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GP Großbritannien: Vorschau des Mild Seven Renault F1 TeamsJarno Trulli Silverstone ist technisch anspruchsvoll und fordert die Autos hart. Die Strecke besitzt alle möglichen Arten von Kurven. Deswegen ist es nicht einfach, das ideale Setup zu finden und eine perfekte Runde hinzulegen. Im Training müssen wir daran arbeiten, das Auto in den langsamen und schnellen Kurven gleichermaßen agil hinzubekommen. Zudem müssen wir Vertrauen ins Fahrverhalten aufbauen können, um es ans Limit zu treiben. Es gibt eine Reihe von Kurven, wo du für eine schnelle Zeit richtig reinhalten musst, wie etwa "Copse" oder "Bridge". Am meisten Spaß macht sicherlich die "Becketts"-Passage, doch in England ist jeder Streckenteil etwas Besonderes. Fernando Alonso Eine der Herausforderungen besteht paradoxerweise darin, dass die Teams die Strecke in- und auswendig kennen. Silverstone gehört zu den Pisten, auf denen es schwierig ist, sich von den anderen abzusetzen. Alle Fahrer kennen sie von Testfahrten, also sollte in Sachen Streckenkenntnis keiner einen Vorteil haben. Der erste Sektor macht am meisten Spaß: Die vielen Highspeed-Kurven sind sehr befriedigend für einen Rennfahrer. Doch am meisten Zeit kannst du ausgerechnet im dritten Teil verlieren oder gewinnen, wenn du dich darauf konzentrierst – obwohl der nicht besonders komplex aussieht. Eine andere Besonderheit ist der Wind: Als Fahrer kannst du kaum einschätzen, was passiert, wenn er dreht. Ob du an einer bestimmten Ecke beim Anbremsen Gegen- oder Rückenwind hast, findest du erst raus, wenn du dort bist – und das ist dann meist zu spät oder zu früh – du musst dich eben sehr schnell darauf einstellen können. Bob Bell, Technischer Direktor Bob Bell: Ihr hättet allerdings auch mit zwei Fahrern auf dem Podium stehen können… Bob Bell: Wie hart trifft euch der Verlust des Podestplatzes? Bob Bell: Was erwartest du in Silverstone? Bob Bell: Pat Symonds: Silverstone aus der Sicht des Ingenieurs Formel 1-Rennwagen sind aerodynamisch extrem ausgereifte und komplexe Gebilde – da liegt es nahe, dass der Wind sich wesentlich auf die Leistungsfähigkeit auswirkt. Viele Jahre lang wurden Grand Prix-Autos in Windkanälen entwickelt, die das Auto immer direkt von vorne anbliesen. Heutzutage wissen wir, dass diese Technik immer nur einen Teil der Wahrheit zeigen kann und testen Modelle in allen möglichen Positionen. Zu den wichtigsten Prüfreihen gehört die des Gierwinkels. Dabei handelt es sich um die Rotation des Fahrzeugs um seine vertikale Achse. Dazu kommt der Wind im Test nicht von vorn, sondern aus einem leicht versetzten Winkel. Wenn wir die aerodynamischen Hilfsmittel am Auto betrachten, sehen wir, dass zum Beispiel die Endplatten des Heckflügels sehr effizient arbeiten, so lange der Wind von vorn oder von hinten kommt. Tritt er aber seitlich auf, schirmen sie den Flügel jedoch ab und reduzieren den Abtrieb – und dieser Effekt kann durchaus in Kurven auftreten. Wird das Auto dann noch von Seitenwind erfasst, ereignet sich das, was wir "Schein-Gieren" nennen – das Auto wird leicht um seine Hochachse versetzt. Der von einem Rennwagen generierte Abtrieb verhält sich proportional zum Quadrat seiner Geschwindigkeit, gemessen an der umgebenden Luft. Bei Gegenwind muss man