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Volvo Multiplex-Technologie für neueste FahrzeugelektrikIn der Gründerzeit des Automobilbaus stellte sich die Elektrik noch als ein überschaubares Thema dar. So enthielt der Schaltplan eines Volvo ÖV4 aus dem Jahr 1927 neben den Hauptkomponenten Batterie, Anlasser, Zündspule und Verteiler lediglich die Außen- und Innenbeleuchtung sowie ein Signalhorn. Für das gesamte Bordnetz genügten vier Sicherungen, und alle Kabel erreichten gerade einmal eine Gesamtlänge von 30 Metern. Heutige Automobile sind – nicht zuletzt dank moderner Elektronik und Steuersysteme – in jeder Hinsicht leistungsfähiger, sicherer und komfortabler geworden. Die Fahrzeuge verfügen über komplexe Fahrer-Assistenzsysteme wie die Volvo Fahrstabilitätsregelung DSTC, Komfortfeatures wie automatische Klimatisierungen, adaptive Getriebesteuerungen und aufwändige Audio- und Navigationssysteme. Vernetzte Sicherheitsmerkmale, wie mehrstufige Airbags und Rückhaltesysteme, sowie komplexe Motorsteuerungen zur Verbrauchs- und Schadstoffreduzierung gehören dazu. Wollte man diese Anforderungen mit Bordnetzen konventioneller Bauart realisieren, würde dies mehr Stromkreise, zusätzliche Kabel und Verbindungsstellen, mehr Schalter, Relais und fest programmierte Steuergeräte nach sich ziehen – mit allen technischen Handicaps, die sich daraus ergeben: zusätzliches Gewicht und höhere Materialkosten, weniger Einbauraum, Mehraufwand für Wartungs- und Reparaturarbeiten, Anstieg von Verbrauch und Schadstoffemissionen sowie erhöhtes Ausfallrisiko. Im Jahr 1997, also 70 Jahre nach dem ÖV4, addierte sich der Materialaufwand in einem Volvo V70 auf rund 1.200 Meter Kabellänge, 54 Sicherungen und 20 Steuergeräte. Multiplex bedeutet schlanke FahrzeugelektrikDas Multiplex-Bordnetz besteht aus einem so genannten CAN-Netzwerk (= Controller Area Network), bei dem sich einzelne Rechnereinheiten (Module) die Steuerung der verschiedenen Komponenten teilen. Im Unterschied zu konventionellen Bordnetzen, in denen die Steuergeräte verschiedene Protokolle unterstützen (das heißt: verschiedene Sprachen sprechen), kommunizieren die Multiplex-Komponenten über so genannte Datenbusse in ein und derselben Computersprache, dem aus Nullen und Einsen bestehenden Binärcode. Im Prinzip handelt es sich bei einem Datenbus um eine Ringleitung, an die sämtliche Rechenmodule angedockt sind. Alle Signale werden in diese Leitung eingespeist und passieren dabei zwangsläufig jedes Modul. An speziellen Codierungen erkennt das jeweilige Modul, ob es angesprochen wird; ist das der Fall, wird es aktiv und setzt die Steuerbefehle um. Informationen, die an andere Module adressiert sind, werden dagegen ignoriert. Der große Vorteil: Wo vorher zahlreiche Einzelstromkreise mit separaten Verkabelungen, Relais und Steuergeräten nötig waren, reicht jetzt eine Datenbus-Leitung aus. Jeweils zwei Datenbusse kommen in den Volvo Modellen S60, S80, V70 und XC70 zum Einsatz. Der für zeitsensible Regelvorgänge an Motor, Antrieb, ABS, EBV und dem Fahrstabilitätsprogramm DSTC zuständige High Speed-Bus transportiert Datenmengen von 500 kBit/s (500.000 Byte pro Sekunde)*. Weniger geschwindigkeitsabhängige Systeme – in erster Linie Komfortfunktionen wie die Audio- und Klimaregelungen – werden über den 125 kBit/s schnellen Low Speed-Bus gesteuert. Dieses Konzept einer Arbeitsverteilung auf mitdenkende Rechnereinheiten hat zahlreiche Vorteile: es ist nicht nur flexibler und leistungsfähiger, sondern bietet auch eine deutlich höhere Zuverlässigkeit. Außerdem ist es den Entwicklern möglich, mehr und anspruchvollere Funktionen unterzubringen als in der Vor-Multiplex-Ära. Volvo zählt auf diesem Hightech-Gebiet zu den Schrittmachern: Die Oberklasse-Limousine Volvo S80 war bei ihrem Debüt 1998 als erstes Serienmodell weltweit mit dieser zukunftsweisenden Bordnetz-Architektur ausgerüstet. Neuester Technikstand: dritter Datenbus in Volvo S40, Volvo V50, Volvo XC90Den neuesten Stand der Multiplex-Technologie repräsentieren die jüngst eingeführten Modelle Volvo S40 und Volvo V50 sowie das Premium-SUV (Sport Utility Vehicle) Volvo