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40 Jahre Mercedes-Benz O 302Karosserie im klaren Bauhausstil der sechziger Jahre Während der Vorgänger mit vielen Rundungen und kleinen Fenstern optisch den fünfziger Jahren verhaftet ist und zum Ende seiner Karriere ein wenig aus der Mode kommt, so prägt den O 302 der klare automobile Bauhausstil der Sechziger. Zwar wölben sich Dach und Rücken, doch dies ändert wenig an der Grundform dieses Quaders mit steil stehender Stirn und üppiger Verglasung, mit schlanken Fenstersäulen, langen Seitenfenstern, großer Heckscheibe. Typischer Luxus der sechziger Jahre sind die Chromrahmen an allen Fenstereinfassungen. Der O 302 entspringt der Zeit des Wirtschaftswunders – man ist wieder wer, will sehen und gesehen werden. Und kommen nicht auch die Pkw dieser Jahre ähnlich klar daher, die Pagode, die Einheitskarossen der Heckflosse oder die ebenfalls 1965 präsentierten Modelle der Oberklassen-Baureihen W 108 und W 109? Einzig die dicken Scheuer- und Schmuckleisten des O 302 erinnern noch an die Fünfziger. Vorne greift ein blankes Band um den Bug herum und verbindet ihn mit den Seitenwänden. Im unteren Bereich der Flanken zieht sich bei vielen O 302 entweder eine breite Leiste oder ein Farbstreifen entlang der Seite vom vorderen zum hinteren Stoßfänger, das verleiht dem Bus ein geschlossenes Erscheinungsbild. Neuheit: Panoramaverglasung bis ins Dach hinein gewölbt Den O 302 gibt es wahlweise mit planen Seitenscheiben oder gewölbten Fenstern. Sie reichen hinauf bis ins Dach und verwandeln den Bus in einen klassischen Aussichtswagen. Die hintere Tür wird der Seitenkontur in diesem Fall oben durch ein Füllfenster angepasst. Diese Panoramaverglasung ist vor allem für die Reisebusse gedacht, es gibt sie aber auf Wunsch auch für die Linienwagen, die durch Zielschildkästen gekennzeichnet sind. "Erstmals bei einem Großserien-Omnibus hat der O 302-Reise anstelle", so die Kundeninformation. Der Fahrerplatz des Mercedes-Benz O 302 ist optisch ein wenig vom Fahrgastraum abgesetzt: Die Unterkante von Frontscheibe und den Türfenstern vorn liegen auf einer Linie, klar unterhalb der Brüstung des Fahrgastraums. Bei den Varianten mit hohen und gewölbten Seitenfenstern ist das Dach im Bereich des Fahrgastraums seitlich etwas erhöht. Mitte der sechziger Jahre noch üblich ist eine vertikal geteilte Windschutzscheibe, die hier jedoch nur noch durch einen schmalen Steg geteilt wird. Zahlreiche Varianten in Länge und Ausstattung Vielfalt zählt zu den besonderen Merkmalen des drei Meter hohen Hochbodenwagens: vier Radstände ergeben Längen von 9,6 bis 11,9 Meter (die größte Variante wird 1967 nachgereicht). Ausstattungen und Bestuhlungen gibt es reichlich, die Spanne umfasst funktionelle Stadtbusse, vielseitige Überlandwagen und gehobene Reisewagen, Schlagtüren vorne und hinten für den Reisebus, Schlagtüren oder zweiflügelige Außenfalttüren für den Überlandwagen, doppeltbreite Drehschiebetüren für Stadtlinienbusse, auf Wunsch Außenschwingtüren – der O 302 schöpft alle Möglichkeiten aus. Zusammen mit dem O 302 kommen die Direkteinspritzer Zusammen mit dem O 302 halten 1965 Direkteinspritz-Dieselmotoren in den Omnibussen mit Stern Einzug, zwei Jahre nach den Lkw. Bis dahin hatte Mercedes-Benz auf die weicher laufenden Vorkammermotoren gesetzt, die jedoch mehr Kraftstoff benötigen. Zunächst muss serienmäßig der kompakte Reihensechszylinder OM 352 mit 5,7 Liter Hubraum und 130 PS in Verbindung mit einem Fünfganggetriebe genügen. Der große Zwölfreiher erhält den OM 327 mit acht Liter Hubraum und 150, bald 160 PS. Dieses stärkere Triebwerk steht auf Wunsch auch für die kleineren Ausgaben des O 302 zur Verfügung. Zusätzlich bietet Daimler-Benz noch den OM 360 mit 8,7 Liter Hubraum und 170 PS Leistung an. Dem Zwölf-Meter-Bus spendiert Mercedes-Benz auf Wunsch den großen OM 355 mit 11,6 Liter Hubraum und 240 PS – auch für Reisebusse eine mehr als angemessene Motorisierung. Ab 1969 legen alle Motoren in der Leistung zu. Die aus heutiger Sicht in der Grundausstattung knapp bemessene