Im Gespräch mit renaultf1.de äußert sich Flavio Briatore, Generaldirektor des Renault F1-Teams, zufrieden über die Erfolge in der vergangenen Formel 1-Saison. Nach seiner Einschätzung müssen die Konkurrenten auch 2004 wieder mit einer noch stärkeren "Equipe Jaune" rechnen.
Seit zwei Jahren stehen Sie dem Renault F1-Team als Generaldirektor vor. Wie sieht es mit der Koordination zwischen den beiden Workshops in Enstone und Viry-Châtillon aus?
Flavio Briatore:
Das Team hat in den vergangenen zwei Jahren in jedem einzelnen Bereich Fortschritte gemacht. Durch die Arbeit jedes Einzelnen in Frankreich und in England konnten wir die fantastischen Resultate in der vergangenen Saison erreichen. Enstone und Viry arbeiten Hand in Hand. Wir sind ein großes Team.
Zu Beginn der Saison 2003 haben Sie auch die Verantwortung für die Motorenabteilung übernommen. Was hat sich dadurch verändert?
FB:
Wir konnten dadurch die Koordination zwischen Enstone und Viry optimieren. Wie gesagt: Es spielt bei unserer Arbeitsweise überhaupt keine Rolle, dass sich unser Team auf zwei Hauptquartiere aufteilt, die auf unterschiedlichen Seiten des Ärmelkanals liegen. Wir beschäftigen in beiden Workshops ausgezeichnete Ingenieure, denen wir beste Voraussetzungen bieten. Denn nur, wenn sich unsere Angestellten wohlfühlen, können Sie ihre Arbeit gut machen. Und nur dann stellt sich Erfolg ein. Unter anderem können wir mit unserer Team-Struktur sehr schnell Ideen umsetzen. Darüber hinaus haben wir bereits mit der Arbeit an dem Motor für 2005 begonnen. Wir verfügen über großen Optimismus – und der ist unerlässlich.
Es gab also keine Probleme mit der Integration von Chassis und Motor?
FB:
In keinster Weise. Die grundlegenden Daten des neuen Autos standen bereits vor über acht Monaten fest. Wir hatten also ausreichend Zeit, den Renault R24 bis in das kleinste Detail zu entwickeln. Dabei hatten wir zu jedem Zeitpunkt auch unsere Entscheidung für eine eher konventionelle Motoren-Konstruktion im Hinterkopf. In den vergangenen beiden Jahren konnten wir die Zusammenarbeit zwischen Enstone und Viry immer weiter verbessern. Deshalb machen wir uns über die Chassis-Motor-Integration überhaupt keine Gedanken. Unser Technischer Direktor Bob Bell und Chef-Designer Mark Smith erledigen mit ihren Teams einen fantastischen Job.
In der vergangenen Saison beeindruckte vor allem die enorme Leistungsteigerung des Teams: Zu Beginn wurden Renault F1 zumeist nur Außenseiter-Chancen eingeräumt. Doch ziemlich schnell haben Sie sich zu regelmäßigen Podium-Anwärtern entwickelt...
FB:
Alles eine Folge unserer stetigen Verbesserungen in allen Bereichen. Wir haben beispielsweise immer die Weiterentwicklung des Chassis vorangetrieben, was sich nicht zuletzt durch die in Silverstone erstmals eingesetzte B-Spezifikation äußerte. Auch in die Motoren-Entwicklung investierten wir viel Arbeit. Davon konnten wir speziell in der zweiten Saisonhälfte profitieren. Nicht zu vergessen: Auch unsere beiden Piloten Jarno Trulli und Fernando Alonso verbesserten sich kontinuierlich. Unsere Rennstrategien erwiesen sich immer als sehr wirkungsvoll. Außerdem haben wir die vor der Saison in Kraft getretenen Regeländerungen sehr gut adaptiert. Man könnte fast sagen, die "Equipe Jaune" beim Saisonfinale in Japan präsentierte sich als besseres Team als noch beim Auftakt in Australien.
Wie hat sich diese Entwicklung auf die Moral im Team ausgewirkt?
FB:
Dass wir bereits ab dem zweiten Saisonlauf um die Pole Position und Podesplätze fuhren, stellte natürlich eine schöne Belohnung für die gesamte Mannschaft dar. Wir hatten einen Lauf. Die Ergebnisse passten und wir fuhren sogar um Siege – da kommt die entsprechende Motivation ganz automatisch. So spürst du beispielsweise bereits heute wieder, dass Enstone und Viry es kaum erwarten können, bis es wieder los geht.
Glauben Sie, dass diese Ergebnisse einige Kritiker zum Nachdenken angeregt haben?
FB:
Vor allem unser Entschluss, das so genannte "Heathrow"-Abkommen zu unterzeichnen, sorgte für sarkastische Kommentare im Fahrerlager. Mit den zahlreichen Podestplätzen und dem Sieg von Ungarn haben wir die beste Antwort darauf gegeben. Auch die größten Kritiker von damals müssen in Zukunft wieder mit uns rechnen.
"Ausgetretene Pfade verlassen und seinen eigenen Weg gehen" – entspricht dies der Renault-Philosophie in der Formel 1?
FB:
Ganz genau. Bei allen unseren Entscheidungen stehen die Interessen des Renault-Konzerns absolut im Vordergrund. Wir wollen Ferrari, Williams oder McLaren nicht kopieren. Der Grund? Wir wollen sie schließlich schlagen.
Bedeuten die insgesamt zehn Ausfälle in der vergangenen Saison eine Enttäuschung?
FB:
In gewisser Weise schon. Wir hatten uns in puncto Zuverlässigkeit höhere Ziele gesteckt. In diesem Bereich liegt deshalb auch noch viel Arbeit vor uns. Allerdings wussten wir schon vor der Saison, dass wir gerade beim Motor Probleme bekommen würden, optimale Leistungen zu erreichen. Nicht zuletzt deshalb fiel die Entscheidung zu einem eher konventionellen Motoren-Konzept. Damit werden wir unsere Zuverlässigkeit besser in den Griff bekommen.
Wie ist der Stand in der Motorenentwicklung für die kommenden Saison?
FB:
Angesichts der neuen Regeln wollen wir in der kommenden Saison mit einem Motor die 700 Kilometer-Marke problemlos erreichen. Dafür gilt es einige grundlegende Entscheidungen auf technischer Seite zu treffen. Wir haben bislang hervorragend gearbeitet und entwickeln auch in den kommenden Wochen intensiv weiter. Entsprechend positiv gestalten sich die Ergebnisse: Die ersten Tests auf dem Motorenprüfstand verliefen äußerst vielversprechend.
Es sieht also alles bestens aus?
FB:
Auf jeden Fall. Dabei dürfen wir aber nicht vergessen, dass es 2004 sehr viel schwieriger wird, uns zu verbessern, als in den vergangenen beiden Jahren. Aber das stört uns nicht. Im Gegenteil: Wir lieben die Herausforderung.