar ein High-Tech-Produkt. Unter der Haube des Neckar Spezial werkelt dagegen ein 1089 ccm-Triebwerk mit seitlicher Nockenwelle und Doppelfallstrom-Registervergaser, das 35 kW (48 PS) bei 5300 U/min leistet und dem eine zeitgenössische Werbeanzeige das "Temperament eines Vollblüters und die Ausdauer eines Marathonläufers" attestierte. Doch damals galten andere Maßstäbe. Wenn der Neckar-Fahrer auf der Autobahn Vollgas gab und die Blumen in der Vase am blechernen Armaturenbrett zu zittern begannen, erfüllte es auch die Dame auf dem Beifahrersitz mit Stolz, wenn sie mit einem verstohlenen Seitenblick auf den Bandtacho die Zahl 130 ablesen konnte. Schnell sein hatte in den 50er und 60er Jahren eine andere Dimension, das wird auch beim Kurvenfahren deutlich. Wenn der mit vorderer Einzelradaufhängung und hinterer Starrachse ausgerüstete Neckar flott durch die Kehren gezirkelt wird, beginnen die dürren 5.20er Reifen zu wimmern und zu quietschen. Das dabei angeschlagene Tempo galt vor 50 Jahren als beachtlich, doch heute kann selbst ein sehr engagierter Pilot hinter dem dünnen Bakelit-Lenkrad einem vorausfahrenden Stilo kaum noch folgen. Das Fahrwerk des modernen Bruders erlaubt wesentlich höhere Kurvengeschwindigkeiten, ohne dabei kritische Momente heraufzubeschwören. Und in gefährlichen Situationen, wie etwa bei einer zu flott angegangenen Biegung, die von einem Neckar-Fahrer höchste Konzentration und sehr viel Feingefühl erfordern, steht dem Stilo-Piloten das elektronische Stabilitätsprogramm ESP zur Seite. Überhaupt trumpft der Stilo in Sachen aktive Fahrsicherheit groß auf. Zur Serienausstattung gehören ABS mit elektronischer Bremskraftverteilung, ab der Active-Version eine Antriebsschlupfregelung und im Dynamic und Abarth ein Bremsassistent. Selbst im Falle eines Unfalls haben die Stilo-Insassen dank der bis zu acht Airbags und dem Feuerschutzsystem FPS, das im Falle eines Aufpralls die Kraftstoffzufuhr unterbricht, eindeutig die besseren Karten. Speziell diese Details verdeutlichen den zeitlichen Abstand der beiden Fiat Generationen. In seiner Ära war der Neckar aber up-to-date, was ihm einen der vorderen Plätze in der Beliebtheitsskala der kompakten Viertürer sicherte. Allein 1962 montierten die Heilbronner 27 600 Exemplare. Die Modellpflege in Form des 1100 D von 1962, der im Jahr darauf als "Europa" in Deutschland angeboten wurde, und des 1966 folgenden 1100 R wahrten die Attraktivität dieses Autos. Als 1969 die Auftragsbücher für die Typenreihe 1100 geschlossen wurde, waren über die Jahre hinweg rund zwei Millionen Bestellungen zusammen gekommen. Fiat hatte offenbar das richtige Rezept für ein Familienauto der unteren Mittelklasse ausgesucht. Mit dem kompakten Multitalent Stilo gelang dieses Kunststück erneut. |
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