Motorleistung ist aus der Zeit vor vier Jahrzehnten zu betrachten. Der Mercedes-Benz O 302 erreichte Gesamtgewichte zwischen nur 11,6 und 16 Tonnen, auch waren die Omnibusse der damaligen Zeit nur auf eine Höchstgeschwindigkeit von rund 90 km/h ausgelegt. Zu Beginn gibt es noch Schrauben- und Blattfedern Zu Beginn verfügt das Fahrwerk der drei kompakten Varianten des O 302 serienmäßig vorn über Schrauben- und hinten über Trapez-Blattfedern. Beim großen 13-Reiher sowie auch bei den Stadtbussen zählt von Beginn an eine Vollluftfederung zum Standard, die bei den anderen Ausgaben des O 302 ab 1971 in die Serie einfließt. Erstmals in einem Reisebus Marke Mercedes-Benz findet beim O 302 eine individuelle Düsenbelüftung für jeden Fahrgastplatz Verwendung. Ebenfalls erstmals kommt wahlweise eine Klimaanlage zum Einsatz; in einem Kasten über dem Hack montiert. Falls es ohne Klimaanlage zu warm werden sollte, können sich die Fahrgäste durch Rollos vor den Sonnenstrahlen schützen. Insgesamt ist von einem "außerordentlich sorgfältig durchkonstruierten Lüftungs- und Heizsystem" die Rede. Vor dem noch recht kargen Fahrerplatzes erstreckt sich ein echtes Armaturenbrett: Es läuft kerzengerade von links nach rechts, einzig die Einheit mit den Instrumenten, bestehend aus Tachometer, Drehzahlmesser und Kombiinstrument, ist ein wenig zum Fahrer hin geneigt. Vorteil: "Die Überwachungsinstrumente lassen sich mit einem Blick überschauen", so der erste Prospekt für die Stadt- und Überlandbusse des O 302. Gesucht: ein Bus von der Fußball-Weltmeisterschaft 1974 Zur Geschichte des O 302 gehören markante Modelle. So exportiert Daimler-Benz in dieser Ära auch Omnibusse in die USA. Sie erhalten die US-typische, markante Nirosta-Seitenbeplankung. Auf Wunsch wurden auch europäische O 302 damit ausgestattet. Im Herbst seiner Karriere erlebt der O 302 einen echten Höhepunkt: Während der Fußball-Weltmeisterschaft 1974 in Deutschland fahren alle Teams in einem O 302 vor, lackiert in den jeweiligen Landesfarben. Heute. Mehr als 30 Jahre später, sucht das Unternehmen unter Hochdruck einen Überlebenden dieser Busse, Spuren führen nach Afghanistan, in ehemalige GUS-Staaten sowie bis nach Indonesien – der O 302 ist ein echter Weltenbürger und auch hochbetagt noch sehr beliebt. Ein technischer Leckerbissen: der erste Hybridbus Auch technisch gibt es in der Ära des O 302 einen echten Leckerbissen: 1969 steht auf der IAA mit dem OE 302 der erste Hybridbus der Welt. Das "E" in der Typenbezeichnung deutet auf den zusätzlichen Elektroantrieb hin. Der Gleichstrom-Fahrmotor erreicht eine Dauerleistung von 115 kW (156 PS) und eine Spitzenleistung von 150 kW (205 PS), für einen Stadtbus in diesen Jahren üppig. Gespeist wird der Fahrmotor von fünf Batterieblöcken mit 189 Zellen, einer Gesamtbetriebsspannung von 380 Volt und einer Kapazität von 91 kWh. 70 km/h Höchstgeschwindigkeit und eine Reichweite im Linienbetrieb von etwa 55 Kilometer beschreiben die Grenzen des Konzepts, ebenso das Batteriegewicht von 3,5 Tonnen. Für den Zweischichtbetrieb mit einem ganzen Tag im Linieneinsatz erhält der OE 302 einen Transporter-Dieselmotor mit 48 kW (65 PS) Leistung. Dieses Aggregat, quer im Heck eingebaut, wird in Stadtrandgebieten zugeschaltet und läuft mit konstanter Drehzahl im optimalen Kennfeldbereich. Der Erfolgsbus erzielt einen Stückzahlweltrekord Der vielseitige Mercedes-Benz O 302 feiert zahlreiche Erfolge, auch als Fahrgestell: Bekannte Karossiers wie Ernst Auwärter, Drögmöller oder Vetter setzen schmucke Aufbauten auf den O 302. Das macht sich in den Stückzahlen bemerkbar: Daimler-Benz baut in elf Jahren mehr als 32 000 Fahrzeuge. Sie teilen sich auf in Fahrgestelle (etwas mehr als 50 Prozent der Fertigung) und Komplettbusse. Das bedeutet Weltrekord. Zwar erreicht der Nachfolger O 303 noch einmal höhere Gesamtstückzahlen, dies jedoch in längerer Zeit. Der Mercedes-Benz O 302, das hieß nicht nur einer für alle – in seiner erfolgreichen Laufbahn waren genauso alle für einen. |
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