für diese Formel also die Windgeschwindigkeit zur Radgeschwindigkeit hinzurechnen und erhält einen höheren Downforce-Wert. Bei Rückenwind müssen wir entsprechend etwas abziehen und erhalten im Ergebnis geringeren Abtrieb. Man könnte meinen, dass der Effekt eines mit nicht mehr als 20 km/h wehenden Windes bei einem 320 km/h schnellen Auto zu vernachlässigen sei. Mit Rennwagen arbeitest du aber immer am obersten Limit des Leistungsfensters, und deswegen ziehen selbst kleinste Veränderungen große Effekte nach sich, die der Fahrer spürt. Wenn der Abtrieb proportional zum Quadrat der Geschwindigkeit ist, und wir einen Gegenwind von 20 km/h annehmen – der bei 320 km/ einen Geschwindigkeits-Unterschied von sechs Prozent ausmacht – dann erhöht sich die tatsächliche Downforce um annähernd 13 Prozent. Der Fahrer spürt das umso deutlicher, je schneller er fährt – eben wegen des proportionalen Wachstums. Bläst der Wind natürlich aus einer anderen Richtung, verzeichnen wir nicht nur den beschriebenen Zuwachs oder Verlust an Downforce, sondern auch eine Leistungseinbuße durch den erwähnten Gier-Effekt. Das wichtigste Werkzeug, um diese Effekte zu verstehen, bleibt der Windkanal. Je unempfindlicher du dein Auto machst gegen abweichende Windverhältnisse, desto schneller wird es sein, egal bei welchen Bedingungen. Um nachzuvollziehen, was der Wind mit dem Auto anstellt, zeichnen wir permanent den "gefühlten Wind" am Auto auf. Dazu verwenden wir zwei Methoden: An der Front jedes Autos sieht man das so genannte Pitot-Rohr, ein Gerät zur Messung der Windgeschwindigkeit. Es misst die Summe aus dem tatsächlichen, atmosphärischen Wind und dem Fahrtwind, der durch die Geschwindigkeit des Autos erzeugt wird. Indem wir diese "gesamte" Windgeschwindigkeit mit dem an den Rädern gemessenen gefahrenen Tempo vergleichen, können wir auf die aktuelle "reale" Windgeschwindigkeit schließen. Zusätzlich besitzen einige Formel 1-Autos ein deutlich komplexeres Gerät, die Giersonde. Sie arbeitet ähnlich wie das Pitot-Rohr, d.h. misst den dynamischen Winddruck und vergleicht ihn mit dem statischen Druck – allerdings mit dem komplexen Zusatz, dass sie auch die Windrichtung auf einige Winkelgrade genau erkennt. Da der Wind sich so stark auf das Fahrverhalten auswirkt, versuchen wir diesen Einfluss nach Kräften abzumildern. Der Vorschlag, das Qualifying wieder nach altem Muster abzuhalten, hätte uns erlaubt, ab Silverstone den optimalen Zeitpunkt zum Rausfahren abzuwarten – möglichst bei Windstille. Im Einzelzeitfahren genießen wir diesen Luxus nun weiterhin nicht. Trotzdem bleibt es für jeden Fahrer und Ingenieur immer wichtig, die Windverhältnisse richtig zu analysieren und entsprechend zu reagieren. Die erste Kurve in Silverstone zum Beispiel – die "Copse Corner" – gehört zu den schnellsten der Saison und wird fast mit Vollgas genommen. Gegenwind am Kurveneingang sollte der Fahrer ausnutzen, um die Kurve schneller zu nehmen, denn er hat ja momentan mehr Abtrieb. Rückenwind dagegen verlangt hier besondere Vorsicht. Kompliziert wird es, wenn der Wind unvorhersehbar wechselt. In diesem Moment müssen die Piloten in Sekundenbruchteilen entscheiden, wie die Bedingungen sind und wie schnell sie eine bestimmte Kurve fahren können. |
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