XC90, in denen für verschiedene Funktionsgruppen sogar drei unterschiedlich schnelle Datenbusse installiert sind. Dabei ist der dritte Bus mit der Bezeichnung "MOST" (Media Oriented Systems Transport) für die Steuerung von Media-Komponenten wie Audio, Navigation und Telefon zuständig. Im Unterschied zu den Low- und High Speed-Bussen erfolgt hier der Signaltransfer über ultraschnelle Lichtimpulse in einem Glasfaserkabel. Mit 25 mBit/s (Megabit pro Sekunde = 25.000 kBit/s) erreicht der MOST-Bus die fünfzigfache Transferrate des High Speed-Busses und transportiert damit pro Sekunde die Datenmenge von zwanzig Audio-CDs. MOST als Highspeed-Datenautobahn einzusetzen, ist jedoch weder erforderlich noch möglich. Einerseits ist die Transferrate der regulären Hochgeschwindigkeits-Datenleitung bei weitem schnell genug, um ohne Verzögerung in Echtzeit zu operieren. Andererseits lässt sich die Lichtwellentechnik nur nutzen, wenn die angesteuerten Module in Reihe geschaltet sind. Fiele eines von ihnen aus, wären auch die übrigen nicht mehr einsatzfähig – für sicherheitsrelevante Systeme ein zu hohes Risiko. Auch im Hinblick auf Service, Logistik und individuelle Kundenbetreuung ist die Multiplex-Technologie ein Fortschrittsmerkmal. Durch die Fähigkeit des Systems, per Selbstdiagnose Fehlfunktionen detailliert zu dokumentieren und abzuspeichern, beschränkt sich eine eventuelle Fehlersuche lediglich auf das Auslesen von Daten per Diagnose-Steckverbindung zwischen Servicegerät und zentralem Steuermodul im Motorraum. Da die Steuermodule frei programmierbar sind, können sie zudem exakt auf die differenzierten Anforderungen der verschiedenen Märkte eingestellt werden – die Herstellung und Lagerung länderspezifischer Ausführungen kann also entfallen. Zudem lassen sich beim Händler nachträglich weitere Ausstattungsmerkmale, zum Beispiel die Tempomat-Funktion, durch das Aufspielen der entsprechenden Software nachrüsten. Auf dem gleichen Weg ist es möglich, vorhandene Funktionen durch ein Update mit der neusten Programmversion zu optimieren. Individualisierung nach KundenwunschDas aktuelle Volvo Multiplex-System geht sogar noch einen Schritt weiter. Dank einer neuen Software ist es möglich, zahlreiche Komfortfunktionen des Fahrzeugs den individuellen Vorlieben des Kunden anzupassen. Ist ihm zum Beispiel die erste Stufe der zweistufigen Sitzheizung nicht heiß genug oder die zweite Stufe zu heiß, so lässt sich dies ebenso problemlos programmieren wie die Dauer der Wegbeleuchtung oder der wahlweise helle oder dunkle Hintergrund des RTI-Monitors. In Zukunft ist es sogar denkbar, die vom Kunden gewünschten persönlichen Einstellungen wie bevorzugte Radiosender, Sitzmemorystellung, Spiegeleinstellungen oder RTI-Ziele vorprogrammieren bzw. speichern lassen. Damit kann ein Neuwagen dann bereits vor der Auslieferung mit den individuellen Einstellungen des Kunden versehen werden. Software-Update beim Volvo-Händler via InternetDie Programme sind von jedem Volvo Händler weltweit via Internet jederzeit online abrufbar. Diese Service-Flexibilität steht zurzeit nur Kunden der schwedischen Premiummarke Volvo zur Verfügung. Die gesamte Software sämtlicher Volvo Modelle ist auf drei Servern abgelegt. Von den beiden Exemplaren in der Unternehmenszentrale im schwedischen Göteborg erfüllt einer die Funktion der Stammdatenbank. Er ist von außen nicht zugänglich. Ein zweiter versorgt die europäischen Länder, ein identischer Zwilling in Amerika ist für den US-Markt zuständig. Selbst für den Fall, dass einer der Server störungsbedingt nicht kontaktiert werden kann, wird der Volvo Kunde kurzfristig bedient: In diesem Fall wird der Händleranschluß automatisch auf den Server des jeweils anderen Kontinents geschaltet. * Ein Bit (Binary digit, = Binärziffer) ist die kleinste Informationseinheit in der Computersprache. Übertragen auf die menschliche Sprache, vergleichbar mit einem Buchstaben. Acht Bits bilden ein Byte, gewissermaßen ein Wort. Aneinander gereiht, formieren sich diese Bytes zu Sätzen, zu Informationen und Steuerbefehlen. |
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